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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE DER LIEBENDEN VOM STAMME TAIJI

El-Kâsim. der Sohn des 'Adt. erzählte von einem Manne aus dem Stamme der Tamîm, daß der ihm berichtet habe: Ich zog eines Tages aus auf die Suche nach einem verlaufenen Tiere und kam dabei zu den Wassern der Banu Taiji. Dort sah ich zwei Gruppen von Menschen stehen, eine nahe der anderen; und die Leute der einen Gruppe stritten mit Worten wider die andere, gerade so wie diese wider sie. Ich schaute genauer hin und entdeckte auf der einen Seite einen Jüngling, der von Krankheit verzehrt war, so daß er aussah wie ein abgenutzter, ausgetrockneter Wasserschlauch. Und während ich ihn ansah, sprach er diese Verse:

Was ist der Schönen denn, daß sie nicht zu mir kommt?
Ist's Geiz der Schönen oder ist es Sprödigkeit?
Ich wurde krank: da kamen die Freunde all zu mir.
Warum erscheinst du nicht, da jeder sich mir weiht?
Ja, wärest du erkrankt, ich eilte zu dir hin,
Und alles Drehn und Schelten schreckte mich nicht mehr.
Nun nuß ich dich bei ihnen; nun bin ich ganz allein.
Das traute Lieb zu missen, mein Augentrost, ist schwer.

Da hörte eine Maid von der anderen Seite seine Worte, und sie eilte zu ihm. Die Ihren liefen ihr nach; aber sie wehrte sie mit Schlägen ab. Doch sowie der Jüngling sie bemerkte, sprang er auf, ihr entgegen; aber auch die Seinen eilten ihm nach und hängten sich an ihn. Dennoch machte er sich von ihnen los, wie es auch der Maid gelang, sich von den Ihren zu befreien. Und so eilten sie unbehindert aufeinander zu. bis sie sich zwischen den beiden Gruppen trafen und einander in die Arme sanken. Dann stürzten sie tot zu Boden. — —«



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Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 411. Nacht anbrach, fahr sie also fort: »Es ist mir berichtet den, o glücklicher König, daß der Jüngling und die Jungfrau, als sie sich zwischen den beiden Gruppen trafen und einander in die Arme gesunken waren, tot zu Boden stürzten. Da kam ein alter Mann aus jenen Zelten hervor, trat zu den beiden und rief: ,Wir sind Allahs Geschöpfe, und zu ihm kehren wir zurück!' und weinte bitterlich. Dann rief er: ,Allah der Erhabene erbarme sich eurer! Bei Gott, wart ihr auch nicht zu euren Lebzeiten vereint, so will ich euch doch im Tode vereinen!' Dann befahl er, die beiden aufzubahren; da wurden sie gewaschen und in ein einziges Leichentuch gehüllt. Dann grub man ein Grab für sie, das Volk sprach das Gebet für sie, und sie wurden beide in jenes Grab gebettet. Bei beiden Gruppen aber gab es keinen Mann und keine Frau, die nicht um sie geweint und sich nicht das Gesicht geschlagen hätten. Ich fragte den alten Mann nach ihnen, und er gab mir zur Antwort: ,Diese Jungfrau war meine Tochter, und dieser Jüngling war meines Bruders Sohn. Die Liebe hat sie zu dem Ende gebracht, das du hier siehst.' Da rief ich: ,Allah ersetze dir den Verlust! Doch warum hast du sie nicht miteinander vermählt?' Er antwortete: ,Ich fürchtete mich vor Schimpf und Schande; und jetzt bin ich beiden verfallen.' — Dies ist eine der wunderbaren Geschichten von den Liebenden.



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Ferner wird erzählt


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