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Kapitel 

VOLKSDICHTUNGEN AUS OBERGUINEA


I. BAND


FABULEIEN DREIER VÖLKER

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 4 BILDBEILAGEN

5. Der Sündenfall*

Unumbotte (Gott) hatte einen Menschen gemacht. Der Mensch war Unele (Mann). Dann machte Unumbotte Opel (Antilope, Plural: Jpel, womit jede Antilope bezeichnet wird). Dann machte Unumbotte Ukow (Plural: Jkow, d. h. Schlange; es wird damit jede Schlange bezeichnet). Es waren, als diese drei gemacht waren, erst keine andern Bäume da, als ein einziger Bubauw (Plural: Jbafe, d. i. eine Ölpalme). Damals war die Erde noch nicht geklopft. (Damit ist die Art des Lehmschlagens gemeint, in der die Bassaritenweiber den Boden der Hütte und um die Hütte schlagen.) Die drei (Geschöpfe) saßen auf der rohen Erde. Unumbotte sagte zu den drei: "Der Boden ist noch nicht geklopft. Ihr sollt da, wo ihr sitzt, den Boden klopfen." Dann gab Unumbotte den dreien allerhand Samen und sagte: "Pflanzt das!" Unumbotte ging.

Unumbotte kam wieder. Er sah, daß die Leute noch nicht den Boden geklopft, wohl aber den Samen gepflanzt hatten. Ein Same hatte gekeimt und war aufgewachsen. Es war ein Baum, der hoch aufgewachsen war und Früchte trug. Die Früchte waren rot. (Die Bassariten geben an, den Baum nicht mehr zu kennen.) Unumbotte kam nun jeden siebenten Tag und pflückte von den roten Früchten.

Die Schlange sagte eines Tages: "Wir wollen auch von den roten



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Früchten essen. Weshalb sollen wir denn hungern?!" Die Antilope sagte: "Wir kennen doch aber die Frucht nicht!" Dann nahmen der Mann und seine Frau (diese taucht nun mit einem Male auf. "Zuerst", so sagen die Erzähler, "war sie nicht da". Sie wissen auch trotz allem Nachsinnen nicht, wie sie plötzlich dazugekommen ist!) von den Früchten und aßen davon. Dann kam Unumbotte vom Himmel. Unumbotte sagte: "Wer hat die Frucht gegessen?" Der Mann und die Frau sagten: "Wir haben sie gegessen." Unumbotte fragte: "Wer hat euch gesagt, daß ihr davon essen sollt?" Der Mann und die Frau sagten: "Die Schlange hat es uns gesagt." Unumbotte fragte: "Warum habt ihr der Schlange gefolgt?" Der Mann und die Frau sagten: "Wir hatten Hunger."

Unumbotte fragte die Antilope: "Hast du auch Hunger?" Die Antilope sagte: "Ja, ich habe auch Hunger; ich möchte Gras fressen." Seitdem lebt die Antilope im Busch und frißt Gras.

Unumbotte gab den Menschen aber Idi (Mela der Tim, Guineakorn), Demure (Jams) und Jjo (das Adalla der Tim, eine Penisetumart). Nachher bildeten die Menschen immer verschiedene Speisegenossenschaften (das wird in Bassari ausgedrückt durch die Worte: "Tokokoa-koafe-kadjiu to-bo-bantir) und aßen immer zusammen aus derselben Schüssel, nicht aber aus der anderer Leute. Daraus entstand die Verschiedenartigkeit der Sprachen. Seitdem bebauen die Leute das Land. Die Schlange aber bekam von Gott eine Medizin (Njojo), damit sie den Menschen beiße.

(NB.: Ich habe mich schwer abgemüht, dem Ursprung dieser Legende nachzugehen. Mehrere Bassariten aus den, den Sinnhof umgebenden Weilern, kannten diese Geschichte, und sie wurde mir immer als altes Stammeseigentum bezeichnet. Ich habe mir die Geschichte von mehreren Leuten zu verschiedenen Zeiten erzählen lassen und niemals wesentliche Unterschiede feststellen können. Deshalb muß ich den Gedanken, daß hier etwa ein moderner oder älterer Missionseinfluß vorliegen könne, mit Entschiedenheit ablehnen. Auch von einem Nachbarvolke scheint sie nicht zu stammen.

Wohl aber sagte mir Nege Dambele, daß diese Geschichte auch den Soninke bekannt sei, und der uns begleitende Marka bestätigte das. Leider kannten beide nur die allgemeinen Umrisse, nicht aber die Details. Vgl. auch Binger II (da wo er von dem Fofana spricht.)


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