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Kapitel 

DICHTKUNST DER KASSAIDEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1928

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT ZWEI KARTEN UND ZEHN ABBILDUNGEN

Mona Tscho (Batetela; Wakussu)

Zwei Brüder gingen ihres Weges. Sie kamen an einen Weg, der den ihren kreuzte. Eine Schlange lief auf diesem vor ihnen quer vorüber. Der Oloam (der ältere von zwei Brüdern) sagte: "Die Schlangen verstehen es nicht, ein Dorf zu bauen." Sie gingen weiter. Sie kamen an einen Kreuzweg. Eine Schlange lief quer vor ihnen vorüber. Der Oloam sagte: "Die Schlangen verstehen es nicht, ein Dorf zu bauen. Wir wollen sehen, wo diese Schlange hingegangen ist." Sie gingen hinter der Schlange her. Bald war der Weg verwachsen und dann verlief er in einer Grasfläche. Der Oloam sagte: "Wir wollen den Weg finden." Er begann das Gras niederzutreten. Plötzlich biß eine Tscho (Schlange) den Kussemi(jüngeren Bruder). Der Kussemi schrie laut auf. "Eine Tscho hat mich gebissen." Der Oloam sagte: "So?" Er kam langsam herbei. Die Tscho ging nun ein wenig weiter, wickelte sich um ein Grasbündel und sagte: "Wenn du mich tötest, stirbt dein Kussemi auch. Läßt du mich am Leben, so will ich deinem Bruder ein Medikament zur Heilung geben." Der Kussemi bat: "Oh, töte das Tier nicht, sonst muß ich sterben." Der Oloam nahm einen Stock und schlug die Schlange tot.

Kussemi bat den Oloam: "Ich kann nicht gehen, trage mich ins Dorf." Der Oloam sagte: "Geh nur ein Stückchen, dann trage ich dich." Der Kussemi ging ein Stück mit einem Stock als Stütze weiter. Der Kussemi bat den Oloam: "Ich kann nicht weiter, trage mich



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ins Dorf." Oloam sagte: "Geh nur ein Stück, dann trage ich dich." Der Kussemi ging ein Stück mit einem Stocke als Stütze weiter. Der Kussemi bat den Oloam: "Ich kann nicht gehen, trage mich ins Dorf." Der Oloam sagte: "Geh nur ein Stück, dann trage ich dich." Der Kussemi ging weiter am Stock. Der Bruder trug ihn nicht. Ganz nahe am Dorfe fiel er hin. Seine Beine waren aufgeschwollen. Er lag im Sterben. Der Oloam ging weiter ins Dorf. — Die Frau Kussemis kam. Der Kussemi sagte: "Mein Bruder ist der Grund meines Todes. Er schlug die Schlange tot, die mir Heilmittel geben wollte. Er ließ mich gehen, als ich gebissen war. Er trug mich nicht. Jetzt sterbe ich. Nimm all mein Besitztum mit dir aus meinem Dorf in das deines Vaters. Mein Oloam soll nichts erhalten." Der Kussemi starb. Der Kussemi ward begraben. Die Frau nahm all sein Besitztum und seine Kinder und kehrte in das Dorf ihres Vaters zurück.

Nach vier Monaten hörten die alten Leute aus dem Grabe des Kussemi starkes Geräusch aufsteigen. Die Alten aus Kussemis Dorf gingen mit Stangen hin und öffneten ein wenig die Erde. Da stieg der Kussemi empor. Man schlug sogleich die Pauken. Die Leute neben ihn rot und schwarz ein. Der Kussemi sagte aber: "In diesem Dorf, in dem mein Bruder lebt, will ich nicht bleiben." Der Kussemi ging fort. Er ging in das Dorf der Familie seiner Frau. Vor dem Dorfe traf er seinen ältesten Sohn. Der lief zurück ins Dorf. Sein ältester Sohn rief im Dorfe: "Njai, Njai (Mutter, Mutter), Papa (der Vater) kommt." Die Mutter sagte: "Sprich nicht so, Papa ist gestorben." Der älteste Sohn sagte: "Nein Njai, Papa kommt !" Die Mutter ging vor das Dorf. Sie traf ihren Mann, den Kussemi. Sie sah den Kussemi und sagte: "Es ist wahr. Papa ist zurückgekommen." Kussemi ging mit in das Dorf.

Der Kussemi erhielt von seinem Schwiegervater ein Haus. Er begann Mukinda (Fischreusen) für ganz große Fische zu flechten. Dann ging er fischen. Einmal fing er einen ungeheuerlich großen Fisch. Er sagte: "Das ist gut für den E-Uangi (Häuptling). Er ist zu gut für mich." Er machte sich nachts auf den Weg und brachte dem Häuptling den Fisch. Der E-Uangi erkannte den Kussemi und fragte: "Woher kommst du?" Der Kussemi erzählte alles. Der E-Uangi sagte: "Du sollst in Zukunft Kakoffoa amboja okima (der Gestorbene kommt wieder) heißen."


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