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Kapitel 

VOLKSDICHTUNGEN AUS OBERGUINEA


I. BAND


FABULEIEN DREIER VÖLKER

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 4 BILDBEILAGEN

10. Löwenopfer

Ein Vater hatte elf Söhne. Eines Tages ward er sehr krank. Er rief alle seine Söhne zu sich und fragte sie: "Was wollt ihr mir opfern, wenn ich gestorben sein werde ?" Der eine Sohn antwortete: "Ich werde ein Huhn für dich töten." Ein zweiter Sohn sagte: "Ich werde eine Ziege für dich töten." Ein dritter Sohn sagte: "Ich werde einen Ochsen für dich töten. Ein anderer Sohn sagte: "Ich werde ein paar Schafe für dich töten." Ein anderer Sohn sagte: "Ich werde eine Hyäne für dich töten." Der letzte der Söhne sagte: "Ich werde einen Löwen für dich töten."

Der Vater starb. Jeder der Söhne brachte sein Opfer dar, wie er es versprochen hatte. Der jüngste aber, der den Löwen versprochen hatte, ging hinaus in die Steppe. Er ging zu den Viehhütern und fragte: "Wißt ihr nicht, wo hier in der Gegend Löwen sind?" Die Viehhüter sagten: "Gewiß sind hier Löwen in der Gegend. Dort im Buschwerk ist eine sehr große, starke Löwin." Der Bursche ging dahin. Er kroch in den Busch. Er fand das Lager. Die alte Löwin war fortgegangen. Die Löwin hatte aber Junge und die Jungen waren im Busch. Der Bursche nahm die Jungen, trug sie heim und schlachtete sie auf seines Vaters Grab. Die Felle aber legte er ausgespannt in die Sonne.

Als die Löwin nach Hause kam, waren ihre Jungen verschwunden. Sie verwandelte sich sogleich in ein junges hübsches Mädchen und ging in das Dorf. Im Dorfe sagte sie: "Wer will mit mir schlafen?" Sie war ein hübsches Mädchen. Die jungen Leute riefen alle: "Schlaf bei mir! Schlaf bei mir!" Das junge hübsche Mädchen



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aber sagte: "Ich schlafe nur mit dem, der meinen Wanderstock mit einem Stein von drüben aus trifft. Ich stecke meinen Wanderstock hier in die Erde." Das junge hübsche Mädchen steckte ihren Wanderstock in die Erde und trat zur Seite. Die Burschen des Dorfes begannen mit Steinen nach dem Wanderstock zu werfen. Sie trafen alle nicht, bis auf den jüngsten Sohn des verstorbenen Häuptlings. Der traf. Das hübsche junge Mädchen sagte zu dem jungen Manne: "Bei dir will ich schlafen." Der junge Mann sagte: "So komm mit mir!" Das Mädchen ging mit dem jungen Mann in sein Haus. Sie schliefen beieinander. Nachts erzählte der junge Mann, wie er die jungen Löwen gefangen und getötet hatte. (Ausführlich in direkter Rede.) Sie schliefen die Nacht beieinander. Der junge Mann beschlief das Mädchen.

Am andern Morgen sagte das junge Mädchen: "Ich will nun heimgehen. Begleite mich durch den Busch." Der junge Mann sagte: "Es ist gut; ich werde dich begleiten. Ich will mir aber erst ein anderes Kleid umnehmen." Der junge Mann sagte (bei sich): "Ich habe dem fremden Mädchen erzählt, daß ich die jungen Löwen fing." Er steckte eine Nähnadel zu sich; das war ein starkes Zaubermittel. Er nahm ein anderes Kleid um und ging heraus.

Der junge Mann sagte zu dem Mädchen: "Wir können gehen!" Sie gingen durch das Dorf. Sie kamen durch die Farmen. Sie kamen in den Busch. Im Busch verwandelte sich das junge Mädchen in die Löwin. Die Löwin wollte über den jungen Mann herfallen und ihn töten. Der junge Mann hatte aber die Nähnadel bei sich. Da konnte die Löwin ihm nichts tun. Sie floh vor der Nähnadel in den Busch.

So jagte das Zaubermittel die Löwin in den Busch, und so kam es, daß die Löwen heute nicht mehr die Menschen, sondern nur noch Schafe und Ziegen anfallen.


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