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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM KALIFEN HARÜN ER-RASCHID UND DER HERRIN ZUBAIDA IM BADE

Der Kalif Harûn er-Raschîd war der Herrin Zubaida in herzlicher Liebe zugetan, und er ließ für sie einen Lustgarten anlegen mit einem Wasserteich darinnen, den er ringsum mit Bäumen umpflanzen und von allen Seiten mit Wasser speisen ließ. Und die Bäume wuchsen so eng über dem Teiche zusammen, daß man hineingehen und dort baden konnte, ohne von jemandem gesehen zu werden; so dicht war das Laub. Nun begab es sich eines Tages, daß die Herrin Zubaida in jenen Lustgarten trat und zu dem Teiche kam. ——«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 386 Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir



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berichtet worden, o glücklicher König, daß die Herrin Zubaida, als sie in jenen Lustgarten getreten und zu dem Teiche gekommen war, sich an seiner Schönheit weidete. Der schimmernde Wasserspiegel und das Dickicht des Laubes gefielen ihr, und da es ein sehr heißer Tag war, so legte sie ihre Gewänder ab und trat in den Teich. Sie blieb im Wasser, das nicht tief genug war, um den, der in ihm stand, ganz zu bedecken, aufrecht stehen, schöpfte Wasser mit einer Kanne aus reinem Silber und goß es über ihren Leib.

Der Kalif aber hörte davon und ging von seinem Schlosse hinab, um ihr, vom Laub der Bäume versteckt, zuzuschauen. Da sah er sie denn ganz entkleidet, und alles an ihr, was sonst verborgen ist, ward ihm sichtbar. Doch als sie den Beherrscher der Gläubigen hinter dem Laube bemerkte und wußte, daß er sie nackend sah, wandte sie sich um und blickte nach ihm hin. Aber aus Scham vor ihm legte sie ihre Hände auf ihren Schoß; freilich konnte sie ihn nicht ganz bedecken, da er so rund und groß war. Da wandte der Kalif sich alsbald um, und erstaunt sprach er diesen Vers:

Mein Aug erblickte, was mich traurig macht;
Und durch die Trennung ward mein Leid entfacht.

Aber er wußte nicht, wie er fortfahren sollte; deshalb ließ er Abu Nuwâs kommen, und als der Dichter vor ihm stand, sprach der Kalif zu ihm: ,Vollende mir ein Gedicht, dessen erster Vers lautet: Mein Aug erblickte, was mich traurig macht; und durch die Trennung ward mein Leid entfacht!' ,Ich höre und gehorche!' erwiderte Abu Nuwâs; und er begann in wenigen Augenblicken aus dem Stegreif zu dichten und diese Verse an ihn zurichten:

Mein Aug erblickte, was mich traurig macht;
Und durch die Trennung ward mein Leid entfacht



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Von der Gazelle, die mich ganz bestrickt,
Als ich im Lotusschatten sie erblickt.
Und Wasser floß auf ihren Schoß, so klar,
Aus einer Kanne. die von Silber war.
Als sie mich sah, da hat sie ihn bedeckt;
Doch ihre Hand hat ihn nicht ganz versteckt.
O könnte ich doch glücklich bei ihr sein,
Ein Stündlein oder auch zwei Stündelein.

Da lächelte der Kalif über seine Worte und machte ihm ein Geschenk; der Dichter aber ging erfreut von dannen.

Ferner wird erzählt


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