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Kapitel 

DICHTKUNST DER KASSAIDEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1928

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT ZWEI KARTEN UND ZEHN ABBILDUNGEN

Tschundo tscha Kiolumbo (Batetela; Wakussu)

Tschundu tscha Kiolumbo war ein großer Häuptling. Er hatte einen Mulofue (Aufseher), der war allem vorgesetzt. Der Mulofue hatte aber keine Frau. Wenn der Mulofue ein schlechtes Wort oder eine schlechte Handlung im Dorfe sah oder hörte, so lief er gleich zum Tschundu tscha Kiolumbo und berichtete es dem. Der Häuptling gab ihm dann den Auftrag, dem betreffenden Sünder alle Frauen und alle Besitztümer fortzunehmen. Der Mulofue tat es dann auch, aber er unterschlug die Hälfte. Der Mulofue hatte sein Haus versteckt angelegt, so daß er nicht beobachtet werden konnte selbst aber alles zu übersehen vermochte. So brachte er denn einen Wohlhabenden nach dem andern vor die Gerichtsbarkeit des Häuptlings. Je mehr solche Itas (Ita Palaver Streit, Krieg) es aber gab, desto unzufriedener wurden die Leute.

Eines Tages ergriffen die Leute die Udimba (Trommel) und teilten dem Häuptlinge mit: "Du bist schlecht. Du machst viel Ita. Wir wollen einen andern Häuptling haben." Tschundu tscha Kiolumbo ergriff auch seine Udimba und antwortete: "Tut mir nichts Böses, ich weiß selbst, daß ich schlecht war."Dann rief er alle andern Balofue (Pl. von



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Mulofue) zusammen und ließ sich berichten. Dann sagte er: "Laßt nur gut sein. Wir werden den eigentlich schlechten Mann schon fassen. Es ist mein erster Mulofue."

Am andern Tage machte der Häuptling einen Tschondo (Ambos) aus Dibumba (Töpferton). Er strich ihn schwarz an, so daß er wie ein Tschondo aus Eisen aussah. Diesen Tschondo aus Ton gab er seinem ersten Mulofue und sagte: "Lege ihn in den Fluß für einige Zeit." Der Mulofue tat es. Nach drei Monaten verlangte der Häuptling seinen Tschondo zurück. Der Mulofue suchte ihn. Der Ton hatte sich im Wasser aufgelöst und war zerflossen. Der Mulofue suchte den Tschondo. Er konnte den Tschondo nicht finden. Er suchte mit allen seinen Frauen und Sklaven; sie schöpften das Wasser aus dem Flusse, sie konnten den Tschondo nicht finden. Der Mulofue ging zum Häuptling und sagte: "Der Tschondo ist verloren." Der Häuptling sagte: "Du lügst. Du hast sicher den schönen Tschondo, den ich von meinem Vater geerbt habe, nach einem andern Dorfe verkauft." Der Häuptling ließ dem Mulofue alle Besitztümer und alle Frauen und Sklaven bis auf eine fortnehmen und jagte ihn von dannen.

Der Mulofue lief zu einem großen benachbarten Häuptling und sagte: "Tschundo tscha Kiolumbo, mein früherer Häuptling, zieht gegen dich zu Felde." Der Häuptling hörte das. Er sammelte alle seine Leute und begann den Feldzug. Tschundo tscha Kiolumbo hörte, daß sein Nachbar mit Krieg nahe. Er rüstete auch. Die Leute trafen sich. Es gab ein blutiges Gefecht. Dann verlangten einige alte Leute eine Pause. Der Nachbar fragte: "Weshalb hat Tschundo tscha Kiolumbo den Krieg begonnen?" Tschundo tscha Kiolumbo sagte: "Wer hat dir gesagt, daß ich den Krieg begonnen habe?" Der andere Häuptling sagte: "Dein eigener Mulofue !" Alle Leute Tschundo tscha Kiolumbos sagten: "Der Mulofue hat gelogen." Da töteten sie den Mulofue.


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