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Kapitel 

DICHTKUNST DER KASSAIDEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1928

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT ZWEI KARTEN UND ZEHN ABBILDUNGEN

Mulosclzigesdziclite (Baluba; Bena Mande)

Ein Mann und eine Frau hatten eine Tochter. Die Tochter wuchs heran. Ein Mann aus einem andern Lande kam, um sie zu heiraten. Er nahm sie mit in sein Dorf. Sie gebar ihm ein Mädchen und einen Knaben. Eines Tages schlug der Mann die Frau. Da nahm die Frau ihre Kinder, tat Mehl und Fleisch in einen Korb und ging zurück zum Dorfe ihrer Mutter. Die Frau traf aber ihre Mutter nicht. Sie setzte die beiden Kinder in das Haus und wartete in einer Ecke. Die beiden Eltern der Frau waren Muloschi (menschenfressende, vampyrartige Ungeheuer, Plur. Baloschi). Die Frau wußte das nicht. Als sie nun in das Haus ihrer Eltern zurückkehrte, waren diese gerade ausgeflogen, um als Baloschi Menschen zu fressen. Nach einiger Zeit kam aber der Vater als großer Vogel zurück. Er setzte sich in die Dachspitze. Der Vater sah die Tochter nicht. Die Tochter sah



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aber den Vater. Der Vater flog herab auf sein Bett und ließ sich auf dem Bett nieder. Da erkannte die Tochter den Vater. Nach einiger Zeit kam die Mutter. Die Mutter flog in die Dachspitze als Vogel. Die Tochter sah den Vogel. Der Vogel sah aber die Tochter nicht. Der Vogel setzte sich auf sein Bett. Da ward der Vogel Mensch, und die Tochter erkannte die Mutter.

Der Vater fragte die Mutter: "Hast du auf deiner Seite Fleisch gefunden?" Die Mutter sagte: "Nein". Der Vater sagte: "Dann wollen wir zu unserer Tochter fliegen. Sie hat zwei Kinder. Nimm Essen mit und hole eines der Kinder." Die Tochter in der Ecke hörte es. Die Eltern sahen die Tochter nicht. Die Eltern gingen nach einiger Zeit aus dem Hause. Die Tochter floh mit ihren Kindern von dannen in das Dorf ihres Mannes zurück. Die Mutter bereitete inzwischen Passu (Heuschrecken). Wenn jemand die aß, so mußte er sterben, und wenn ein Enkelkind starb, so hatten die Großeltern Fleisch.

Die Mutter kam bei der Tochter an. Die Mutter gab den kleinen Kindern die Passu zum Naschen. Die Mutter der Kinder nahm sie aber heimlich fort und tat sie in den Kropf eines Huhnes. Das Huhn setzte sie der Mutter als Speise vor. Die Mutter aß. Die Mutter sagte: "Meine Tochter, du hast mir ein schlechtes Zaubermittel gemacht." Die Tochter sagte: "Ich habe dir kein Zaubermittel gemacht. Das Huhn hat nur von deinem Passu gegessen." Die Mutter ging in ihr Dorf zurück. In ihrem Dorfe starb sie nach zwei Tagen. Alle Leute trauerten. Die Tochter kam auch. Die Leute sangen den Trauergesang. Die Tochter sagte: "Laßt das Klagen !"Sie erzählte die ganze Geschichte (der Erzähler wiederholt natürlich alles in direkter Rede). Da warfen die Leute die Frau ohne Klagen in die Erde.


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