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Kapitel 

DICHTKUNST DER KASSAIDEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1928

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT ZWEI KARTEN UND ZEHN ABBILDUNGEN

Die schlechte Mutter (Kanioka)

Eine Frau hatte zwei Töchter. Sie gab jeder eine Luschinga (Nadel), um Körbe zu machen, dann ging sie selbst hin, Mehl zu stampfen. Die ältere Tochter zerbrach die Luschinga, die jüngere lief zur Mutter und sagte: "Meine Schwester hat die Luschinga zerbrochen." Die Mutter ward sehr böse. Sie packte das Kind in großer Wut und stieß es in den Mörser, und dann nahm sie die Keule und zermalmte das Kind zu einem Klumpen. Den Klumpen warf sie ins Gras. Es fiel viel Regen. Der Regen spülte die Überreste des Mädchens aus dem Gras in den Sumpf. Der Sumpf fügte sie wieder zusammen und trieb sie in den Bach.

Am andern Tage gingen die Mädchen des Dorfes zum Bache herab, um Wasser zu holen. Jede nahm ihren Krug auf und ging zurück. Die kleine Schwester des zerstampften Mädchens konnte ihren Krug nicht allein heben. Sie blieb zurück und seufzte: "Wenn meine Jaia (= ältere Schwester; in Loango das gleiche Wort) hier wäre, die würde mir helfen." Da kam die Schwester aus dem Bache und sagte:



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"Warum hast du das gestern gleich der Mutter gesagt?" Dann rief die Schwester zwei Fischchen (Missangi) herbei, die halfen der Kleinen den Krug auf den Kopf heben. Ebenso war es am andern Tag und ebenso am dritten. (Der Erzähler wiederholte die ganze Sache also dreimal.)

Das kleine Mädchen erzählte die ganze Sache dem Vater. Der Vater sagte: "Es ist recht." Der Vater nahm Eier mit sich. Die Mädchen kamen und holten Wasser. Der Vater versteckte sich im Busch. Alle Mädchen gingen. Das kleine Mädchen konnte seinen Wasserkrug nicht heben. Das kleine Mädchen sagte: "Wenn meine Jaia hier wäre, die würde mir helfen." Die Schwester kam aus dem Bache. Der Vater nahm ein Hühnerei und warf es ihr an den Kopf. Er trat aus dem Busch und sagte: "Komm wieder mit mir zurück in das Dorf." Das Mädchen kam mit.

Sie kamen in das Dorf. Das zerstampfte Mädchen sah seine Mutter und sagte: "Mein Vater, weshalb hast du mich nicht in ein anderes Dorf gebracht. Meine Mutter hat mich so schlecht behandelt, ich kann meine Mutter nicht wiedersehen." Darauf starb das Mädchen wieder. (Erzählt von einer Frau.)


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