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Kapitel 

DICHTKUNST DER KASSAIDEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1928

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT ZWEI KARTEN UND ZEHN ABBILDUNGEN


4. DIE ALTE GÖTTERLEHRE. KULTURMYTHEN IM WESTEN


Lumischi (Kioque)

Ein Elternpaar war lange kinderlos. Die Frau war lange Zeit kind. los. Die Frau weinte viel. Sie weinte alle Tage. Eines Tages fühlte sie sich plötzlich schwanger, ohne daß sie in der letzten Zeit mit einem Manne geschlafen hatte. Noch am selben Tage gebar sie. Das Kind hatte links eine Faust. Die Hand war geschlossen. Die Leute öffneten die Hand gewaltsam. Die Leute fanden in der Hand ein Stück Fell vom Kamokondo (Marder), in dem Fell einen Bogen, Pfeile und Feuer. Die Leute sagten: "Das ist alles ganz unerhört. Wir wollen das Kind Lumischi mit allen seinen Sachen in die Büsche werfen."

Die Mutter ging mit dem Kinde fort, um es in die Büsche zu werfen. Unterwegs sagte das Kind: "Wirf mich nicht in die Büsche. Wirf mich in die Luba-(Maniok-) Felder."Die Mutter setzte das Kind, das am ersten Tage sprechen konnte, unter die Lubastauden. Zwei Tage war Lumischi im Lubafeld. Am dritten Tage ging die Mutter über das Feld. Sie traf Lumischi. Lumischi war zum starken Mann aufgewachsen. Lumischi sagte: "Sieh, ich bin vor drei Tagen geboren.



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Die Leute haben gewollt, daß du mich fortbringst. Ich bin zwei Tage ohne Essen im Felde geblieben und doch ein starker Mann geworden. Mutter, komm mit mir. Komm, wir gehen nicht auf dem Wege, wir gehen über die Steppe." Die Mutter sagte: "Es ist gut."

Sie gingen beide fort. Sie gingen über die Wiesen fort. Dann fanden sie einen Weg. Sie kamen an ein Dorf. In dem Dorfe war aber eine große Hungersnot. Die Leute sagten zu Lumischi: "Es gibt hier nichts zu essen. Wir können keinen Maniok bauen. Wenn wir an einem Tage das Holz lichten, die Büsche abbrennen, dann ist am andern Tage wieder alles zugewachsen. Das geschieht immer über Nacht." Lumischi sagte: "Ich werde über Nacht hingehen." Lumischi ging am Abend hin. Er traf einen Sokoloscha dort. Er ging auf den Sokoloscha zu und erschlug ihn. Er ging zurück und sagte: "Ihr könnt ruhig schlafen. Morgen geht und seht." Die Leute schliefen über Nacht. Am andern Morgen gingen sie hin. Sie fanden den Sokoloscha tot; es war ein riesenhaftes Geschöpf. Die Leute begannen ihre Arbeit von vorn und hatten bald wieder Felder und Maniok im Überfluß.

Lumischi ließ sich (nun) ein Stück Maniok geben. Er ging mit seiner Mutter und dem Maniok ans Wasser. Sie gingen über den Fluß. Er gab seiner Mutter ein Stück von dem Maniok. Er gab seiner Mutter noch ein Stück von dem Maniok. Den Rest warf er in den Fluß. Den Maniok aß ein Nischi (ein elektrischer Fisch), den Nischi ein Tschingondongolo (großer Fisch mit mächtigen Flossen), den Tschingondongolo ein Ngandu (Krokodil), das Ngandu aß ein Nguffu (Nilpferd). Das Nguffu ging an das Land und starb da. Lumischi wollte es nehmen. Leute des Landes kamen aber und forderten das Nguffu. Lumischi sagte: "Es ist mein Nguffu, denn es aß meinen Maniok."Die Leute sagten: "Das ist nicht wahr. Es aß unseren Maniok." Lumischi sagte: "Wer aß den Maniok?" Die Leute sagten: "Das Nguffu." Lumischi sagte: "Dann ist es nicht euer Nguffu, denn das Nguffu hier aß alle Esser meines Manioks." Lumischi schnitt es auf: im Nguffu war das Ngandu, im Ngandu das Tschingondongolo, im Tschingondongolo der Nischi, im Nischi der Maniok. Die Leute sagten: "Das ist deine Sache. Wir wollen bezahlen." Die Leute bezahlten Lumischi alles.

Lumischi stieg auf zu Kalunga (in den Himmel). Kalunga gab ihm zwei Kalebassen und eine große Trommel. Kalunga sagte: "Geh auf die Erde, geh hin und zerwirf die Kalebassen. In der einen wirst du Männer finden, in der andern Frauen. Geh hin und trommle. So wirst du ein großer Häuptling." Lumischi ging hinab zur Erde. Er hatte seine Trommel und die Kalebassen bei sich. Er ging hinab und trommelte. Er warf eine Kalebasse hin, sie zersprang. Es kamen viele Männer hervor. Er trommelte. Er warf die andere Kalebasse



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hin, es kamen viele Frauen heraus. Er trommelte. Alle tanzten. Er ward ein großer und reicher Häuptling.


Copyright: arpa, 2015.

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