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Kapitel 

VOLKSDICHTUNGEN AUS OBERGUINEA


I. BAND


FABULEIEN DREIER VÖLKER

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 4 BILDBEILAGEN

38. Tischlein deck dich usw.

Es war einmal eine große Hungersnot. Spinne und seine Familie hatten auch nichts zu essen. Spinne machte sich auf den Weg und wanderte weit fort. Spinne kam zu Varanus (Gelako; Plural: Gelani). Varanus saß auf Steinen. Spinne wollte an Varanus vorbeigehen. Varanus sagte: "Wo gehst du so eilig hin? Was hast du vor, Spinne?" Spinne sagte: "Wir haben nichts zu essen. Ich laufe nun umher und suche, wo ich Essen auftreiben kann. Bei uns ist eine große Hungersnot." Varanus sagte: "Da kann ich dir helfen. Hier hast du ein Talare (d. i. ein zu leicht konkaver Scheibe geschliffenes Kalebassenstück, mit dem die Frauen den Brei aus dem Topfe kratzen, in dem er gekocht ist). Nimm das Talare und sage zu ihm: Bulori!" Spinne nahm das Talare und sagte: "Buion !" Sogleich kam aus dem Talare viel Essen heraus, soviel, daß Spinne es gar nicht aufzuessen vermochte. Spinne aß schnell davon. Dann nahm Spinne sein Talare und lief damit heim, in sein Dorf zurück.

Spinne ging schnell zum Uro und sagte: "Versammle sogleich alle Leute! Ich habe so viel Essen bei mir, daß alle Leute essen, sich satt essen und doch nicht alles verzehren können." Der Häuptling sandte die Nachricht überailhin. Von allen Seiten kamen die Gesunden und Kranken, die Leprakranken, die mit Elephantiasis Behafteten, die Blinden und Lahmen. Alle kamen. Als alle beisammen waren, zog Spinne das Talare heraus und sagte: "Bulori!" Sogleich kam Essen heraus, viel Essen. Überall war Essen. Alle Leute stürzten sich darauf. Alle aßen sich satt. Alle nahmen davon mit nach Hause; aber das Talare gab so viel Speise, daß die Leute nicht alles zu verzehren vermochten.



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Nach einiger Zeit war wieder eine Hungersnot. Spinne und seine Familie und alle Leute hatten nichts zu essen. Spinne machte sich auf den Weg und lief zu Varanus. Spinne sagte zu Varanus: "Wir haben nichts zu essen. Ich laufe nun umher und suche, wo ich Essen auftreiben kann. Bei uns ist eine große Hungersnot!"Varanus sagte: "Da kann ich dir helfen! Hier hast du eine Sseden (d. i. eine Mörserkeule). Nimm die Sseden und sage zu ihr: Uate!" Spinne nahm die Sseden und sagte zu ihr: "Uate!"

Sogleich kam aus der Sseden viel Essen heraus, so viel, daß Spinne es gar nicht aufzuessen vermochte. Spinne aß schnell davon. Dann nahm Spinne seine Sseden und lief damit heim, in sein Dorf zurück.

Spinne ging schnell zum Uro und sagte: "Versammle sogleich alle Leute! Ich habe wieder so viel Essen bei mir, daß alle Leute essen, sich satt essen und doch nicht alles verzehren können." — Der Häuptling sandte die Nachricht überall hin. Von allen Seiten kamen die Gesunden und Kranken, die Leprakranken, die mit Ele.. phantiasis Behafteten, die Blinden und Lahmen. Alle kamen. Als alle beisammen waren, zog Spinne die Sseden heraus und sagte: "Uate!"Sogleich kam Essen heraus, viel Essen. Überall war Essen. Alle Leute stürzten sich darauf. Alle aßen sich satt. Alle nahmen davon mit nach Hause, aber die Sseden gab so viel Speise, daß die Leute nicht alles zu verzehren vermochten.

Nach einiger Zeit war das Essen zu Ende. Es war wieder Hungersnot, denn niemand hatte seinen Acker bebaut. Spinne und seine Familie und alle Leute hatten nichts zu essen, weil sie faul geworden waren. Spinne machte sich auf den Weg und lief zu Varanus. Spinne sagte zu Varanus: "Ich laufe nun wieder umher und suche vergebens, wo ich Essen auftreiben kann. Bei uns ist eine große Hungersnot!" Varanus sagte: "Ich habe euch schon zweimal geholfen. Habt ihr eure Äcker bestellt?" Spinne sagte: "Wir haben nichts zu essen; hilf uns doch noch einmal!"

Varanus sagte: "Ich habe euch zweimal gegeben. Nun sollst du auch das Dritte haben. Hier ist eine Touqasere (eine Peitsche). Kennst du die?"Spinne sagte: "Nein, die haben wir noch nicht gehabt. Talare und Sseden haben wir auch, aber Toquasere haben wir nicht." Varanus sagte: "Nun, dann nimm nur Toquasere mit dir und laufe schnell nach Hause; zu Hause sage dann nur: Bitje basse! Lauf zu!" Spinne nahm die Toquasere. Als Spinne ein Stück weit gelaufen war, sagte er (zu sich): "Ich muß schnell einmal ein wenig



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essen." Er zog die Toquasere heraus und sagte: "Bitje basse!" Sogleich flog die Toquasere empor und begann auf Spinne loszuschlagen. Spinne lief so schnell er konnte von dannen. Toquasere blieb bei ihm und schlug immer weiter. Endlich griff Spinne die Toquasere mit der Hand. Spinne steckte die Toquasere ein und ging schnell in sein Dorf zurück.

Spinne ging eilig zum Uro und sagte: "Versammle sogleich alle Leute! Ich habe euch schon zweimal viel Essen mitgebracht. Diesmal werdet ihr auch genug haben, wenn auch keiner seinen Acker bestellt hat. Sende also überall hin und rufe die Leute. Ich selber habe zu Hause zu tun. Darum gebe ich dir die Sache. Es ist eine Sache, die man Toquasere nennt. Um das Nötige von ihr zu erhalten, muß man zu ihr sagen: Bitje basse!" Der Häuptling sagte: "Es ist gut." Er nahm die Toquasere. Spinne ging heim und schloß sich mit seiner Familie ein.

Der Häuptling sandte die Nachricht sogleich überalihin. Von allen Seiten kamen die Gesunden und Kranken, die Leprakranken, die mit Elephantiasis Behafteten, die Blinden und Lahmen. Alle kamen. Als alle beisammen waren, zog der Uro die Toquasere heraus und sagte: "Dies ist eine Toquasere, die hat uns Spinne mitgebracht. Spinne hat uns schon zweimal viel Essen mitgebracht. Diesmal werden wir auch genug haben, wenn auch keiner von uns seinen Acker bestellt hat. Ich werde es euch zeigen!" Der Häuptling sagte dann: "Bitje basse!" Sogleich flog Toquasere empor und begann auf den Uro und alle Leute loszuschlagen. Die Leute sprangen auseinander und wollten so schnell als möglich von dannen laufen. Aber die Peitsche war überall. Sie verprügelte alle, die Gesunden und die Kranken.


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