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Kapitel 

VOLKSDICHTUNGEN AUS OBERGUINEA


I. BAND


FABULEIEN DREIER VÖLKER

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 4 BILDBEILAGEN

2. Der Urkampf gegen die Tiere

Früher einmal in alter, alter Zeit fingen die Tiere die Menschen, um sie zu essen. Die Menschen konnten den Tieren nichts anhaben. Die Tiere töteten so alle, alle Menschen. Es blieb nur eine Frau übrig, die war schwanger. Die Frau ging in eine Höhle. Sie versteckte sich in der Höhle. In der Höhle gebar sie einen Jungen. Der Junge wuchs heran.

Als der Junge herangewachsen war, fragte er: "Wo sind die andern Menschen?" Die Mutter sagte: "Die Tiere haben sie alle getötet. Nur wir sind noch am Leben." Der Junge sagte: "Zeige mir doch die Stelle, wo die andern Menschen alle getötet sind!" Die Mutter sagte: "Du kannst nichts tun!" Der Bursche sagte: "Zeige mir doch den Platz!" Da führte die Mutter den Jungen heraus aus der Höhle.

Der Bursche trat aus der Höhle. Als die Mutter ihm den Ausgang zeigte, kam draußen gerade Duome (Hyäne) vorbei. Der Bursche fragte die Mutter: "Ist das eines der Tiere, die alle Menschen vordem getötet haben?" Der Bursche lief heraus. Er lief auf Duome zu und sagte: "Komm, geh voraus; zeige mir doch den Platz, an dem alle Leute getötet sind." Duome sagte: "Es ist mir recht. Ich werde voranlaufen. Komm hinter mir her." Duome lief voran. Der Bursche folgte. Sie kamen an den Platz. Duome sagte: "Hier ist der Platz." An dem Platz lag Tschongo (in Haussa musuru jibida. Hat Drüsen am Schwanz; scheint eine Art Zibetkatze zu sein). Tschongo schlief da. Der Bursche weckte Tschongo und sagte: "Du, Tschongo, ist das denn euer Haus?" Tschongo sagte: "Ja, das ist unser Haus." Der Bursche fragte: "Gehörte das Haus nicht früher andern Leuten (den Menschen) ?"Tschongo sagte: "Ja, früher wird es wohl den Menschen gehört haben. Aber die Leute sind alle in den Busch gelaufen und Jäger geworden!" Der Bursche sagte: "Wer lebt denn jetzt darin?" Tschongo sagte: "Jetzt lebt (M)berra (der Löwe) mit allen Tieren darin."

Der Bursche sagte zu Tschongo: "Nun gut, Tschongo; nun gib mir einmal Bier." Tschongo sagte: "Wir haben kein Bier hier! Wir haben keinen Jams, kein Korn, kein Öl; wir haben nichts." Der Bursche schlug Tschongo mit einem Stock stark über den Kopf und sagte: "Wo habt ihr denn das, was die Leute, die ihr vordem hier getötet habt, hier zurückgelassen haben?" Der Bursche hieb Tschongo mit dem Stecken stark über den Kopf. Tschongo sagte:



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"Ja doch! Ja doch! Es ist viel Bier da." Dann ging Tschongo und brachte viel Bier und Palmöl (Kurama). Tschongo gab das Öl und sagte: "Damit reibe dir die Haare ein!"

In dem Hause war viel Jams. Das gehört jetzt den Tieren, die aber (um diese Stunde) im Busch verstreut waren. Der Bursche sagte zu Diome und Tschongo: "Hier nehmt den Jams und bringt ihn in mein Haus (Höhle)." Duome und Tschongo nahmen den Jams auf. Sie gingen vor dem Burschen her. Der Bursche ging mit ihnen in die Höhle. Als sie in der Höhle waren, schnitt der Bursche der Hyäne einen Arm ab und nahm Tschongo ein Auge. Duome floh von dannen. Tschongo floh von dannen.

Der Bursche gab den Jams und den Arm und das Auge seiner Mutter und sagte: "Koche mir diesen Arm, dieses Auge und diesen Jams. Wir wollen heute gut essen. Ich muß stark werden." Die Mutter kochte es. Der Bursche aß es.

Duome und Tschongo liefen schnell fort. Sie liefen zu Anjama (Leopard) und sagten: "Es kam heute ein Bursche in unser Haus, aus dem wir früher die Leute vertrieben haben. Er nahm Bier und Jams und Palmöl. Wir mußten ihm den Jams in eine Höhle tragen. Dann nahm er uns einen Arm und ein Auge." Anjama sagte: "Ich muß diesen Burschen sehen. Wahrscheinlich wird er wiederkommen."

Anjama legte sich in dem Hause auf die Lauer. Der Bursche nahm inzwischen eine Eisenkette (ihie; in Haussa: serka; in Nupe: djari; in Joruba: ewua). Mit der Eisenkette ging er in das Haus zurück. Anjama wollte auf ihn springen. Der Bursche warf aber die Eisenkette um ihn. Er band Anjama mit der Eisenkette. Er schnitt Anjama den Hals ab und brachte ihn seiner Mutter. Er sagte zu seiner Mutter: "Ich will jetzt zum drittenmal in das Haus gehen und werde die Tiere verjagen, daß sie nie wiederkommen sollen." Dann machte der Bursche sich auf den Weg.

(M)berra (der Löwe) und alle Tiere waren inzwischen nach Hause gekommen. Duome und Tschongo sagten zu ihnen: "Ein Bursche ist gekommen, der hat allen Jams, alles Bier, alles Palmöl genommen. Er hat uns einen Arm abgeschnitten und ein Auge genommen. Dann hat er Anjama mit einer Kette gefesselt und ihm den Schwanz abgeschnitten." Als (M)berra und die andern Tiere das hörten, liefen sie so schnell wie möglich weg. (M)berra lief so schnell weg, daß er seinen Jba (Sack) vergaß.

Der Bursche kam wieder in das Haus. Er fand, daß alle Tiere



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weggelaufen waren. Es lag aber der Jba (M)berras noch im Haus. Der Bursche kroch in den Sack (M)berras. Als (M)berra in dem andern Hause angekommen war (in dem schon seit alter Zeit die Tiere wohnten), sagte (M)berra: "Ich habe in der Eile vergessen, meinen Jba mitzunehmen. (M)berra sagte zu Kwatumma (der Katze; in Haussa: kjemwua; in Nupe: dangi; in Joruba: olobo): "Geh doch zurück und hole mir meinen Jba aus dem Hause, aus dem wir früher die Leute vertrieben hatten." Kwatumma machte sich auf den Weg. Kwatumma kam in das Haus. Er sah den Jba. Er wollte den Jba aufheben. Da sagte der Bursche aus dem Jba: "Was willst du hier?" Als Kwatumma das hörte, begann er zu zittern. Der Bursche sagte aber aus dem Jba: "Trage mich in das Haus, in dem alle Tiere versammelt sind und lege mich dahin." Kwatumma nahm den Sack auf. Kwatumma trug ihn aus dem Haus, aus dem früher die Leute vertrieben waren, durch den Busch in das Haus der Tiere. Kwatumma legte den Jba im Haus der Tiere auf die Erde. Dann rannte Kwatumma schnell von dannen.

Als der Bursche merkte, daß Kwatumma den Jba auf die Erde gelegt hatte, kam er heraus. Er sah die Tiere. Er sprang auf (M)berra zu und schlug ihm den Kopf ab. Alle Tiere liefen voller Furcht aus dem Hause und in den Busch. Seitdem leben die Tiere nicht mehr im Hause, sondern im Busch.


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