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Kapitel 

DICHTKUNST DER KASSAIDEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1928

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT ZWEI KARTEN UND ZEHN ABBILDUNGEN

Die Bikudi (Bassonge; Bena Kalebue, Lupungu)

Ein Mann, der keinen Bruder und keinen Freund hatte, ging in den Wald. Er wollte Holz zum Bau seines Hauses schlagen. Er schlug einen starken Baum und einen dünneren, dann ging er heim. Als er wieder in den Wald kam, waren acht Bäume (anstatt zwei) geschlagen. Der Mann sagte: "Ich habe doch nur zwei Bäume geschlagen ?" Er schlug wieder zwei Bäume. Als er wieder in den Wald kam, fand er sechzehn Bäume geschlagen. Endlich war alles Holz geschlagen. Er hatte aber das wenigste davon selbst geschafft.

Der Mann begann nun eine Seite des Hauses zu bauen. Als er am anderen Tage an die Stelle kam, war das ganze Haus fertig. Der Mann sagte: "Ich habe doch weder Vater, noch Freunde, noch Brüder ?" Er begann ein anderes Haus zu bauen. Am andern Tage war es vollendet. Er fragte die Leute im Dorfe. "Wer hilft mir bauen ?" Kein Mensch konnte ihm Auskunft geben. Sein ganzes Gehöft ward so erbaut.

Der Mann verbot seiner Frau, Strohhalme aus dem Dache zu ziehen (zum Feuermachen). Er machte ein Tschitidi (Bett). Er ging aus dem Hause. Als er wieder in das Haus kam, waren zwei Tschitidi da. In dem Hause hatte er einen Tschissassa (Zwischenboden) gemacht. Er sagte zu seiner Frau: "In den Betten da unten schlafe ich nicht. Ich schlafe auf dem Tschissassa." Der Mann stieg mit seiner Frau zum Schlafen auf den Tschissassa.

In der Nacht sah er, wie zwei Bikudi in das Haus traten (Tschikudi Verstorbene). Die Haare der beiden waren so lang, daß sie bis zum Zwischenboden hinaufreichten. Der eine Tschikudi legte sich unten auf das Tschitidi, der andere stieg auf den Tschissassa hinauf. Der Mann flüsterte seiner Frau zu: "Rede nicht." Die beiden Bikudi lagen da und schliefen. Der Mannband die Haare des auf dem Tschissassa Liegenden an die Gerüstpfähle und Latten des Daches fest, einen Haarstrang nach dem andern. Dann stiegen sie beide leise



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vom Zwischenboden hinab und banden auch die Haarsträhne des andern an die Dachbalken.

Beide gingen nun aus dem Hause. Die Frau lief gleich in ein anderes Haus und versteckte sich; der Mann rannte aber in das Dorf und schrie: "Bikudi! Bikudi !" Die beiden Bikudi wachten auf. Sie wollten fortspringen und sahen nun, daß sie festgebunden waren. Sie rissen sich in großer Wut los. Die Haare und die Haut des Kopfes riß ab. Dann stürzten die Bikudi heraus und hinter dem Manne her. Der Mann schrie: "Bikudi! Bikudi !" Der Mann sah die Bikudi kommen. Er wollte sich schnell in ein Haus flüchten. Alle Leute hielten aber aus Furcht vor den Bikudi die Häuser zu. Er jagte umher. Endlich wollte er in das Haus, in dem seine Frau war. Er schlüpfte hinein, aber ein Tschikudi kratzte ihm just noch über das Rückenende.

Am andern Tage wuchs dem Manne an der Stelle, wo der Tschikudi gekratzt hatte, ein Strohbündel heraus. Das Strohbündel wuchs mächtig. Der Mann litt sehr an großen Schmerzen. Nach einigen Tagen starb er.


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