Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM KAUFEN EL-MAMÛN UND DEN PYRAMIDEN

Als el-Mamûn, der Sohn des Kalifen Harûn er-Raschîd. in die Stadt Kairo, die in Gottes Hut steht, seinen Einzug hielt, da wollte er die Pyramiden niederreißen lassen, um die Schätze, die darin verborgen waren, an sich zu nehmen. Doch als er versuchte, die Zerstörung ausführen zu lassen, konnte er es nicht vollbringen, ob er sich gleich viel Mühe darum gab und viel Geld dafür aufwandte. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 398. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß el-Mamûn sich große Mühe gab, die Pyramiden niederzureißen, und viel Geld



1000-und-1_Vol-03-519 Flip arpa

dafür aufwandte; aber er konnte es nicht vollbringen. Nur in eine einzige von ihnen vermochte er eine kleine Öffnung zu brechen, und es heißt, daß el-Mamûn in dieser Öffnung so viel Geld gefunden habe, wie er auf die Brechung des Loches verwandt hatte, nicht mehr und nicht weniger. Darüber verwunderte er sich; dann nahm er, was er dort fand, und ließ von seinem Vorhaben ab.

Der Pyramiden aber sind drei; und sie gehören zu den größten Wundern der Welt, und sie haben auf der ganzen Erde nicht ihresgleichen an Festigkeit, Beständigkeit und Höhe. Sie sind aus mächtigen Felsblöcken erbaut; und die Baumeister, die sie schufen, bohrten Löcher in jeden Stein von beiden Seiten her und steckten gerade Eisenstäbe hinein, dann bohrten sie Löcher in den zweiten Stein und legten ihn auf den andern, indem sie zugleich geschmolzenes Blei auf die Eisenstäbe taten, und das alles in geometrischer Ordnung, bis der ganze Bau vollendet war. Jede Pyramide hatte eine Höhe über der Erde von hundert Ellen des damals üblichen Maßes; sie hatte vier Seiten, die sich nach oben hin abschrägten und die am Fuße je dreihundert Ellen breit waren. Die Alten erzählen, daß sich im Innern der westlichen Pyramide dreißig Kammern aus farbigem Granit befinden, angefüllt mit kostbaren Edelsteinen, gewaltigen Schätzen, seltenen Bildwerken, prächtigen Werkzeugen und Waffen, die mit kunstvoll bereiteter Salbe bestrichen sind, so daß sie bis zum Tage der Auferstehung nicht rosten; ferner sollen Glasgefäße darin sein, die man biegen könne, ohne daß sie zerbrechen, dazu mancherlei Arten von Drogen und kunstvoll bereiteten Tränken. Und in der zweiten Pyramide sollen die Annalen der Priester sein, eingemeißelt auf Tafeln von Granit, für jeden Priester eine solche kunstvolle Platte. darauf die Wunder seiner Kunst und seine Taten verzeichnet



1000-und-1_Vol-03-520 Flip arpa

stehen. An den Wänden aber seien menschliche Figuren, Götzenbildern gleich, die mit ihren Händen allerlei kunstvolle Arbeiten verrichten und auf erhöhten Stufen sitzen. Ferner soll eine jede Pyramide einen Schatzmeister haben, der sie behütet, und diese Wächter bewahren sie in alle Ewigkeit vor den Wechselfällen der Zeit. Die Wunder der Pyramiden haben von jeher alle, die da sehen und Einsicht haben, zum höchsten Erstaunen getrieben, und sie sind in vielen Liedern beschrieben; sie könnten dir zu nicht geringem Nutzen dienen, und so lautet denn eines von ihnen:

Wenn Herrscher ihren Ruhm der Nachwelt künden wollen.
So mag es durch die Zunge der Bauten wohl geschehn.
Siehst du die Pyramiden, wie sie unverändert
Trotz aller Zeiten Wechsel immer noch bestehn?

Und ein anderes:

Schau auf die Pyramiden, und höre, wie die beiden
So vielerlei berichten aus Urvergangenheit!
Ja, wenn sie reden könnten, sie würden uns erzählen,
Was Menschen widerfuhr im Wechsel all der Zeit.

Und ein drittes:

Mein Freund, gibt's unter diesem Himmel ein Gebäude,
Das Kairos Pyramiden gleicht an Festigkeit?
Sie sind ein Bau, vor dem die Zeit sich selber fürchtet;
Und alles hier auf Erden fürchtet sonst die Zeit!
Mein Blick erfreute sich ob ihrem stolzen Baue;
Den Sinn erfreute nicht der Zweck, dem sie geweiht.

Und ein viertes:

Wo ist der Mann, der einst die Pyramiden baute?
Wie hieß sein Stamm? Wann war sein Tag? Wo ist sein Grab?
Die Werke überdauern die Männer, die sie schufen,
Nur kurz; dann kommt der Tod und stürzt auch sie hinab.



1000-und-1_Vol-03-521 Flip arpa

Ferner erzählt man


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt