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Kapitel 

VOLKSDICHTUNGEN AUS OBERGUINEA


I. BAND


FABULEIEN DREIER VÖLKER

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 4 BILDBEILAGEN

36. Aromo raubt Koanas (Feldhuhn) Farm


I. Teil

Es war kein Essen mehr im Lande. Alle Tiere gingen in den Busch und machten Farmen. Jedes Tier machte seine eigene Farm. Alle säten auf ihren Feldern Sorghum.

Nur Aromo (das Kaninchen) machte sich keine Farm. Aromo band sich große Blätter um die Füße. Aromo sagte: "Seht, was ich krank bin! Seht, was ich krank bin! Nun bin ich krank und kann nicht mitarbeiten." Aromo blieb daheim. Alle andern Tiere arbeiteten in den Farmen.

Koana (das Feldhuhn) hatte sich eine große Farm angelegt. Koana hatte Sorghum gebaut. Koana ging alle Tage hin und sah nach dem Sorghum. Als es Zeit war, daß das Korn reif würde, ging auch Aromo heraus. Aromo band sich die Blätter von den Füßen und sagte: "Nun bin ich wieder gesund!" Als Aromo gesund war, ging er auf allen Farmen umher und besah sich die Farmen. Er ging von einer Farm zur andern und sagte: "Die Tiere waren sehr fleißig!" Er ging von einer Farm zur andern und sagte: "Das Sorghum beginnt reif zu werden." Er ging von einer Farm zur andern und sagte: "Koanas Farm ist sehr gut. Koana war sehr fleißig. Ich will meine Farm bei Koanas Farm haben!" Aromo ging heim.

Aromo ging jeden Tag zu Koanas Farm. Aromo ging jeden Tag quer durch Koanas Farm. Dann ging Aromo heim. Aromo sagte zu seiner Frau: "Ich habe nun meine Farm. Sie liegt neben Koanas Farm. Es steht gutes Sorghum drauf. Das Korn ist bald reif." Aromos Frau sagte: "Dann werden wir gut zu essen haben!"

Aromo ging jeden Tag zu Koanas Farm. Aromo ging jeden Tag quer durch Koanas Farm. Aromo sagte: "Das Korn auf dieser Seite des Weges ist besser. Daher ist diese Seite meine Farm."Dann ging Aromo nach Hause. Auf dem Wege nach Hause begegnete Aromo



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Koana. Koana fragte Aromo: "Wo kommst du denn her ?"Aromo sagte: "Ich komme von meiner Farm." Koana sagte: "Hast du denn auch eine Farm?" Aromo sagte: "Siehst du denn nicht den Weg hier? Siehst du denn nicht an den Spuren, daß ich den Weg getreten habe? Wo soll ich aber hier sonst soviel hingehen, als zu meiner Farm?" Koana sagte: "Ich sehe den Weg und deine Spuren. Ich wußte nicht, daß du eine Farm hast." Koana flog weg. Aromo ging nach Hause.

Aromo ging jeden Tag in die Farm. Eines Tages sagte er: "Nun ist meine Sorghum reif. Nun kann ich es schneiden."Aromo ging nach Hause und holte Hacke und Messer. Aromo kam zurück. Er schlug das Korn und schnitt es. Er trug das Korn nach Hause. Er sagte zu seiner Frau: "Hier ist unser erstes Korn." Die Frau Aromos besah es und sagte: "Das ist recht gutes Korn." Aromo sagte: "Es hat mir aber auch viel Arbeit gemacht, einen guten Weg hin zu der Stelle zu machen, wo so gutes Korn wächst." Die Frau sagte: "Ja, das Korn ist aber auch sehr gut."

Am andern Tage machte sich Aromo wieder mit Hacke und Messer auf den Weg in seine Farm. Er kam in seine Farm und sagte (bei sich): "Ich darf nun auf dieser Seite des Weges mein Korn schneiden. Nur diese Seite gehört mir. Die Farm auf der andern Seite des Weges gehört Koana." Aromo machte sich an die Arbeit. Er schlug das Korn um. Er schnitt das Korn. Er füllte seinen Korb. Er nahm den gefüllten Korb, um ihn nach Hause zu tragen. Als er gerade gehen wollte, kam Koana angeflogen.

Koana sah den gefüllten Korb auf Aromos Kopf. Koana sah, daß Aromo das Korn auf seiner Farm geschnitten hatte. Koana fragte Aromo: "Was machst du auf meiner Farm?" Wie kannst du das Korn von meiner Farm stehlen?" Aromo sagte: "Koana, erinnere dich! Das ist hier doch meine Farm. Deine Farm liegt doch auf der andern Seite des Weges!" Koana sagte: "Du lügst! Das alles ist meine Farm!" Aromo sagte: "Wo hast du denn den Weg in diese Farm?" Koana sagte: "Ich gehe nicht auf einem Weg. Ich fliege." Aromo sagte: "Nun gut! Ich habe dir aber selbst vor einiger Zeit den Weg in meine Farm und meine Fußspuren auf dem Wege gezeigt. Den Weg habe ich ganz allein getreten. Also zeigt das, daß das meine Farm ist." Koana flog weg. Aromo ging mit dem gefüllten Korb nach Hause. Als Aromo nach Hause kam, sagte er zu seiner Frau: "Dieses Koana ist sehr unverschämt. Heute wollte es mir meine Farm und mein Korn wegnehmen. Es ist nur



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gut, daß ich meinen eigenen Weg zu meiner eigenen Farm habe." Die Frau sagte: "Ja, das ist sehr gut, denn das Korn ist ganz ausgezeichnet."

Koana flog zum Sohn des Toro. Koana sagte zum Sohn des Toro: "Aromo will mir meine Farm wegnehmen." Der Sohn des Toro sagte: "Ich werde selbst auf die Farm herauskommen und die Sache besehen." Der Sohn des Toro sandte zu Aromo und ließ ihm sagen: "Morgen sei auf der Farm, auf der du Korn schneidest. Koana sagte, du habest sie ihm genommen. Ich werde das sehen." Aromo ging zum Sohn des Toro und sagte: "Ich will nur fragen, wann ich auf der Farm sein soll?" Der Sohn des Toro sagte: "Sei dann hier, wenn die Sonne da steht."Aromo sagte: "Es ist gut. Dann werde ich draußen sein. Ich werde dann mit dem Schneiden des Korns fertig sein und kann dir dann die Hälfte geben." Aromo ging nach Hause.

Am andern Tage ging Aromo früh hinaus auf die Farm. Er schlug und schnitt alles Korn. Er machte zwei Haufen Korn. Den einen machte er mit allem guten Korn, den andern mit allen schlechten. Auf den Haufen mit dem schlechten Korn legte er aber oben auf nur gutes, auf den mit dem guten nur schlechtes. Als er fertig war, kam der Sohn des Toro mit Koana. Der Sohn des Toro fragte: "Nun sagt mir euern Streit!" Koana sagte: "Aromo hat mir eine Seite der Farm genommen." Der Sohn des Toro fragte Aromo: "Was sagst du hierzu?" Aromo sagte: "Frage doch nun Koana, wer den Weg getreten hat, auf dem du vom Ort hier heraufgekommen bist und der zwischen Koanas und meiner Farm ist." Der Sohn des Toro sagte zu Koana: "Wer hat diesen Weg getreten?" Koana sagte: "Den hat Aromo getreten." Aromo sagte zum Toro: "Frage doch nun noch Koana, wo ist der Weg, den er benutzt hat, als er die Farm bestellte, die nicht mir gehören soll!" Der Sohn des Toro fragte Koana: "Wo ist dein Weg zu dieser Farm?" Koana sagte: "Ich habe keinen Weg." Der Sohn des Toro sagte: "Dann mach, daß du wegkommst! Beschimpfe nicht andere Leute!" Koana flog von dannen.

Aromo sagte zum Sohn des Toro: "Darf ich dir diesen Haufen Korn schenken ?" Er führte den Sohn des Toro zu dem Haufen, der schlecht war, auf dem aber oben die guten Ähren lagen. Der Sohn des Toro nahm das Korn. Aromo nahm sein Korn, das gut war, auf dem aber oben die schlechten Ähren lagen. Beide machten sich mit dem Korn auf den Rückweg. Auf dem Rückweg ging der Sohn des Toro voran, Aromo ging hinter ihm. Nach einiger Zeit nahm



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Aromo einen dicken Knüppel und schlug so hinter dem Sohn des Toro. Der Sohn des Toro fiel hin. Aromo erschrak aber selbst und lief so schnell er konnte fort. Er ließ sein Korn da. Der Sohn des Toro war aber nicht tot. Nach einiger Zeit stand er auf und ging mit seinem und mit Aromos Korn nach Hause.


II. Teil

Koana kam nach Hause. Koana sagte: "Aromo hat mich betrogen. Wenn ich Aromo wieder sehe, werde ich ihn töten! Wir wollen sehen, ob Aromo es noch einmal wagt, in mein Haus zu kommen!" Die Leute hörten das. Die Leute sagten zu Aromo: "Koana sagt, er wolle dich umbringen, wenn du wieder in sein Haus kämst. Koana sagt, er wolle es abwarten, ob du es wagtest, noch einmal in sein Haus zu kommen." Aromo sagte: "Sagt Koana, ich käme in den nächsten Tagen in sein Haus, dann werde ich ja sehen, ob er so klug ist, daß er mich töten kann." Die Leute gingen zu Koana und sagten: "Aromo wird in den nächsten Tagen in dein Haus kommen. Aromo will dann sehen, ob du so klug bist, daß du ihn töten kannst." Koana sagte: "Ich werde ihn töten, wenn er in mein Haus kommt!"

Aromo sagte zu seiner Frau: "Bringe mir einen Topf!" Aromo stieg in den Topf und sagte zu seiner Frau: "Nun schütte Erdnüsse über mich, daß der Topf voll ist. Wenn der Topf mit Erdnüssen aufgefüllt ist, nimm ihn auf den Kopf und trage ihn hinüber zu Koana. Sage Koana, er solle mir diese Erdnüsse aufheben. Es sei die Saat für das nächste Jahr!" Aromos Frau sagte: "So werde ich es machen."

Die Frau Aromos nahm den Topf und trug ihn hinüber in Koanas Haus. Sie sagte: "Diese Erdnüsse sendet Aromo, mein Mann. Er bittet dich, sie aufzuheben, es sei die Saat für das nächste Jahr." Koana sagte: "Setze den Topf dort hin!" Die Frau Aromos setzte den Topf hin und ging. Koana ging vor dem Topf auf und ab und sagte: "Wie mache ich es nur, daß ich Aromo töte! Wie mache ich es nur, daß ich Aromo töte! Wenn ich Aromo im Hause hätte, würde ich ihn töten! Wie mache ich es, daß ich Aromo töte!"

Am andern Tage kam die Frau Aromos und sagte: "Ich soll heute den Topf wieder abholen. Wir haben nun einen guten Platz, wo wir die Erdnüsse hinstellen können." Koana sagte: "Nimm eure Erdnüsse!" Frau Aromo nahm den Topf, in dem Aromo und die Erdnüsse waren, und trug ihn wieder nach Hause.



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Als Aromos Frau zu Hause war, setzte sie den Topf nieder. Sie nahm die Erdnüsse weg. Aromo kam wieder heraus. Aromo rief andere Leute herbei und sagte: "Sagt Koana, daß ich einen Tag und eine Nacht bei ihm im Hause war, ohne daß er mich getötet hat." Die Leute sagten: "Wie hast du das gemacht?" Aromo sagte: "Das will ich euch sagen. Ihr dürft es ihm aber nicht wiedersagen. Ich war in einem Topf mit Erdnüssen, den meine Frau an einem Tag zu ihm brachte und am andern wieder abholte. Ihr dürft das aber Koana nicht wiedersagen!" Die Leute sagten: "Wir wollen es ihm nicht wiedersagen!" Aromo sagte: "Sagt ihm aber, ob er es auch wagt, in mein Haus zu kommen, nachdem er mich beschimpft hat." Die Leute sagten: "Das wollen wir Koana sagen." Die Leute gingen.

Die Leute sagten zu Koana: "Aromo läßt dir sagen, daß er einen Tag und eine Nacht bei dir gewesen ist, ohne daß du ihn getötet hast!" Koana sagte: "Das ist gelogen! Das ist gelogen!" Die Leute sagten: "Nein, es ist wahr!" Koana sagte: "Es ist gelogen. Wie wollt ihr das wissen?" Die Leute sagten: "Hat Frau Aromo einen Topf mit Erdnüssen zu dir gebracht und am andern Tage wieder abgeholt?" Koana sagte: "Ja, das ist geschehen." Die Leute sagten: "Dann ist Aromo einen Tag und eine Nacht bei dir gewesen." Koana sagte: "Ich werde Aromo aber doch noch töten." Die Leute sagten: "Aromo sagt, er wolle nun sehen, ob du nun, nachdem du ihn beleidigt hast, es auch noch wagen wirst, in sein Haus zu kommen!" Koana sagte: "Sagt nur Aromo, daß ich morgen in seinem Haus sein werde."Die Leute sagten: "Wir werden es sagen." Die Leute gingen zu Aromo und sagten: "Koana läßt dir sagen, er würde morgen in deinem Haus sein." Aromo sagte: "Ich warte auf ihn." Die Leute gingen.

Als die Leute von Koana weggegangen waren, sagte Koana zu seiner Frau: "Ich bin so klug, daß ich sehe, wie Aromo mich betrogen hat. Aromo war in dem Topf mit den Erdnüssen. Was Aromo kann, kann ich auch. Bringe mir also einen Topf!" Die Frau Koanas brachte ihrem Mann einen Topf. Der Mann setzte sich hinein. Koana sagte zu seiner Frau: "Nun schütte Sorghum über mich und dann bringe den Topf zu Aromo und sage ihm, er solle ihn aufheben, ich würde morgen selbst zu Aromo kommen." Die Frau schüttete viel Sorghum über ihren Mann, so daß der Topf bis oben voll war. Dann nahm sie ihn und brachte ihn hinüber zu Aromo.



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Die Frau Koanas kam zu Aromo, setzte den Topf dort nieder und sagte: "Diesen Topf mit Sorghum schickt mein Mann. Er sagt, er würde morgen selbst herkommen." Aromo sagte: "Es ist gut." Die Frau Koanas ging. Als Koanas Frau gegangen war, sagte Aroma zu seiner Frau: "Meine Frau, ich habe Hunger. Nimm den Topf mit Sorghum, den uns Koana geschickt hat, setze ihn so, wie er ist, auf das Feuer und bereite mir ein Gericht!" Die Frau Aromas sagte: "Das werde ich tun." Die Frau setzte den Topf Koanas auf das Feuer. Sie kochte den Sorghum. Sie brachte das Gericht ihrem Manne.

Aromo sagte: "Nun werden wir sehen, ob das Korn von der Farm Koanas anders schmeckt als das unserer eigenen." Aroma begann zu essen. Aroma sagte: "Das Korn Koanas ist fetter als das unsere." Aroma aß weiter. Er fand unten den toten Koana. Aroma sagte: "Es ist häßlich, daß Koanas Hühner sich mit Federn in das Essen legen. Rupfe die Federn und wirf sie draußen auf den Weg!" Die Frau Aromos nahm den toten Koana, rupfte ihn und warf die Federn draußen in den Weg. Danach aßen Aromo und seine Frau Koana auf.

Am andern Tag kam die Frau Koanas zu Aromo. Als sie nahe bei Aromos Haus war, sah sie die Federn im Wege. Die Frau sagte: "Sind das nicht meines Mannes Federn? Aber nein! Mein Mann ist ja im Topfe bei Aromo." Die Frau Koanas kam zu Aroma und sagte: "Mein Mann schickt mich, ich solle den Topf mit dem Sorghum wieder abholen." Aromo sagte: "Frau Koana, du lügst schlecht. Denn ich habe deinen Mann gestern abend aufgegessen!"

Die Frau Koanas lief weg. Sie lief zu allen ihren Brüdern und Schwestern und schrie: "Aroma hat meinen Mann getötet!" Alle Koana bekamen Furcht und liefen schnell weg, um sich im Busch zu verstecken. Und seitdem leben alle Feldhühner im Busch.


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