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VOLKSDICHTUNGEN AUS OBERGUINEA


I. BAND


FABULEIEN DREIER VÖLKER

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 4 BILDBEILAGEN

e) Geschlechtsleben. Familienzweck. Entbindung. Kindernamen. Exogamie. Kinderleben

Aus dem vorhergehenden ist die wirtschaftliche Seite des Ehelebens leicht übersichtlich. In Anbetracht des Fleißes, den man den Bassariten, sobald es sich um ihre Gewohnheiten, gewohnte Arbeit für sich selbst und Sättigung der egoistischen Eigenschaften handelt, durchaus nicht absprechen kann, bringen es die jungen Menschen anscheinend ziemlich schnell zu etwas. Aber ein glückliches Arbeits- und Familienleben ist durchaus nicht der Gipfelpunkt bassaritischer Ideale und Wünsche. Vielmehr zielt des echten Bassan Lebenssehnsucht auf bequeme Rentierwirtschaft. Die wurde nun allerdings keinem Bassariten (und wird heute auch noch nicht) in die Wiege gelegt, und in typischer Negerweise kommt es auch nicht



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etwa auf dem Wege der Arbeit, sondern auf dem der Vermehrung dazu.

Von diesem Standpunkt aus wolle man das bassaritische Heiraten und Eheleben ansehen, und danach wird man auch die wunderlichen Konvenienzformen verstehen. Nicht aus Liebe, aus Neigung heiraten diese Völker, sondern um Nachkommen als Arbeitskräfte zu erzielen. Die Ehe ist insofern eine Art Kapitalanlage, eine Geschäftssache, eine Spekulation. Die Neigung und die Leidenschaft haben in der Berechnung als Hauptfaktoren keinen Raum. Geschlechtsgenuß ist ganz angenehm und insofern ist die ganze Sache obendrein noch hübsch. — Es ist nach unsern Begriffen eine niedrige Lebensauffassung, aber sie klingt in Worte gefaßt viel abstoßender, als sie in Wirklichkeit ist. Denn der Bassarit folgt darin einer halb unbewußten und außerdem der ganzen Männerschaft dieses Volkes seit Urzeiten so vertrauten Anschauung, daß dort die Härte nicht so bewußt werden kann als bei uns, die wir erstens überhaupt nicht anders können, als solche Dinge mit eigenem Lebensinhalt zu vergleichen, und die wir mit so groben Maßen überhaupt nicht vertraut sind.

Das Werkzeug des Geschlechtslebens wird von den Bassariten in Abwesenheit oder Anwesenheit der Frauen mit gleicher Gleichgültigkeit behandelt, aber ich nahm bei Bassariten nie die wollüstige Behaglichkeit wahr, die so auffallend bei den Sokodefrauen zutage trat, wenn sie eine der bei den Tim recht häufigen Sexualgeschichten erzählen durften. (Siehe im zweiten Teil.) Die Bassarinamen für die Geschlechtsteile sind:

Penis: Lokundi,
Skrotum: Tukunta-tjagara,
Hoden (Singular: Tukunta-tjarra-birre oder bille),
weib!. Scham: Diakpurre,
Schamlippen: Eiakpobande,
Klitoris: Digimbirre.

Eine Beeinflussung der Geschlechtsteile durch Zirkum- oder Inzision oder Infibulation ist gänzlich unbekannt, und die Bassariten spotten über alle Stämme, die solche Sitten haben.

Beschlafen, respektive koitieren wird als udo-tondampiu bezeichnet. Die Stellung der Koitierenden entspricht der, die die Transkarajer anwenden. Die Frau legt sich auf den Rücken und spreizt die Beine in nordischer Form, ohne sie emporzuziehen. Der Mann hockt in tiefer Kniebeugestellung zwischen den geöffneten Beinen nieder, zieht den Frauenleib mit den Armen etwas empor und beeilt sich, möglichst schnell die Ejakulation zu erzielen. Meine Bemerkung (zu der entsprechenden Darlegung und panto



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mimischen Vorführung durch ein paar alte Männer), daß diese Stellung doch wohl unnatürlich und anstrengend sei, ward mit höhnischem Lächeln zurückgewiesen.

Als Schwangerschaftsperiode rechnen die Bassariten neun bis elf Mondmonate und bemerken dazu, es sei sehr verschieden. Dies Schwanken ändert sich von Fall zu Fall. Bis etwa zwei Monate vor der Geburt übt der Gatte seinen regelmäßigen Beischlaf - wenn er nicht etwa inzwischen eine weitere Gattin geehelicht hat, die ihn ihrerseits energisch in Anspruch nimmt. Die junge Mutter geht ihren Angelegenheiten nach und arbeitet bis zum letzten Augenblick, so daß es auch hier wieder nicht so gar selten ist, daß die Frau während der Arbeit, beim Wasserholen oder Holzsammeln oder auf dem Markte oder Marktgang von den Wehen überfallen wird. Dann vollzieht sie die Operation allein, nimmt das Kind und trägt es nach Haus, und weder sie noch sonst jemand findet etwas Besonderes darin. Während meines Lebens auf dem Sinnhofe ereigneten sich zwei solcher Fälle, und ich fand beide Male die nicht einmal sehr kräftigen Frauen (die Mehrzahl der Bassariten läßt an Strammheit des Körperbaues nichts zu wünschen übrig) gar nicht besonders erschöpft. Die eine von ihnen war erst noch eine Viertelstunde weit zum Bach gelaufen, um sich zu reinigen.

Normalem Verlaufe gemäß ist aber der in jedem Hofe zu beobachtende, mit einem Ausfluß nach außen versehene Pißwinkel (Kugotuum genannt) die Geburtsstelle. Einige alte Frauen, und zwar drei bis fünf, je nach Schwierigkeit der Verhältnisse, beteiligen sich durch Handreichungen und Hilfen, die sie der Kreißenden zuteil werden lassen. Die Gebärende liegt mit dem Rücken der Erde zu gegen eine sitzende alte Frau gelehnt und zieht die Beine hoch. Die alte Frau umschlingt sie und preßt ihr die Beine noch stärker zurück, als die Gebärende es von Natur kann. Eine Leibpressung oder massierende Hilfe scheint nicht üblich. Eine zweite Alte hockt vor dem zuckenden Körper und erwartet die Frucht, eine dritte kocht Wasser.

Die Nabelschnur (mpulleng-mui) wird möglichst lang abgeschnitten, und zwar nicht mit einem Messer, sondern mit einem scharfen Splitter von Sorghum (kekaja-djege). Diborra, die Nachgeburt, wird aufgefangen und außerhalb des Gehöftes, da, wo die Pißrinne ausmündet, in die Erde vergraben, so wie sie ist, ohne daß ein Topf sie umschließt, wie dies doch sonst üblich ist.

Nach vollendeter Entbindung erfolgt sogleich auf dem Geburtsplatze eine gründliche Säuberung mit warmem Wasser, dann werden Mutter und Kind in das Haus gebracht. Inzwischen ist Schibutter (Mquam) mit Butumbu (Butumbu ist rote Baumrindenfarbe, die zu diesem Zwecke pulverisiert ist) verrührt. Damit wird



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der Leib des Kindes eingerieben. Sogleich auch beginnt man mit der Behandlung der Nabelschnur. Eine Frau kaut Salz (ijam) und spuckt das auf die Nabeiwurzel, dann wird in massierender und rundum eindrückender Weise die Umgebung behandelt. Man wiederholt das während der nächsten Tage und sagt, daß dann bei Knaben in drei, bei Mädchen in vier Tagen die Nabelschnur abfalle. Für die Mpullengmui wird inseits des Wohnhauses in der Mauer etwa mannshoch über dem Boden ein markstückgroßes Loch gemacht. Dahinein kommt die Nabelschnur, und dann wird das Loch wieder mit Lehm verstrichen. — Also haben wir hier wieder die Dreizahl für das Männliche, die Vierzahl für das Weibliche - ein offenbar wesentliches Zahlenspiel, das uns aus den Tätowierungsmustern anderer Gurmastämme und auch gewisser Mande schon bekannt genug ist.

Die weitere Behandlung der Kinder betreffend, behaupten die Bassariten steif und fest, die neugeborenen Kinder bekämen während der ersten drei Tage ihres irdischen Daseins keine andere Nahrung als - Wasser! Die Männer blieben steif und fest bei dieser Behauptung, so daß ich mich zuletzt an ältere Frauen wandte und von diesen dann folgenden Bescheid erhielt: Die Männer behaupten zwar, die kleinen Kinder dürfen erst an die Mutterbrust gelegt werden, wenn die Nabelschnur abgefallen ist, dies sei nicht wahr. Es schade den Kindern gar nichts, wenn man sie schon 24 Stunden nach der Geburt zu stillen versuche -richtig sei es aber, daß die meisten Frauen, die zum ersten Male Mutter seien, in den ersten Tagen nicht zu stillen vermöchten, weil sie noch keine Milch hätten; dann müßte man die Kinder allerdings erhalten, indem man Wasser mit der Hand schöpfe und es ihnen einträufele, bei dem ersten Kinde müsse man das einige Tage fortsetzen, und bei nachfolgenden Kindern trete aber schon innerhalb 24 Stunden Milch in die Mutterbrust. Soweit eine Mutter selbst über diese Sache.

Die entbundene Frau erhält bald nach der vollzogenen Geburt einen sogenannten Jellijellibrei, das ist eine Speise, die aus Sorghummehl bereitet und der eine starke Dosis Jellijellipfeffer (im Tim: Kalangmau oder Kakangmaung genannt) beigesetzt ist; es fehlt ihm aber alles Salz. Diesem Gericht spricht man eine besondere Einwirkung auf das Blutkreisen zu. Zweimal täglich erhält die junge Mutter diesen Brei, und er bildet während der nächsten sechs Tage ihre einzige Nahrung. Drei Tage lang bleibt die Mutter unbedingt daheim. Am siebenten Tage darf sie mit dem Kinde das Haus verlassen. Gleich nach der Geburt bringt der Mann aus dem Busch drei starke Baumstämme herbei und in das Wochenzimmer. Sie werden mit den Köpfen zusammengeschoben und sollen ein wäh



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rend der Wochenbettzeit ununterbrochenes Feuer unterhalten. Der Mutter des Mannes liegt die Pflicht ob, alles Essen in der Wirtschaft zu kochen, der Mutter der Frau aber, das Geschirr abzuwaschen und das Kind mit Schibutter und roter Farbe einzureiben.

Am siebenten Tage erfolgt die Namengebung, und zwar bei Mädchen durch die Großmutter mütterlicherseits, bei einem Knaben durch den Vater. Die Form und Wahl der Benennung des Kindes ist eine Sache, die mir nicht ganz klar geworden ist, oder sie repräsentierte eine Sitte, die sehr vereinzelt auf der Erde dasteht. Die Kinder bekommen nämlich angeblich ihren Namen entsprechend der Sitte der Ortschaft, aus der die Mütter stammen, angeblich der Reihe ihres Erscheinens nach. Wenn zum Beispiel eine Frau aus Biquassibe gebürtig und zu ihrem in Ukontjibe geborenen und ansässigen Mann gezogen ist, so werden genannt:

wenn Knabe: wenn Mädchen:
das erste Kind: Dessao Jete
das zweite Kind: Napo Equende
das dritte Kind: Tirrim Adja
das vierte Kind: Lantam Maffai
das fünfte Kind: Poquaja Kutjui

Die gleiche Benennung findet statt, wenn die Mutter statt aus Biquassibe aus Wodande, Kubedipo oder Nanquani stammt. Es entsprechen anscheinend immer einer Gruppe von Dörfern die gleichen Namensreihen. Nur eine Ausnahme soll einzig dastehen, und die folgende Reihe soll lediglich den von Nkontjibefrauen geborenen Kindern zuteil werden. Also: nur wenn eine Frau aus Nkontjibe gebürtig und zu ihrem in Biquassibe geborenen und ansässigen Mann gezogen ist, werden genannt:

wenn Knabe: wenn Mädchen:
das erste Kind: Tjapo Kumbong
das zweite Kind: Uji Ubuong
das dritte Kind: Uake Uapong
das vierte Kind: Quare Kangmof

Des weiteren wurde mir auf den Einwurf, daß demnach doch in jedem Dorfe eine ganze Reihe gleichnamiger Männer und Weiber herumlaufen müßten, die Auskunft zuteil: wenn in einem Weiler drei Burschen gleichen Namens sind, z. B. wenn alle Tjapo heißen, so nennt man den ältesten Tjapo-okpulle, den zweiten Tjapo-uai - des weiteren gewinnt man ein Unterscheidungsmittel, indem man einem jeden solchen Tjapo den Vatersnamen vorsetzt und z. B. sagt: Lantam-Tjapo-jao Lantarn sein Tjapo, alias Tjapo, der Sohn des Lantam. — Scherz- und Übernamen scheinen selten zu



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sein, wie ich denn überhaupt die Bassariten oft genug ausgelassen und heiter sah, aber sehr selten Äußerungen des Humors an ihnen wahrnahm. Wie anders die Tim!

Soweit das, was ich über die Namengebung zu erfahren vermochte. Wieweit die Angaben richtig verstanden und erschöpfend sind, weiß ich nicht. Trotz aller Mühe, die ich mir gegeben habe, vermag ich mich nicht dem Eindruck zu entziehen, daß mein hier wiedergegebenes Material sehr mangelhaft ist.

Immerhin spricht etwas Wahres aus diesen Ausführungen, der Beleg einer Tatsache, die mir bedeutsam genug erscheint, um sie als eine der seltsamsten und wichtigsten (wenn auch nicht alleinstehende) sozialen Erscheinungen des Westsudans hinzustellen: Die Bassariten lebten früher in streng innegehaltener kommunaler Exogamie! Niemand heiratete früher im gleichen Dorfe. Das ging soweit, daß nach verschiedentlich erfolgter Aussage sogar der außereheliche sexuelle Verkehr zwischen Kindern der gleichen Gemeinde ausgeschlossen war. Gleich, ob man eine Geliebte aufsuchte oder eine Frau heiraten wollte - Mann und Weib mußten aus anderm Dorfe sein, und z. B. ein Wodandemann durfte wer weiß wo seine Gattin suchen und herholen, auf keinen Fall durfte sie ein Wodandekind sein.

Mit Recht wittert der Völkerkundler irgendwelche Reste eines alten Totemismus. Speiseverbote bestehen in reichlicher Menge. Das Speiseverbot heißt Dekobre. In den Ortschaften Biquassibe, Wodande, Kubedipo und Nanquani ißt man nicht: i. Obui, Plural: Ibui, den Leoparden, 2. Ditjiporra, Plural: Atjiporra, eine nicht beißende, angeblich häufige Schlange, die ich nicht anzugeben vermag. In den Ortschaften Kabu, Binaualibe und Quamburre werden folgende Affenarten nicht gegessen: i. Toquaterre, der Hundskopfaffe, 2. Ulantam, der Husarenaffe, 3. Bompi, der Guerezza. Die Leute aus Okors essen nicht das Ketjinkingvögelchen,die aus Tokodoquande nicht die Ussiboaratte. Die Geschlechtsverbindung anbelangend, erklärten die Bassariten: "Das Dekobre (totemistisches Speiseverbot, Plur.: Akobelle)schließt den Geschlechtsverkehr nur bei kommunaler Übereinstimmung aus." Ich verstand das so, daß auf Verschiedenheit des kommunalen Ursprunges strenger geachtet wird als auf Verschiedenheit der Speiseverbote. Aber die Sache ist heute recht verwirrt, und ich hatte mit den Fragen auf diesem Gebiete bei den Bassariten kein weiteres Glück.

Soviel ist sicher, daß die Kinder im Dekobre dem Vater folgen und daß die verheiratete Frau außer dem vom Vater ererbten Speiseverbot noch dem Dekobre des Gatten zu folgen hat. —Doch zurück zum Kind.

Das erste Wort des kleinen Geschöpfes ist: una Mutter, klar



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und deutlich wird es ausgesprochen im zweiten Lebensjahre. Nach drei Jahren etwa vermögen nicht nur die Mütter, sondern auch schon Freunde das kindliche Geplapper zu verstehen. Mit einem Jahre rutscht das Würmchen allein auf den Knien herum. Gestillt werden die kleinen Wesen etwa zwei Jahre lang. Während der Nährzeit dürfen die Mütter keinen Geschlechtsverkehr üben, und man sagt, daß, wenn sie diesem Gebote nicht Folge leisten, das Kind sterben würde. Nach Beendigung der Ernährung durch die natürliche Quelle wird das Kind täglich mehrmals mit Wasser, in dem Sorghummehl verrührt ist, "aufgefüllt". Ich kann diese Methode der Nahrungsweise nicht besser charakterisieren als mit diesem Ausdruck. Die Mutter nimmt auf einem Stühlchen oder Stein oder irgendwelchem Holzblock Platz. Sie hat neben sich das Gefäß mit dem schleimigen Aufguß stehen. Sie legt das Kind quer über den Schoß, macht mit der eigenen Hand eine Art Trichter und gießt dem strampelnden Säugling den Mund voll. Es ist eine absolute Unmöglichkeit für den minimalen Weltbürger, das Zeug in der Geschwindigkeit herunterzuschlucken, in der die Stoffzufuhr erfolgt. Also geht nach jedem neuen Aufgießen ein Gekeuche, Gesprudel, Gegurgel, dazu Strampeln und nach Vollendung Gequäke los, das genau den Maßstab der Sympathiegefühle ausdrückt, welche das Kind diesem Verfahren gegenüber hegt. Man behauptet, daß nie eine Erstickung hierbei vorkomme. Ich habe mich über die Angabe gewundert. Der Kunstgriff, bei allzugroßer Anfüllung der Luftröhre das Kind herumzudrehen und auf den Rücken zu klopfen, ist bekannt. Immerhin: die Kehlenschleusen der jungen Bassariten müssen wunderbar ordentlich funktionieren. Ist das Kleine noch einige Monate derart aufgefüllt, so darf es zum Jamsbrei = Futter übergehen und lernt dann außerordentlich schnell essen.

Ich habe mich oben über die wenig schönen Beweggründe, nach denen der Bassarit seine Ehe anknüpft, aufgehalten und darauf hingewiesen, wie wenig edel die Anschauungen sind, die er vom Zweck der Ehe hat: Kindersegen, damit der Bassarit im Alter Rentier spielen kann. Danach könnte man annehmen, daß die Kinder und Frauen unter diesem egoistischen Zweckstreben leiden und es unangenehme Nebenerscheinungen zeitigt. Das ist aber nicht der Fall. Das Familienleben der Bassariten wirkt nach außen durchaus sympathisch. Frauen und Kinder machen fast stets einen vergnügten Eindruck. Wenn man des öfteren eheliche Szenen miterlebt, es über die Gehöfte hinschauen hört, wenn zwischen weiblicher Wange und männlicher Handfläche die Luft allzu großem Druck ausgesetzt wird - wenn man hie und da auf den Wegen junge Frauen trifft, die offenkundig gegen ihren Willen und ohne



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das geeignete Symptom schicklicher Sitteneinhaltung strampelnd von Männerhänden heimspediert werden in den allermeisten derartigen Fällen sind die Spedierten und Gemaßregelten junge Frauen, die noch keine Kinder haben und wohl noch allzusehr mit dem Kopf und Herzen an Neigungsbeziehungen denken, die nicht mehr herrschen dürfen.

Im übrigen aber kann man sagen, daß auch bei diesen Konvenienzehen der Kindersegen ausgleichendes, sonniges Licht verbreitet, in dessen Wärme und Schein das hartgedachte Zweckgefühl schwindet. Viel offensichtliche Mimik treibt der Neger ja überhaupt nicht mit dem Weib, mit dem er geschlechtlich verkehrt. Aber am ganzen Gebahren erkennt man doch zur Genüge, daß der vom Felde heimkehrende Bauer seine Frau nicht nur ihrer Sprossen wegen gern sieht.

Die kleinen Kinder sind das "Spielzeug" des ganzen Dorfes. Sie sind tagsüber ständig unterwegs, haben stets jemand, der mit ihnen spielt. Sie wandern von Arm zu Arm. Besonders junge Mädchen und junge Frauen, die noch nicht eigene Kinder haben, tändeln in jeder Pause, die ihnen die Arbeit läßt, mit den Kleinen nach Herzenslust umher. Dabei nimmt man interessante Unterschiede wahr, die wohl genau gleichen Erscheinungen in Europa entsprechen. Mädchen und junge, noch nicht besproßte Frauen spielen kindisch mit ihnen. Junge Mütter sind entsetzlich ernst bei allen Handlungen, nehmen alles sehr wichtig und geben die Kleinen sehr ungern fort. Mütter, die schon mehrere Kinder hatten, hantieren fast ausschließlich sachlich, machen oft den Eindruck der Gleichgültigkeit, ohne es zu sein, und geben gern einmal das kleine Geschöpfchen aus der Hand. — Genau wie bei uns. Es war auch wohl bei den Tertiärmenschen nicht anders!


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