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Kapitel 

DICHTKUNST DER KASSAIDEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1928

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT ZWEI KARTEN UND ZEHN ABBILDUNGEN

Muloschigeschichte (Kanioka)

Ein Mann hatte eine Frau und einen Hund. Die Frau gab dem Hund stets schlechtes Essen und schlug ihn viel. Der Mann war ein Muloschi (ein als Geist menschenessendes, vampyrartiges Ungeheuer) und hatte einen andern Mann (der auf diese Weise Muloschi werden wollte) in seine Gewalt bekommen. Der andere gab ihm seinen Bruder und seine Mutter und seine ganze Familie. Der Muloschi aß das Fleisch der Leute.

Eines Tages sagte der andere aber: "Ich habe dir meinen Bruder und meine Mutter und meine ganze Familie gegeben. Was gibst du mir nun?" Der alte Muloschi sagte: "Es ist gut; wir wollen meine Frau essen. Wenn sie Mehl stampft, wirf ihr Erde hinein, so wird sie ärgerlich rufen. Dann reiße ihr, wenn sie spricht, die Zunge heraus. Nachts, wenn sie schläft, werde ich ihr einen leichten Schlag versetzen. Sie wird aufspringen und rufen: "Was ist das ?" Dann kannst du sie packen. Der junge Muloschi sagte: "Es ist gut."

Der Hund hatte alles gehört. Er lief zu der Frau und sagte: "Du gibst mir immer schlechtes Essen und schlägst mich. Wenn du mir heute gutes Essen gibst, will ich dich retten." Die Frau schlachtete schnell ein Huhn, kochte es und gab es dem Hund. Der Hund sagte: "Dein Mann ist ein Muloschi. Er hat die ganze Familie eines andem,



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der Muloschi werden wollte, verzehrt. Nun will er dich dem andern geben. Ich werde mit Knurren dir ein Zeichen geben, wenn der Muloschi in deiner Nähe ist. Wenn der Wind dir Erde in dein Mehl wirft, oder wenn dein Mann dir nachts einen Schlag gibt, so sprich nicht, sonst packt dich der Muloschi. Wenn aber dein Mann schläft, so gib du ihm einen Schlag. Er wird aufspringen und sprechen. Dann wird er vom andern Muloschi gepackt. Wenn er dann gestorben ist, rufe alle Leute zusammen und sage ihnen alles." Die Frau sagte: "Es ist gut."

Die Frau stieß Mehl. Der andere Muloschi kam als Wind. Der Hund knurrte. Der Wind wehte Erde in das Mehl der Frau. Die Frau sprach nicht. Nachts gab der Mann der Frau einen Schlag. Die Frau fuhr auf, der Hund knurrte. Die Frau sah den Mann starr an. Die Frau sagte nichts. Sie sah dem Mann nur fragend in die Augen. Der Mann legte sich wieder hin. Er schlief ein. Die Frau versetzte ihm einen leichten Schlag. Der Mann erwachte und fragte: "Was ist?" Der andere Muloschi packte ihn.

Am andern Morgen war der Mann krank. Am dritten Tage war er gestorben. Die Frau rief alle Leute des Dorfes zusammen und erzählte ihnen die ganze Geschichte. (Der Erzähler erzählt das Ganze noch einmal.) Die Leute sagten: "Weint nicht um ihn und begrabt ihn nicht. Der Mann war ein Muloschi. — (Erzählt von einer Frau)


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