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Kapitel 

DICHTKUNST DER KASSAIDEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1928

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT ZWEI KARTEN UND ZEHN ABBILDUNGEN

Die Kürbisgeborenen (Kanioka)

Mauesse a ngoye hatte einen Bruder Tanga a ngoye. Mauesse machte die ersten Menschen. Er machte vier Männer und vier Frauen. Die (acht) Menschen machten ein Dorf. Drei Frauen wurden schwanger und gebaren Kinder. Die vierte Frau ward nicht schwanger. Der Mann sagte: "Ich gebe meiner Frau gutes Essen, sie erhält Fleisch und Fisch. Sie gebiert keine Kinder, während die andern Frauen Kinder haben." Der Mann beschimpfte deshalb seine Frau alle Tage. Der Mann sagte: "Ich will Kinder haben, du gebierst keine Kinder." Nach einem Monat war die Frau schwanger. Einen (weiteren) Monat später sagte die Frau: "Ich will heute gebären, mach mir eine Tschissakka (großen Korb) zurecht." Der Mann fertigte eilig einen großen Korb an und stellte ihn in eine Hütte. Dann ging er heraus.

Die Frau setzte sich über den Deckelkorb; sie gebar eine Tschileo (Kalebasse); sie gebar noch eine Tschileo; sie gebar noch eine Tschileo. Sie gebar insgesamt zehn Bileo (Pl. von Tschileo). Dann gebar sie noch eine Tschileo, sie gebar noch eine Tschileo. Sie gebar wiederum zehn Bileo. Sie gebar alles in allem zwanzig Bileo. Dann hörte sie auf zu gebären. Eine Frau ging hin und rief den Mann der Frau. Sie sagte: "Deine Frau hat zwanzig Bileo geboren." Der Mann sagte: "Was soll ich machen? Ich habe meiner Frau gutes Essen gegeben, ich habe ihr Fleisch gegeben, ich habe ihr Fisch gegeben. Sie gebar nur Bileo. "Die Frau legte die zwanzig Bileo in den Korb und diesen in eine Bidie (ein kleines Pfahihäuschen für Erdnüsse). Am andern Morgen rief



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der Mann die Frau zur Feldarbeit. Sie gingen .beide zur Feldarbeit. Sie kamen wieder nach Hause. Sie fanden gutes Essen fertig bereitet. Sie fragten: "Wer hat uns das Essen bereitet?" Alle Leute sagten: "Wir haben das Essen nicht bereitet. Wir wissen nicht, wer es bereitet hat." Die beiden Leute warfen das Essen in den Busch. Sie wollten den Brei nicht essen.

Am andern Tage rief der Mann die Frau wieder zur Feldarbeit. Sie gingen beide zur Feldarbeit. Sie kamen wieder nach Hause. Sie fanden gutes Essen fertig bereitet vor. Sie fragten: "Wer hat das Essen bereitet?" Alle Leute sagten: "Wir haben das Essen nicht bereitet. Wir wissen nicht, wer es bereitet hat." Der Mann fragte Munumu, eine alte Frau, die nicht zu laufen vermochte, und die so alt war, daß, wenn sie es nötig hatte, sich im Hause entleerte: "Wer hat das Essen bereitet?" Munumu sagte: "Deine Frau hat zwanzig Bileo geboren. Es sind aber nicht Bileo. Lege du dir morgen zwanzig Hühner zurecht. Deine Frau soll sich zwanzig Eier zurecht legen. Dann kehrt auf dem Wege zum Felde ohne zu arbeiten sogleich wieder um."

Der Mann legte für sich zwanzig Hühner und für seine Frau zwanzig Eier im Busche zurecht. Dann ging er zum Felde. Die ersten zehn Bileo platzten. Es kamen zehn Männer heraus. Die zweiten zehn Bileo platzten. Es kamen zehn Frauen heraus. Die Frauen begannen Mehl zu stampfen. Der Mann und die Frau kehrten schnell heim. Der Mann nahm im Busche die zwanzig Hühner. Die Frau nahm im Busche die zwanzig Eier. Sie kamen ins Dorf und fanden die zehn Männer und die zehn Frauen an Stelle der Bileo. Der Mann sagte: "Ich bin euer Vater, bleibt Menschen." Der älteste Sohn sagte: "Nein, wir sind Bileo und bleiben auch Bileo, weil du unsere Mutter beschimpft hast." Der Mann sagte: "Bleibt Menschen!" Der Mann gab jedem ein Huhn, die Frau gab jedem ein Ei an den Kopf (!?). Der älteste sagte: "Wir bleiben; aber beschimpfe nicht wieder !" Die zwanzig bauten sich Häuser, eines neben dem andern. Dann heirateten neun Töchter; nur die jüngste blieb bei der Mutter. Die zehn Männer blieben bei dem Vater.

Die Mutter sandte die jüngste Tochter aus, in einer Tschileo Wasser zu holen. Das Mädchen ließ die Tschileo fallen. Sie zerbrach. Sie kam nach Hause. Sie sagte zur Mutter: "Ich habe die Tschileo fallen lassen. Sie ist zerbrochen." Die Mutter sagte: "Das macht nichts." Der Vater kam nach Hause. Er sah, daß die Tschileo zerbrochen war. Er sagte: "Was, du zerbrichst die Tschileo? Und doch ist es die Haut, aus der du kamst." Das Mädchen weinte. Sie ging zu den Brüdern. Sie sagte: "Unser Vater hat uns beschimpft, weil ich eine Tschileo zerbrochen habe." Die Brüder sagten: "Rufe alle Schwestern aus ihren Dörfern herbei, wir wollen sehen, was wir machen." Das



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Mädchen ging zu ihren Schwestern. Die neun Frauen kamen. Die zwanzig Kinder gingen zum Vater. Der älteste Sohn sagte: "Du hast gescholten, weil die Mutter nicht schwanger ward. Du hast gescholten, als die Mutter Bileo gebar. Du schiltst (nun) uns. Wir gehen."

Alle zwanzig Kinder gingen in das Wasser und starben im Wasser.


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