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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM KADI ABU JÛSUF UND DER HERRIN ZUBAIDA

Eines Tages, um die Mittagszeit, begab der Beherrscher der Gläubigen, Harûn er-Raschid, sich zu seinem Ruhelager. Doch als er die Stätte, auf der er zu schlummern pflegte, bestiegen hatte, fand er dort plötzlich frisches Gerinnsel. Darüber erschrak er, ein furchtbarer Verdacht erfüllte sein Herz, und gewaltige Sorge kam über ihn. Alsbald ließ er die Herrin Zubaida rufen, und als sie vor ihm stand, fragte er sie: ,Was ist das, was dort auf dem Lager verschüttet ist?' Sie blickte hin und sprach: ,Das ist Mannesgerinnsel, o Beherrscher der Gläubigen!' Da rief er: ,Sage mir der Wahrheit gemäß, was das bedeutet; sonst lege ich sofort Hand an dich!' ,O Beherrscher der Gläubigen,' erwiderte sie, ,bei Allah, ich weiß nicht, was das auf sich hat. Wahrlich, der Verdacht, den du wider mich hegst, trifft mich nicht!' Nun ließ er den Kadi Abu Jûsuf kommen, erzählte ihm den Sachverhalt und zeigte ihm die Flüssigkeit. Da erhob der Kadi Abu Jûsuf seine Augen zur Decke, und als er dort eine Öffnung erblickte, sprach er: ,O Beherrscher der Gläubigen, die Fledermaus hat die gleiche Flüssigkeit wie der Mensch; dies da ist die Flüssigkeit einer Fledermaus.' Darauf bat er um einen Speer, nahm ihn in die Hand und stieß damit in die Öffnung. Und wirklich, die Fledermaus fiel herunter, und Harûn er-Raschîd wurde von seinem Verdachte befreit - —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 360



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Wacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Kadi Abu Jûsuf den Speer in die Hand nahm und damit in die Öffnung stieß. Und wirklich, die Fledermaus fiel herunter, und Harûn er-Raschîd wurde von seinem Verdachte befreit, und Zubaidas Unschuld war erwiesen. Da frohlockte sie laut über ihre Rechtfertigung und versprach dem Abu Jûsuf reichen Lohn. Nun hatte sie köstliche Früchte bei sich, die vor der Zeit gereift waren, und sie wußte, daß noch andere solche im Garten waren. Sie fragte den Kadi: ,O Imam des Glaubens, welche von den beiden Früchten ist dir lieber, die anwesende oder die, so nicht hier ist?' Er gab ihr zur Antwort: ,Nach unserem Gesetze wird über den Abwesenden nicht gerichtet; wenn einer zugegen ist, so wird über ihn das Urteil gefällt.' Darauf ließ sie ihm beide Arten von Früchten bringen, und er aß von der einen wie von der anderen. Als die Herrin fragte: ,Wie unterscheiden sich die beiden?' erwiderte er: ,Jedes Mal, wenn ich die eine von beiden preisen will, erhebt die andere begründeten Einspruch wider mich.' Als er-Raschîd diese Worte von ihm hörte, lächelte er und gab ihm ein Geschenk; und nun gab ihm auch Zubaida das Geschenk, das sie ihm versprochen hatte. Der Richter aber ging erfreut von dannen. —

Schau, o König, wie trefflich dieser Imam war und wie durch ihn die Unschuld der Herrin Zubaida erwiesen und der grundlose Verdacht aufgeklärt ward! —

Ferner wird erzählt


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