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Kapitel 

DICHTKUNST DER KASSAIDEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1928

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT ZWEI KARTEN UND ZEHN ABBILDUNGEN

Gurutaph und Bolekko (Bakuba; Bolornbo)

Fünf Mädchen gingen in die Steppe und suchten Heuschrecken. Vier derselben hatten bald eine große Menge beisammen. Sie gingen nach Hause. Bolekko, die fünfte, blieb jedoch noch draußen und suchte weiter, denn sie hatte kein Glück gehabt. Als die vier andern gingen, sagten sie: "Du kommst auf dem Wege hier an einen Kreuzweg. Der eine Weg ist weiß, der andere rot. Gehe nicht den roten Weg. geh ja den weißen Weg." Bolekko sagte: "Es ist gut!"

Gurutaph (gleich dem Tschilumi Tschikullu der Bena Lulua) hatte das gehört. Er ging hinter den vier Frauen her und streute weiße Farbe auf den roten und rote Farbe auf den weißen Weg. Bolekko sammelte viele Heuschrecken. Dann ging sie heim. Sie kam an den Kreuzweg. Sie sah die weiße Farbe. Sie ging den weißen Weg. Sie kam in das Dorf Gurutaphs. Gurutaph sagte: "Das ist sehr gut, nun habe ich eine vorzügliche Frau. Willst du Fleisch von Menschen oder willst du Fleisch von Tieren essen?" Bolekko sagte: "Ich will Fleisch von Tieren essen." Gurutaph führte Bolekko in sein Haus. Gurutaph



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erlegte alle Tage Tiere und brachte sie heim. Im Hause hing viel Fleisch, Bolekko hatte viel zu essen.

Gurutaph ging alle Tage auf die Jagd. Wenn er von dannen ging, band er am Hause Bolekkos eine Schnur an. Er rollte sie, wenn er fortging, hinter sich auf. Er sagte zu Bolekko: "Wenn du fliehst, werde ich es sogleich hören, denn die Schnur wird es mir sagen."

Als Gurutaph eines Tages auf der Jagd war, kam der Bruder Bolekkos des Weges. Er fand die Hütte. Er traf Bolekko. Er sagte: "Wie kommst du hierher? Wir glaubten, du seiest gestorben." Bolekko sagte: "Ich suchte Heuschrecken und kam hierher zu Gurutaph. Gurutaph erlegt viel Wild und hat viel zu essen. Du mußt dich verstecken. Denn Gurutaph ißt Menschen." Bolekko versteckte ihren Bruder unter ihrem Bette.

Gurutaph kam von der Jagd heim. Gurutaph sagte: "Ich rieche hier Menschenfleisch." Bolekko sagte: "Nur ich bin hier. Wenn du mir nicht glauben willst, wenn du mich töten willst, so tue es."Gurutaph sagte: "Ich will dich nicht töten." Gurutaph beruhigte sich.

Am andern Tage ging Gurutaph wieder zur Jagd. Bolekko sagte zu ihrem Bruder: "Komme hervor." Der Bruder kam hervor. Bolekko gab ihrem Bruder eine Kalebasse mit Maphumba (rote Ameisen) eine mit Luphembe (Farbe) und eine Kalebasse mit Mambunda (Mais). Bolekko sagte: "Geh jetzt heim. Gurutaph wird dich riechen und verfolgen. Wenn Gurutaph nahe bei dir ist, wirf eine der Kalebassen zur Erde." Dann gab Bolekko ihrem Bruder viel Fleisch und sagte: "Du darfst aber davon unterwegs nichts essen. Iß im Dorfe davon." Der Bruder ging.

Nach einiger Zeit kam Gurutaph hinter dem Bruder her. Als er ganz dicht hinter dem Bruder war, warf der die Kalebasse mit Luphembe hin. Sie zersprang und Luphembefarbe spritzte weit über den Platz. Gurutaph bückte sich wieder und fraß alle Farbe auf. Dann rannte er wieder hinter dem Bruder her. Als er ganz dicht hinter dem Bruder war, warf der die Kalebasse mit Maphumba hin. Die Kalebasse zersprang und die Maphumba ward weit über den Boden verstreut. Gurutaph beugte sich nieder und leckte alle Maphumba auf. Dann sprang er wieder hinter dem Bruder her. Als er ganz dicht bei ihm war, warf der die Kalebasse mit dem Mambunda (Mais) hin. Die Kalebasse platzte und der Mais spritzte nach allen Seiten auseinander. Gurutaph beugte sich nieder, um ihn aufzusuchen. Ehe Gurutaph alles aufgesucht hatte, war der Bruder Bolekkos in seinem Dorfe.

Der Bruder des Zurückgekehrten war eifersüchtig auf die Menge des mitgebrachten Fleisches. Er wollte trotz Abratens des andern die Reise auch unternehmen. Der Bruder warnte. Er wanderte doch von dannen. Er erlebte alles wie der erste (der Erzähler wiederholt



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Mussonge Muluba



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die ganze Sache). Unterwegs aß er aber, während Gurutaph die Luphembe, die Maphumba und den Mambunda aufsammelte, von dem Fleisch. Er verlor dadurch viel Zeit. Gurutaph packte und fraß ihn. Er kehrte mit dem Fleische zurück. Bolekko weinte seitwärts, so daß Gurutaph es nicht sah, über den Tod des Bruders.

Eines Tages ging Gurutaph wieder zur Jagd. Bolekko packte alle Sachen und auch Kalebassen mit Luphembe, Maphumba und Mambunda zusammen. Sie floh und kam glücklich im heimatlichen Dorf an. (Der Erzähler schildert diese Flucht genau so wie die erste.)


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