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Kapitel 

VOLKSDICHTUNGEN AUS OBERGUINEA


I. BAND


FABULEIEN DREIER VÖLKER

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 4 BILDBEILAGEN

9. Das Hyänenopfer

Unumbotte (Gott) machte einen Menschen, der ward sehr einflußreich. Der Mann ward sehr alt und als er dem Tode nahe war, hatte er 130 Söhne. Er ward alt und schwach und als er nahe dem Tode war, ließ er alle seine Söhne zusammenkommen und sagte zu ihnen: "Jeder von euch soll mir sagen, was er mir opfern wird, wenn ich gestorben sein werde." Der Älteste sagte: "Ich werde einen Ochsen für dich töten." Der zweite sagte: "Ich werde ein Perlhuhn für dich töten." Ein anderer sagte: "Ich werde ein Huhn für dich töten." So sagte ein jeder, was er tun wolle. Der jüngste aber sagte: "Ich werde eine Hyäne für dich töten." Drei Tage danach starb der Alte. Da tötete der Älteste einen Ochsen, ein anderer ein Perlhuhn, ein anderer ein Huhn und so fort, jeder das, was er versprochen hatte. Nur der Jüngling hatte sein Versprechen noch nicht erfüllen können.

Dem Jüngsten, der die Hyäne versprochen, sie aber noch nicht geopfert hatte, erschien nun der verstorbene Vater allnächtlich im Traume, so daß er arg gequält wurde und nicht zu schlafen vermochte. Er machte sich auf den Weg und suchte einen Oboa (Schamanen) auf. Den fragte er. "Seitdem mein Vater gestorben ist, kann ich nicht mehr ruhig schlafen. Allnächtlich erscheint mir mein Vater im Traum und quält mich, so daß ich krank werde." Der Oboa sagte: "Du hast deinem Vater versprochen, ihm nach seinem Tode eine Hyäne zu töten. Du hast das noch nicht getan. Wenn du dein Versprechen erfüllt haben wirst, wird dein Vater deine Ruhe nicht mehr stören."

Als der Mann das gehört hatte, nahm er eine Kuh an eine Leine, zog sie hinter sich her, lief durch Dörfer, Busch und Äcker und rief: "Wer mir meines Vaters Grab zeigen kann, dem teile ich die Hälfte dieses Rindes zu." Als er eine Weile so herumgezogen war, kam die Hyäne angelaufen und sagte: "Ich weiß, wo das Grab deines



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Vaters ist. Wenn du mir die Hälfte dieses Rindes wirklich abgeben willst, werde ich es dir zeigen." Der Mann sagte: "Ich werde dir die Hälfte geben." Die Hyäne sagte: "So komm mit." Die Hyäne führte den Mann in eine dichte Stelle im Busch und sagte: "Hier ist das Grab deines Vaters."

Der junge Mann sagte: "Es ist gut; wir wollen hier sogleich die Kuh schlachten und du sollst sogleich deine Hälfte abhaben. Wie wollen wir nun das Fleisch zubereiten? Wollen wir es kochen oder braten?" Die Hyäne sagte: "Wir wollen es braten." Der Mann sagte: "Gut, dann laufe hin und hole Feuerholz." Die Hyäne lief fort, um Feuerholz herbeizutragen. Mittlerweile schlug der Mann die Kuh tot und begann sie aufzuteilen. Aus der Kuhhaut machte er einen Sack. Nach einiger Zeit kam die Hyäne wieder mit dem Feuerholz. Der Mann sagte zu der Hyäne: "Hole doch Feuer, damit wir gleich braten können." Die Hyäne lief sogleich von dannen und in das nächste Dorf. Sie stahl ein glimmendes Scheit und brachte es dem Manne.

Der Mann sagte: "Es ist gut; nun können wir gleich zu braten beginnen. Aber ich möchte dich bitten, mir vorher noch den einen Fuß aus dem Fell zu holen, der darin steckengeblieben ist." Die Hyäne sagte: "Wenn es weiter nichts ist, will ich es gern tun." Damit kroch die Hyäne in den Fellsack, um das Beinstück herauszulösen. Kaum war die Hyäne aber im Fellsack, so band der Mann den Sack zu.

Als der Mann die Hyäne glücklich im Sack hatte, nahm er ihn auf und trug ihn heim in das Dorf. Er brachte den mit der Hyäne angefüllten Fellsack an das Grab seines Vaters und sagte: "Hier, mein Vater, bringe ich dir die Hyäne, die ich dir seinerzeit versprochen habe. Nun will ich sie aber nicht mit dem Messer schlachten, sondern mit einem Stock totprügeln." Der Mann ergriff einen Knüppel und schlug auf den Fellsack los, bis die Hyäne im Innern tot war.

Daher kommt es, daß die Hyäne heute gestreift ist. Das sind die Striemen, die durch den Knüppel des Mannes geschlagen sind. Früher lebte die Hyäne mit den andern im Dorfe. Seit damals aber ist sie in den Busch entflohen. Zur Rache, was der Mann ihr angetan hat, frißt sie Ziegen, Schafe, Ochsen. Wenn sie die Tiere gefressen hat, läßt sie aber die Köpfe liegen, damit die Menschen sehen, wer das tat.


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