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Kapitel 

VOLKSDICHTUNGEN AUS OBERGUINEA


I. BAND


FABULEIEN DREIER VÖLKER

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 4 BILDBEILAGEN

15. Das Muttersöhnchen

Ein Mann heiratete. Die Frau ward schwanger. Die Frau gebar ein Kind; das war ein Knabe. Die Frau nahm das Kind mit in die Farm hinaus. Das Kind wuchs in der Farm auf. Es arbeitete immer mit der Mutter. Das Kind wurde ein starker Bursche. Die Mutter machte dem Burschen immer Essen und der Bursche arbeitete immer auf der Farm. Der Bursche wurde ein großer und starker Gesell, und die Mutter gab dem Gesellen immer Essen und er arbeitete immer auf der Farm der Mutter.

Es kamen Leute in die Farm. Die Leute sahen den Burschen. Die Leute sagten: "Was ist das für ein großer und strammer Bursch!" Die Leute fragten den Burschen: "Willst du dir denn nicht eine Frau nehmen?" Der Bursche sagte: "Nein, ich will nur mein Essen haben, und das habe ich bei meiner Mutter gut und genug."

Eines Tages kam der Vater in die Farm, in der der Bursche mit seiner Mutter lebte. Der Vater sagte zu dem Burschen: "Willst du denn nicht eine Frau nehmen, damit du einen Jungen zeugen



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kannst? Komm, wir wollen zusammen in den Ort gehen!" Der Vater nahm der' Burschen mit in seinen Ort. Der Vater schor seinem Sohne das Haupt. Nachdem er damit fertig war, gab er ihm schöne Perlen. Er hängte ihm Perlenketten um den Hals. Er hängte ihm Perlenketten um die Zehen und Knöchel. Er zog ihm schöne Ringe über die Arme. Er rieb ihm den Leib mit roter Farbe ein. Er schenkte ihm einen neuen Lendenschurz. Dann sagte der Vater: "Nun geh hin und suche dir eine Frau, mit der du ein Kind zeugen kannst."

Der Bursche ging. Der Bursche ging umher und sah sich die Mädchen an. Der Bursche fand eine, die ihm gefiel. Er nahm das Mädchen und brachte es zu seinem Vater ins Haus. Er sagte zu seinem Vater: "Dieses Mädchen möchte ich heiraten!" Der Vater sagte: "Das ist gut." Der Vater brachte den Sohn mit dem Mädchen in eine Hütte. Der Vater sagte: "Das ist deine Hütte. Geh da mit dem Mädchen hinein und beschlafe es, damit es schwanger wird." Der Bursche ging mit dem Mädchen herein. Als er das Mädchen aber auf das Bett gelegt hatte, kam er heraus und lief in die Farm seiner Mutter. Er sagte zu seiner Mutter: "Meine Mutter, ich bin hungrig, mache mir gutes Essen." Die Mutter machte dem Burschen Essen. Da blieb er bei ihr.

Das verheiratete Mädchen lief aus seiner Hütte. Das Mädchen lief zum Vater des Burschen und sagte: "Dein Sohn hat mich nicht beschlafen. Er hat mich in die Hütte gebracht und dann ist er weggelaufen!" Der Vater machte sich auf. Er ging zu seiner Frau auf die Farm. Er fragte seine Frau: "Ist mein Sohn hier?" Die Mutter sagte: "Ja, dein Sohn ist hier. Er kam gestern nacht und sagte: ,Meine Mutter! Ich bin hungrig! Mache mir ein gutes Essen!' Dann habe ich ihm ein gutes Essen gemacht. Er hat es gegessen und ist hiergeblieben."

Der Vater sagte: "Mein Sohn hat gestern geheiratet. Er hat aber die Nacht nicht seine Frau beschlafen. Er ist zu dir gelaufen und hat Essen verlangt. Das ist eine Sache, die geändert werden muß. Ich denke also, du gibst ihm, wenn er wieder Essen verlangt, nur noch schlechtes oder kein Essen. Dann wird er zu seiner Frau zurücklaufen." Die Mutter sagte: "Das will ich tun." Der Vater ging in die Stadt.

Nach einiger Zeit kam der Bursche zu seiner Mutter und sagte: "Meine Mutter! Ich bin hungrig! Mach mir ein gutes Essen!" Die Mutter sagte: "Hast du gestern nicht eine Frau geheiratet?" Der



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Bursche sagte: "Ja, ich habe gestern eine Frau geheiratet." Die Mutter sagte: "Wenn du eine Frau geheiratet hast, dann geh zu deiner Frau und laß dir von ihr Essen machen." Der Bursche ging. Der Bursche ging zu seinem Vater und sagte: "Meine Mutter will mir kein Essen mehr geben!" Der Vater sagte: "Hast du denn nicht gestern geheiratet? Hast du denn gestern deine Frau beschlafen?" Der Bursche sagte: "Nein, ich habe meine Frau nicht beschlafen." Der Vater sagte: "Dann geh zu deiner Frau und beschlafe sie. Dann sage ihr, sie soll dir ein gutes Essen bereiten. Dann wird deine Frau dich auch satt machen."

Der Bursche ging heim. Er beschlief seine Frau. Danach wusch sich die Frau und machte ein gutes Essen. Der Bursche sah ihr zu. Die junge Frau brachte ihm das Essen. Der Bursche aß es. Als er fertig gegessen hatte, sagte er zu seiner Frau: "Komm in das Haus! Ich will dich noch einmal beschlafen."

Bald darauf war die junge Frau schwanger. Sie gebar einen Sohn.

Der Vater soll seinen Sohn zum Mann und Ehemann erziehen; denn bei der Mutter lernt er nur das Essen.


Copyright: arpa, 2015.

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