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Kapitel 

VOLKSDICHTUNGEN AUS OBERGUINEA


I. BAND


FABULEIEN DREIER VÖLKER

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 4 BILDBEILAGEN

12. Tauschen

Ein Mann heiratete eine Frau. Die Frau ward schwanger. Die Frau gebar dann ein Kind. Das Kind wuchs ein wenig heran. Das Kind lag erst noch bei der Mutter. Dann lernte das Kind laufen. Das Kind schlief (einmal) im Hause. Die Mutter ging baden. Die Mutter kam wieder heim. Die Mutter kehrte das Haus. Sie fegte den Kehricht zusammen und füllte ihn in eine alte Kalebassenscherbe. Sie gab dem Kinde die Kalebassenscherbe und sagte: "Bring das hinaus und wirf es auf den Kehrichthaufen!" Das Kind nahm den Kehricht, trug ihn heraus und warf ihn fort. Es spielte draußen. Das Kind fing draußen einige Tiere (Insekten). Es brachte die kleinen Tierchen mit herein und sagte zu seiner Mutter: "Mutter, röste mir meine Tierchen am Feuer!" Die Mutter sagte: "Das will ich gerne tun!" Die Mutter legte die kleinen Tierchen ans Feuer. Sie ging dann wieder ihrer Arbeit nach. Über der Arbeit vergaß die Mutter die kleinen Tierchen. Die Tierchen verkohlten am Feuer. Nach einiger Zeit kam das Kind zu seiner Mutter und sagte: "Mutter, nun möchte ich meine kleinen Tierchen essen. Sind sie fertig geröstet?" Die Mutter ging zum Feuer und sah nach. Sie sah, daß die Tierchen verkohlt waren. Sie sagte: "Mein Kind, die Tierchen sind verkohlt." Das Kind sagte: "Dann



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gib mir andere Tierchen." Die Mutter ging hinaus und holte andere Tierchen. Sie gab sie dem Kinde und sagte: "Hier hast du andere Tierchen." Das Kind sagte: "Nein, diese Tierchen will ich nicht. Ich will meine eigenen Tierchen wieder haben." Die Mutter nahm darauf die verkohlten Tierchen, gab sie dem Kinde und sagte: "Nun laß mich aber mit deinen Tierchen in Ruhe." Das Kind nahm die verkohlten Tierchen und lief damit hinaus.

Das Kind lief mit den verkohlten Tierchen zum Schmiede und hockte neben dem Feuer des Schmiedes nieder. Das Kind fragte den Schmied: "Arbeitest du heute nicht?" Der Schmied sagte: "Nein, ich arbeite heute nicht, denn ich habe keine Kohlen." Das Kind zeigte dem Schmied die verkohlten Tierchen und sagte: "Willst du meine Kohlen nehmen?" Der Schmied sagte: "Es ist, gut; gib sie her!" Das Kind gab die Kohlen. Der Schmied warf sie vor den Blasebalg und begann zu arbeiten. Der Schmied arbeitete, bis die Kohlen verbrannt waren. Das Kind sah zu. Als die Kohlen verbrannt waren, stand das Kind auf. Das Kind dehnte sich (gelangweilt und wie ermüdet), es gähnte und sagte: "Ich will jetzt nach Hause gehen." Der Schmied sagte: "Es ist gut; so geh!" Das Kind sagte: "Gib mir wieder, was ich dir geliehen habe." Der Schmied sagte: "Ich habe die Kohlen verbrannt." Das Kind sagte: "Dann bezahle mich!" Der Schmied nahm ein Hackeneisen, gab es dem Kinde und sagte: "So nimm das!" Das Kind nahm das Hackeneisen. Das Kind ging fort.

Das Kind wollte mit seinem Hackeneisen nach Hause gehen. Auf dem Wege nach Hause kam das Kind an einem Acker vorbei, auf dem arbeitete ein Bauer. Der Bauer hatte eine Hacke, deren Blatt stark abgenutzt war, so daß es ganz kurz war. Das Kind sah dem Bauer eine Weile zu; dann sagte das Kind: "Deine Hacke ist ganz abgenutzt. Deine Hacke ist schlecht." Der Bauer sagte: "Ich habe keine andere." Das Kind sagte: "Ich habe ein neues Hackeneisen, nimm es!" Der Bauer nahm das neue Hackeneisen, zog das alte aus dem Stiel und schob das neue hinein. Dann arbeitete der Bauer mit seiner neuen Hacke. Das Kind sah ihm zu. Nach einiger Zeit sagte das Kind: "Ich will jetzt nach Hause gehen." Der Bauer sagte: "Es ist gut." Das Kind sagte: "Gib mir meine Hacke wieder." Der Bauer sagte: "Ich bin mit meiner Arbeit noch nicht fertig." Das Kind sagte: "Es ist mir gleich, gib mir mein Hackeneisen wieder." Der Bauer zog das Hackeneisen aus dem Stiel und reichte es dem Kinde hin. Das Kind sagte: "Das Hackeneisen will ich nicht



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mehr. Ich habe dir ein neues Hackeneisen gegeben, und dies ist jetzt abgenutzt. Dies Hackeneisen ist nicht mehr schön." Der Bauer nahm darauf einen Arm voll Jams, gab es dem Kinde hin und sagte: "Dann nimm dies hier dafür." Das Kind sagte: "Es ist gut." Das Kind nahm seinen Jams und machte sich damit auf den Weg.

Das Kind wollte mit seinem Jams nach Hause gehen. Das Kind kam an einer Schar Kinder vorbei, die hüteten die Kühe. Die Kinder sagten: "Wir haben Hunger; aber wir haben keinen Jams. Was machen wir jetzt?" Das Kind gab den Kindern seinen Jams hin und sagte: "Nehmt meinen Jams hin und röstet ihn euch!" Die Kinder nahmen den Jams und rösteten ihn über dem Feuer. Dann aßen die Kinder den Jams. Das Kind sah zu. Als die Kinder den Jams gegessen hatten, sagte das Kind: "Ich will nach Hause gehen." Die Kinder sagten: "Es ist gut." Das Kind sagte: "Gebt mir den Jams wieder, den ich euch geliehen habe." Die Kinder sagten: "Den haben wir gegessen." Das Kind sagte: "Ich will aber meinen Jams wiederhaben."Die Kinder sagten: "Deinen Jams haben wir geröstet und gegessen. Wir haben hier aber Kühe. Wir wollen dir für den Jams Milch geben." Die Kinder molken die Kühe und gaben dem Kinde Milch. Das Kind sagte: "Es ist gut." Das Kind nahm seine Milch und machte sich damit auf den Weg.

Das Kind wollte mit seiner Milch nach Hause gehen. Das Kind kam an einer Frau vorbei, die hatte soeben ein Kind geboren. Die Frau weinte. Das Kind blieb stehen und fragte: "Was ist dir?" Die Frau sagte: "Ich habe soeben ein kleines Kind geboren, aber nun habe ich keine Milch in der Brust und kann dem Kinde nicht zu trinken geben. Und Milch von den Kühen habe ich auch nicht." Das Kind sagte: "Ich habe hier Milch bei mir. Die kannst du deinem Kindchen geben, damit es etwas hat." Die Mutter nahm die Milch. Die Mutter gab die Milch ihrem Kindchen. Als das Kindchen alle Milch getrunken hatte, sagte das Kind: "Ich will nach Hause gehen!" Die Frau sagte: "Es ist gut." Das Kind sagte: "Gib mir die Milch wieder, die ich dir geliehen habe."Die Frau sagte: "Die kann ich dir nicht wiedergeben, denn die hat mein Kindchen getrunken." Das Kind sagte: "Ich will aber die Milch wiederhaben." Die Frau sagte: "Ich will dir für die Milch Schibutter geben."Die Frau nahm ein Paket Schibutter und gab es dem Kinde. Das Kind sagte: "Es ist gut."Das Kind nahm seine Schibutter und machte sich damit auf den Weg.



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Das Kind wollte mit seiner Schibutter nach Hause gehen. Das Kind kam an einem Tenantan-kurre (Stein, auf dem Medikamente verrieben werden) vorbei. Das Kind sah den Tenantan-kurre. Er war trocken. Das Kind nahm seine Schibutter und sagte: "Du bist trocken. Ich will dich ein wenig einfetten, damit du etwas zu tun hast." Das Kind rieb seine Schibutter auf den Stein. Die Sonne strahlte sehr stark vom Himmel. Der Reibstein wurde heiß. Die Schibutter zerfloß. Nach einiger Zeit sagte das Kind zu dem Tenantan-kurre: "Gib mir meine Schibutter wieder." Der Stein sagte nichts. Das Kind sagte: "Gib mir meine Schibutter wieder." Der Stein sagte wieder nichts. Darauf nahm das Kind einfach den Tenantan-kurre und sagte: "Es ist gut." Das Kind machte sich mit dem Tenantan-kurre auf den Weg.

Das Kind wollte mit seinem Tenantan-kurre nach Hause gehen. Das Kind kam an einem Manne vorbei, der die Pocken hatte. Der Mann sagte: "Ich habe keinen Mahlstein, auf dem ich meine Medizin reiben könnte." Das Kind sagte: "Ich habe hier einen Tenantankurre. Willst du ihn benutzen?" Der Pockenkranke sagte: "Ja! gib ihn her!" Der Mann rieb auf dem Stein seine Medizin und rieb mit der Medizin dann seinen Körper ein. Das Kind sagte: "Ich will nach Hause gehen." Der Pockenkranke sagte: "Es ist gut." Das Kind sagte: "Gib mir meinen Tenantan-kurre, ich will ihn mit mir nehmen." Der Pockenkranke sagte: "So nimm ihn." Das Kind brachte ihn und sagte: "Der Stein ist mein Eigentum. Er war ganz neu und noch nicht benutzt." Der Pockenkranke sagte: "Wo hast du deinen Tenantan-kurre denn herbekommen?" Das Kind sagte: "Ich will meinen neuen Tenantan-kurre wieder zurückhaben." Der Mann gab dem Kinde darauf die Pocken. Das Kind sagte: "Es ist gut." Das Kind nahm die Pocken und ging.

Das Kind brachte die Pocken mit heim. So kamen die Pocken überallhin. Früher waren die Pocken nur im Busch.


Copyright: arpa, 2015.

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