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VOLKSDICHTUNGEN AUS OBERGUINEA


I. BAND


FABULEIEN DREIER VÖLKER

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 4 BILDBEILAGEN

d) Wirtschaftsleben. Feldwirtschaft. Eisen. Schmied. Märkte. Arbeitsteilung

Ehe wir den geschlechtlichen Entwicklungsphasen des Ehelebens unser Augenmerk zuwenden, wird es wünschenswert sein, daß wir dem Wirtschaftsleben der Bassariten, das doch natürlich den Lebenswandel beider Geschlechter weitgehend beeinflußt und das Lebensrevier der Gatten umschreibt, genügende Aufmerksamkeit widmen. Zwei Pole sind es, um die das Wirtschaftsgetriebe der Bassariten rotiert: Ackerbau und Eisenindustrie. Die Konkomba, die dagegen mehr dem Ackerbau zuneigen und keinerlei Schmiederei haben, beschäftigen sich daneben mit Viehzucht. Das Vieh macht ihnen nicht viel Sorge. Es läuft halb wild draußen umher. Die Konkomba sind als Fischer geschickt im Wehrbau, in Korbauslegung und mit dem Netz. Die Bassariten rühmen sich bessere Jäger zu sein, und die Tschamba oder Geselinn, denen Schmiederei, Fischfang und Jagd im großen und ganzen fast untersagt ist, üben dafür die Industrie der Kalebassenschnitzerei, sind die energisch-



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sten Konkurrenten von Sugu, Ssemere, und lassen ihre Ware auch nach Süden wandern, so daß sie mit den Atakpame-Kalebassen konkurriert.

In der Feldwirtschaft besteht der große Unterschied zwischen Konkombas und Bassariten in der Lagerung der Ortschaft. Der Konkomba legt sein Gehöft mitten zwischen seinen Farmen an. Ist der Boden ausgenutzt, hat sein Vieh die Weiden abgegrast, so verlegt er sein Heim. Im Konkomba steckt noch ein gut Teil Nomadenart. Die Bassariten kleben dagegen fest an ihren Bergen. Die Berge bieten ihnen als Zufluchtsorte immer guten Schutz und noch heute fliehen sie, wenn sie die allergeringste Schererei haben (zum Beispiel Träger) stellen sollen, aber nicht wollen, in die Berge. Da nun aber das Land gerade am Bergfuße nicht das allerbeste, natürlich gründlich ausgenutzt und endlich bei der starken Bevölkerung nicht geräumig genug ist, so verlegen die Bauern ihre Pflanzungen gern in die entlegenen und recht fruchtbaren Flußund Bachtäler. In der Tat liegen die Farmgüter oft fünf und mehr Stunden vom Wohnorte des Gutsbesitzers entfernt.

Selbstverständlich fällt der größere Teil der Ackerarbeiten den Männern zu. Bei Neuanlage der Farmen sind sie es, die die Rodungen vorzunehmen haben. Die Hacke ist ein Männergerät, das hier - man kann sagen: fast ausschließlich-in der Männerhand wirkt. Den Frauen fällt die Aufgabe zu, in das vorbereitete Feld das Korn auszulegen, den Jams zu stecken usw. Man unterscheidet zwei Anbauformen: i. Anbau in langen Beeten (=m'pon, Plural: ipon), dies ist die für das Korn übliche Form; 2. das Haufenbeet (=dinnapore, Plural: anna-po), ein kegelförmiger, anfangs oft über einen Meter hoher Haufen, in dessen Spitze der Jams gesteckt wird. Mit fortschreitender Regenzeit nimmt durch Abschwemmung diese Farmart ein immer planeres Aussehen an. Die erste Farmarbeit vor der Regenzeit ist das Umschlagen des Grases. Das Gras wird als natürliches Düngemittel untergehackt. Alle Farmländer werden geebnet. Sobald aber die ersten stärkeren Regen fallen und das Gras unter der Erde zu verrotten beginnt, häufelt der Bauer seine Jamskegel auf.

Danach erst geht er an die Durcharbeitung der Langbeete, in die zunächst Itjande, das sind Bohnen, kommen. Einige Tage nachher wird derselbe Acker mit idi, dem Guineakorn, Sorghum, besteckt. Weiter folgt die Arbeit des Aussteckens von ijo (gleich Adalla) zwischen den Jamshaufen und endlich des Itallende, des Maises. Panicum und Reis werden von den Bassariten nicht angebaut. Die Reihenfolge der Ernte ist dann: i. Mais und Bohnen, 2. Jams, 3. Adalla und endlich 4. Sorghum.

Mistgruben sind den Bassariten unbekannte Dinge. Es wird



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überhaupt nicht anders als durch Unterhacken von Kraut gedüngt. Der Fruchtwechsel wird sehr sorgfältig beobachtet. Eine viel geübte Kurve ist i. Jahr: Sorghum, 2. Jahr: Assillim =Erdnüsse, 3. Jahr: Nussudum (Timwort), von dem hier die beiden Arten Mpogo und Ndjondum gehegt werden. Danach wird das Kraut ausgerissen und beiseite geworfen. Will man dagegen im dritten Jahre schon das Feld schonen, so baut man das Soßenkraut nicht an, läßt vielmehr im zweiten Jahre das Erdnußkraut liegen und verrotten und den Acker brach ruhen. Die gute Wirkung des verrottenden Erdnußkrautes ist den Leuten wohl bekannt. — Für den Jams werden im allgemeinen alljährlich neue Rodungen vorgenommen und auf die alten Jamsfelder wird dann Sorghum geworfen.

Der Reichtum der Bassariten an Feldfrüchten ist enorm, wenn sie auch ständig über Nahrungsmangel klagen. Sie sind aber klug genug, ihre Kornvorräte nicht mit ins Dorf zu bringen, sondern sie in den versteckt im Busch liegenden Farmgütern aufzuspeichern. In solchen Farmgütern entdeckte ich gelegentlich eines kleinen Jagdausfluges ganze Reihen bis obenhin angefüllter Speicher. Die Menge des Kornes, das nur zum Bierbrauen verwendet wird, ist ganz enorm. Denn wenn man einige Monate mit angesehen hat, was hier anläßlich von Toten- und Totenerinnerungsfesten gewirtschaftet wird, welche Mengen von Bier in deren Verlauf vertrunken werden, so muß man sich sagen, daß, immer Eingeborenenwerte gerechnet, allein in dieser Form gewaltige Kapitalien verkonsumiert werden. — Aber der Bassarit ist als Bauer fleißig, sein Land nicht arm - also kann er sich den Luxus gestatten.

Das zweite der beiden wirtschaftlichen Hauptmomente des Bassaritendaseins entspringt dem Eisenreichtum des Landes. Heutzutage wird im großen nur im Banjellibezirk Eisen gewonnen, früher aber auch in Bassari und Kabu. — So erzählen die Leute. Aber man mag das Land durchqueren, nach welcher Richtung man will, auf jeder Linie wird man einmal an Schlacken oder Trümmern alter Hochöfen vorbeikommen. Aber wenn von allen diesen kleinen Distriktchen heute auch nur das einzige Banjelli übrig geblieben ist, so bedeutet doch dieser Produktionsplatz einen mächtigen Mittelpunkt im Wirtschaftsleben Nordtogos.

In Banjelli, wird das Eisen in Hochöfen (Singular: Kapai, Plural: Mpam) gewonnen. Dr. Koert hat hierüber in den Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten nähere Angaben gemacht. Die dort gewonnenen Luppen (Singular: Kukulu, Plural: Tukute) kommen auf die Märkte und werden von den Schmieden selbst oder aber auch von Agenten verhandelt. Der Preis ist schwankend. Münze ist auch im Eisenhandel die Kaurimuschel Denembirre



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(Plural: Ane-mòille). Früher erzielte man, natürlich je nach Größe, zwischen 2000 bis 4000 Kauri, heute sogar 6000 bis 10000 Kauri. Der heutige Wert beträgt aber ca. 2000 Kauri = eine Mark, während man in alter Zeit wohl nur 1000 Kauri für eine Mark erhalten hätte. Der Wert der Kauri ist im Sinken begriffen, während nach allem, was ich hörte, der Wert des Eisens der gleiche geblieben ist. Die wichtigsten Eisenmärkte (Markt =Kaeniong, Plural: Niomm) waren in alter Zeit für Luppen Panjelli, für Schmiedeeisen Bassari. Der Bassarimarkt hatte den Namen Quanja, und zwar lag er zwischen der heutigen Station und dem Häuptlingsgehöft, am Bergfuße nahe der alten Massowstation. Dort wurden Luppen und Schmiedeeisen frei gehandelt, auch nach Kabu wurden Luppen gebracht (oder auch wohl von den Kabuleuten selbst gewonnen). Hier kamen sie aber nicht öffentlich auf dem Markte zum Verkauf, sondern hier ging man in die Häuser "nachfragen". Und nur in den Häusern wurden Eisengeschäfte umgesetzt.

Das Verfahren des Ausschmiedens ist das gleiche wie bei den Losso und Kabre. Die Luppe wird mit Steinhämmern zerschlagen. Von den mehr oder weniger grobkörnigen und schlackigen Eisenbrocken wird dann immer soviel zusammengefaßt, als man zu dem Gegenstand benötigt, den man herzustellen beabsichtigt. Diese Eisenbrocken häuft man zusammen und wickelt sie in ein feines Gras, das hierzu besonders geeignet und an einzelnen Stellen ausdrücklich gepflegt wird. Sein Name ist Tagomore. Nachdem das grobe Eisen so gewickelt ist, ballt man das gefüllte Grasbündel in eine Schicht des Detam genannten Lehmes. Es wird eine möglichst ebenmäßige, meist auch gut gelungene Lehmkugel hergestellt, die den Namen Tankonde oder Tankunde führt. In dieser Gestalt in einer "Schweißkugel" kommt dann die Eisenmasse unter das Schmiedefeuer.

Das Gerät, das der Schmied nun verwendet, besteht aus:

i. Steinhammer: sanquasanka oder Taquasanka, dient zum Zertrümmern der Luppe. Mit großer runder Schlagfläche.

2. Steinhammer: Tepoqua. Mit mittelgroßer runder Schlagfläche.

3. Steinhammer: Nguenga. Mit ganz kleiner runder Schlagfläche. Diese drei Steinhämmer dienen schon zum Ausklopfen des glühenden Eisens, zum Durchhämmern, aber auch zum Formhämmern.

4. Steinhammer: Tambe oder Tamme mit handförmig gerader Schlagfläche.

5. Eiserner Feinhammer: Sillem.

6. Eisenzange: Kubao. In der Form einer Pinzette, womit das

Eisenstück ins Feuer gelegt, herausgenommen und beim Schmieden gehalten wird.



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7. Schüreisen: Iilo. Mit dem das Eisenstück auch unter die glühenden Kohlen gut plaziert wird.

8. Der Blasebalg: Imfugung, das wichtigste Gerät des Ganzen. Es ist dies die Harmonikastempeiform. Sie war noch gebräuchlich bei allen Timm, bei den Sokodestämmen früher in kleinerer Ausgabe, bei den Kabre in gröberer Form. Im Taminagebiet ist heute noch ein kleiner Typ gleicher Verwandtschaft üblich. Bei den Losso herrscht er ebenfalls, dagegen regiert in Tamberma schon das eingemauerte Mandingogebläse, aber mit langen Führungsstangen. Heute ist das Harmonikagebläse auch in Sokode verdrängt und durch das ventilierende Sackgebläse ersetzt, das wir ja von unsern Zigeunern kennen, das bei allen maurischen Stämmen regiert und auch bei den östlichen und nordöstlichen Nachbarn der Bassari, bei den Konkomba, Dagomba und Tschokossi allein in Anwendung ist.

Auf jeden Fall muß das Harmonikagebläse als ein wunderliches Relikt aus älterer Zeit angesehen werden. Es ist überall im Rückgange begriffen, so ist es z. B. in Sokode unter den Augen des heutigen Regierungsleiters Dr. Kersting durch den ventilierenden Schlitzblasebalg verdrängt. Dem von Norden erfolgten Vordringen des letztgenannten weicht er überall aus, aber bei den Ewe und Joruba, also nach Süden und Südosten hin, finden wir ihn noch in seiner Verwandtschaft gut erhalten.

Hauptsächlich die Industriellen an den Abhängen und am Fuße der Bassari haben nun seit alters her das Luppeneisen in handliche Form gebracht, in Scheiben- und Hackenblätter. Die Bitjabaleute stellten die Scheiben her, die Diaparra (Plural: Eiakpalle) genannt werden.

Ihr Preis betrug früher 500 bis 600 Kauri das Stück. Sie kamen in Bündeln von 15, 20, 30 oder 40 auf den Markt, wurden aber einzeln verhandelt. Die Benaparbaleute fabrizierten dagegen die Form des Dornblattes, die den Namen Nkuntanju (Plural: Jkuntanju) hatte und deren Preis etwa 800 bis 2000 Kauri per Stück im Durchschnitt betrug. Die Jkuntanju kamen gebündelt zu etwa 10 bis 15 auf den Markt, wurden aber ebenfalls einzeln abgegeben. Die Bena Tjamba endlich hatten eine gewisse Mittelform, die Scheibe der Bitjaba, die aber mit einem kleinen Dorn versehen war. Die letztgenannten Dörfler waren übrigens die einzigen, die sich ausnahmslos mit dem Schmiedegewerbe abgaben und keinerlei Ackerbau trieben. Diese reinen Industriellen kauften ihre Nahrungsmittel auf den Märkten. Sie wurden dabei außerordentlich wohlhabend und hatten ein eigenes Kapitalisationsverfahren. Sie legten ihre Kauri nämlich in Rindvieh an, das sie von den Manguleuten erwarben. — Heute sind ihre Viehbesitztümer aber bei weitem



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nicht so bedeutend wie in alter Zeit, und seitdem Dr. Kersting auch den Kabre, Losso usw. den Zugang zum Luppenmarkt verschafft hat, geht die Wohihabenheit dieser Industriellen zurück, und somit greifen sie wieder gleich den andern zum Ackergerät und legen ihre Pflanzungen an wie ihre Nachbarn.

In Banjelli war früher alle sieben Tage Eisenmarkt. In Bassari wird jeden Tag Eisen ge- und verkauft.

Die Schmiedegehöfte zeichnen sich vor den andern durch Vernachlässigung der Umfassungsmauern und durch hohe Verandabildung der Schmiede aus. Die Schmiede hat oft genau so große Vorhallen wie die Hütte der Bosso von Sama, nur daß sie nicht mit Sekko geschlossen, sondern offen sind.

"Der Schmied" heißt utja, Plural: Bitjabe. Gerade hier bei dem ausgesprochenen Schmiedevolke, das zudem noch so viele Eigentümlichkeiten hat, als da sind Präfixsprache, archaistischer Blasebalg, archaistische Familienform usw. einem Volke, das infolge seiner bodenständigen, an den Ort gefesselten Industrieführung die Garantie guter Kulturerhaltung auch alter Güter bietet -gerade hier muß uns linguistische Vergleichung interessieren. Das Wort utja, der Stamm tja, ist uns schon als wichtiges Relikt im Anfange dieses Kapitels aufgefallen. Also tja hat dem Radixsinne nach nicht nur die Bedeutung von Mann, sondern auch die von Schmied. Vergleichen wir nun das Wort für Schmied (das Wort stammt von "Feuer"):

Bassari: utja, Plural: bitjab,
Kumangu: utja, Plural: bitjab,
Konkomba: udja, Plural: bitjab,
Kussari: sanja, Plural: Saba,
Bussangsi: sagh,
Gurunsi: ija-rro,
Moba: sa, Plural: saw,
Mossi (Wag.): seidja, Plural: seijeba,
Mossi (Penk): saba,
Djenna am Niger: sam oder sim, Plural: simba,
Soninke-Marka: Tage, Plural: Tagu,
Wolof: Tage, Plural: Tageja.

Wie ich an anderer Stelle zeigen werde, sind noch mehrere andere Radices für das Wort "Schmied"vorhanden, die entschieden entwicklungsgeschichtlichen Verbreitungsflächen entsprechen. In dem Gebiet, in welchem das Wort Dja oder Sa oder Za für Schmied in Anwendung ist, repräsentiert die Schmiedegenossenschaft im Gegensatz zu den im Westen herrschenden Zuständen, nicht eine Kaste und auch nicht etwa einen weniger geachteten Beruf. Im Gegenteil. Die Djaschmiede sind hoch angesehen, gelten als Leitende,



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als politisch Lenkende und mehrfach als Häuptlinge. — Daß Wolof und Garrakole die Bezeichnung Tage führen, die aus den Reihen der Westländer herausfällt und nach Osten weist, ist für die Beurteilung dieser Dinge im höchsten Grade wichtig.

Nach dieser Abschweifung wende ich mich der Schilderung der Märkte zu, auf denen das Eisen und andere Produkte des Bassaritenfleißes und der Bassarierde feilgehalten wurden.

Zu Markte gingen die Bassariten auch in früheren Zeiten, in denen man sonst nicht von Sicherheit der Straßen reden konnte, waffenlos, wenn auch truppweise. Hierin äußert sich der große, soziale Unterschied gegenüber den Transkarajern und benachbarten Gebirgsstämmen, bei denen die Märkte nur in Bewaffnung besucht wurden, da sie willkommenen Anlaß zu Reibereien und Raufereien boten. Auch gab schon in älteren Zeiten der Mann seiner Frau die Erlaubnis, ohne ihn, im Anschluß an Freundinnen, die Wanderung zum Markte anzutreten, woraus erhellt, daß für sie nichts zu befürchten war. Der Handel bedeutete eben für sie eine mächtige, alle sonstigen Widersächlichkeiten ausgleichende Macht. Und das Lebenselement dieser Macht, der Wächter des Marktfriedens, war das Eisen, zu dem die niederen Völker sich ärger drängten als heutige Völker nach Silber und Gold. Es war nicht das Metall, aus dem man die Waffen herstellte, sondern das Metall für das Ackerwerkzeug, welches solche Wirkung hatte. Das geht nicht nur daraus hervor, daß das Eisen in Form der Hackenblätter in den Handel kam und Geldessinn annahm, sondern das geht auch aus den Angaben der Völker hervor. Die Bassariten haben mir in abendlicher Plauderstunde genau das gleiche gesagt, was mir die Mandingo berichteten - nämlich daß der Bauer dem Schmied danke - nur daß das Verhältnis bei den Bassariten natürlicher ist. Die Bassariten achten den Schmied, während die Mande ihn als Kaste niedergedrückt haben und ihn nur fürchten. Wunderliches Produkt historischer Entwicklung!

Von weither kamen die Leute zum Quanja, zum Eisenmarkte von Bassari, um das wertvolle Material zu erwerben. Da waren zuerst die Binambe (Singular: Unanja), die Timleute aus Paratau, Tabailo und der Timebene, aus Bafilo und Dako, dann die Binangbambe (Singular: Unangbanja), das sind die Kabre, dann die Bidigbambi (Singular: Udugbanja oder Uduguanja), das sind die Dagomba. Nach unsern Begriffen ist das kein so sehr großer Umkreis, immer maß der Durchmesser des Landes, das von den Quanja sein Eisen bezog, auf dem Breitengrade ca. 200 Kilometer, das aber ist für die Bassariten schon "weither".

Im allgemeinen wurde das Eisen gegen Kauri gehandelt. Die Timleute brachten aber andere Artikel auf den Markt, von denen



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besonders folgende häufig gegen Eisen eingetauscht wurden: i. die großen Frauenpanjen, die Satawe (Singular: Sata oder Sa[ga]ta), die einen Wert von etwa 1500 Kauri hatten; 2. die Männerschurze, die zum Durchziehen eingerichtet waren, genannt Abandirre (Singular: Ibintirri), dem Werte nach 600 bis 1000 Kauri entsprechend; 3. Kalebassen, Tüjüte (Singular: Kuju), von denen die kleinen Deckelkalebassen für 500, die großen Tragkalebassen für 300 bis 500 Kauri abgegeben wurden. Das Merkwürdige an diesem Kalebassenhandel war, daß früher just wie heute nicht die Tim, sondern ein Bassaritenstamm, die Tschamba, diese Gefäße herstellten und daß so die Tim zwischen zwei Bassaritenstämmen den Zwischenhandel vermittelten. Auch einen andern Gegenstand haben die Tim angeblich eingeführt, die Tragbretter, bei Tim Fata, bei Bassari Kiplingo genannt. Im allgemeinen sind die Tragbretter der Tim scheibenförmig und rund, leicht konvex. Es fehlt ihnen der Tragrand, den die Bobosplitterstämme haben, und die Kassenabteilung, die bei den besseren Timstücken auffällt. Ich glaube also nicht so recht daran, daß die Bassariten das interessante Gerät erst durch die Tim kennengelernt haben.

Des weiteren wurden auf dem Markte Töpfe zum Verkauf gebracht. Die Töpferei besorgen im Bassarigebiet die Frauen des Moandeweilers. Der allgemeine Name für Topf ist Kumburru, Plural: Akumbo. Die üblichen Preise waren: ein Kochtopf ca. 100 Kauri, ein Soßentopf ca. 20 Kauri, ein Wassertopf ca. 150 Kauri. Die umwohnenden Bäuerinnen brachten: Guineakorn, die Last zu 500 Kauri, Jams, je 3 Stück 100 Kauri, Erdnüsse, je ein Handgriffhäufchen 5 Kauri. Natürlich fehlten auch nicht die auf allen Sudanmärkten üblichen Küchenbäckereien. Zwei Arten von Gebäck fand und findet man noch heute in Bassari auf dem Markte: i. die länglichen Kuchen aus Bohnenmehl, genannt Kalabondia (Plural: Akalaben), das Stück 5 Kauri; 2. die runden, kleinen Adallamehikrapfen, genannt Magasa (Plural: Magasebe), das Stück 5 Kauri, dem Ansehen und Geschmack nach genau dem gleichen Mandingoprodukt entsprechend; 3. runde Bohnenmehikrapfen, genannt Kalaman (Plural: Kalambe), das Stück 5 Kauri; Palmöl brachten wieder die Timleute, mit denen überhaupt ein reger, wechselseitiger Verkehr bestand.

Vieh wurde durch die Männer verkauft, und zwar das Huhn etwa 300, das Perlhuhn ca. 500, eine kleine Ziege etwa iooo, eine große etwa 2000, ein Schaf ca. 600 Kauri.

Die Marktplätze lagen früher und liegen heute noch unter großen, meist schattigen Bäumen, zumeist Baobabs. Die kleinen Steinhäufchen, die sich bei den Konkomba, Timleuten und nordöstlichen Gebirgsbewohnern die Marktweiber als Sitze zurechtlegen



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lassen oder legen, fehlen. Die Frauen sitzen auf kleinen Holzhockerchen, genannt Didjerre (Plural: Adjelle), die eine jede mitbringt. Jede Art von Marktaufseher fehlt stets, auch wurde weder an den Häuptling noch an sonst jemand irgendeine Marktabgabe gezahlt.

Endlich ist noch das beizufügen, was hinsichtlich der Arbeitsteilung unter die Geschlechter und einiger Industrien zu sagen ist. —Den Frauen fällt zu das Wassertragen, Feuerholzholen, Essenbereitung, Kinderfürsorge, Samenauslegung und endlich die Töpferei. Die Töpferei ist insofern interessant, als die Formmethode von der der meisten nordöstlichen Stämme abweicht. Der Kloß wird auch hier auf einen Topfscherben gelegt, der zu drehen ist und als primitive Töpferscheibe dient. Durch Eindrücken und Formen aus dem ursprünglichen Kloß heraus wird die Topfform herausgemodelt. Das "Wursteln" kommt so gut wie nicht vor. Durchaus eigenartig ist die Weise, wie bei enghalsigen Töpfen der Oberteil hergestellt wird, nämlich über einem Formholz. Das Verfahren wird von den Leuten selbst als altertümlich bezeichnet und ist nur noch wenigen bekannt.

Die Männer haben außer Hausbau, Feldarbeit und Schmiederei noch Holzschnitzerei und Flechterei. Körbe (Kakabogo, Plural: Takade) wissen viele herzustellen, ebenso die häufig getragenen riesigen Krempenhüte. Matten (Singular: Kakampego, Plural: Takampati) werden aus Streifen der Weinpalme in einfacher, diagonaler Flechtweise hergestellt. Die Mattenflechterei geht von Jahr zu Jahr zurück, ist jetzt schon selten und geht als Industrieoder Handelszweig mehr und mehr in die Hände der Tim von Bafilo über. Man zahlt für die feinen Bafilomatten ca. 1000, für die gröberen Bassarimatten etwa 500 Kauri pro Stück. Weberei fehlt.


Copyright: arpa, 2015.

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