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Kapitel 

VOLKSDICHTUNGEN AUS OBERGUINEA


I. BAND


FABULEIEN DREIER VÖLKER

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 4 BILDBEILAGEN

c) Hausbau, Gehöft, Brautausstattung

Das jung verheiratete Ehepaar löst sich als neue, selbständige Wirtschaftszelle aus väterlicher und mütterlicher Familienzugehörigkeit ab. Der junge Mann verläßt das väterliche Geschäft. Er gründet eine eigene Wohnstätte. Das erste, was er zu diesem Endzwecke tut, ist, daß er auf die Jagd geht und ihr solange obliegt, bis er ein großes Stück Wild zur Strecke gebracht hat. Das Wildbret dient ihm zum Anwerben freundlicher Mitarbeiter beim Gehöftbau. Die junge Frau kocht Speisen, große Schüsseln voll, oben darauf liegt ein lockender Fleischbrocken. Der Vater des jungen Ehemanns muß einmal seinen Geiz überwinden und anstandshalber Guineakorn herausrücken, aus dem die junge Frau große Töpfe voll braut. Darauf kommen dann Freunde und Freundinnen herbei und helfen beim Bau.

Die Ortschaften der Bassari liegen - im Gegensatze zur Ortsanlage bei Konkomba, Moba, Tschekossi usw. —geschlossen und nicht in weiter Zerstreuung zwischen den zugehörigen Farmen. In oder an das geschlossene Dorf klebt der junge Ehemann nun sein neues Gehöft. Man findet, seitdem in vergangener Zeit Krankheiten die Bewohnerschaft am Bassariberge arg dezimiert haben, allenthalben eingefallene Gehöfte. Mauern sind eingestürzt, der Boden ist hügelig und man braucht nur die höheren Stellen wegzuräumen, um genug Material zum neuen Bau zu gewinnen.



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Kornstampfende Frauen (Banjeli, Nord-Togo, Bassari)



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Das ist die Arbeit halbwüchsiger Jungen. Sie hacken mit der Bassarihacke die aus "zerflossenen" Mauern entstandenen Unebenheiten des Bodens ab und auf, werfen zuweilen die alten Mauerreste um - zuweilen ist man faul genug, sie zu erhalten und von ihnen aus das Abgestürzte durch neues Mauerwerk zu ergänzen - und stellen jedenfalls auf einer verhältnismäßig planen Fläche ein Trümmerfeld von lehmigen Erdklößen her. Danach werden die Hacken weggelegt und die Burschen nehmen ordentliche Holzknüppel zur Hand, mit denen sie die Erdklöße gründlich zerschlagen. Ein muffiger Staub erfüllt die Luft.

Die erste Arbeit der Jungen ist damit vollendet. Nun kommen Mädchen und Frauen und schleppen Wasser herbei. Das Wasser wird kübeiweise auf die zermalmte Erde gegossen, und dann ein teigiger Brei durch Treten angerührt. Dabei sind dann schon die Männer beteiligt, indem der eine oder andere durch Mittreten gutes Beispiel gibt, die meisten aber, indem sie beobachten und prüfen, ob der Lehm auch gut gemengt ist. Denn es muß ein gleichmäßig gemischter Teig sein, sonst hält das Mauerwerk nicht.

Am gleichen Tage noch beginnt der eigentliche Hausbau. Ein darin geübter Mann zieht mit einem Stock im Boden einen Kreis, den Grundriß der Hütte. Dann packen mehrere Männer an. Die Jungen reißen aus dem Lehmbrei tüchtige Fetzen los und formen sie mit den Händen zu Ballen von etwa Vierfauststärke. Die fast kugeligen Ballen werden von den Männern übernommen. Meist knetet der Mann den Ballen noch einmal durch, und wenn er ihm zu feucht scheint, wälzt er ihn auch wohl erst über den trockenen, staubigen Boden. Dann "kleben" die Männer die Mauer auf - erst im Ring auf dem vorgezeichneten Kreise und dann höher. Jeder steht an seiner Stelle, es geht nicht etwa jeder rund herum. Um eine Hüttenmauer herum arbeiten ungefähr fünf bis sechs Männer.

Die Bassariten kennen also den lufttrockenen Ziegel nicht. Sie kleben in der primitivsten Weise gleich den afrikanischen Wespen aus feuchten Ballen die Mauern zurecht. — Das Mauerwerk ist zunächst schwarz. Wenn man ein ca. zwei Fuß hohes Stück fertig hat, wartet man ein wenig, vielleicht einen, höchstens zwei Tage und klebt dann weiter, bis man die bis zwei Meter hohen Wände fertig hat. Gleichzeitig mit der Klebarbeit verrichten die Männer das Abrunden und Glätten der Mauern.

Bei der üblichen Wohnhütte wird eine Tür nicht ausgespart. Wenn die Mauer hochgeführt ist, nimmt ein geschickter Mann die Hacke und kratzt und hackt die Linie in die Wand, die die Türöffnung darstellen soll. Dann wird die Öffnung herausgeschlagen und der Rand geglättet.



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Das übliche Bassaritengehöft besteht gleich dem Konkombagehöft zumeist aus einer Eingangshütte, zwei bis vier Wohnhütten, einem Stall und eventuell noch einigen in die Mauer eingelassenen Kegelpfeilern, deren hohles Innere als Stall dient. Diese Kegelpfeiler sind besonders in Kabu häufig in den Mauern zu beobachten, während sie bei den Konkomba und den eigentlichen Bergbassariten als Türpfeiler der Durchgangshütte errichtet sind und hier ein konstruktives, die Mauer abschließendes und somit haltendes Glied repräsentieren. Indem ich auf die entsprechenden Zeichnungen eines Konkombagehöftes verweise, glaube ich im allgemeinen der näheren Schilderungen überhoben zu sein.

Nun sei einer Variante der Bassariten gedacht, die interessant genug ist, um erwähnt zu werden. Ich fand diese Kegeipfeiler nicht als Türpfeiler, sondern als stützendes Glied in der Mitte einer längeren Mauer eingelassen. Bei dieser war nämlich die "Kuppelspitze" durch einen umgekehrten Kochtopf gebildet, eine ebenso einfache wie glückliche Lösung des Problems des Abschlusses. — Auf diese Kegel- und Säulenpfeiler kam ich schon bei Behandlung der Transkarabauten zu sprechen. Die kümmerlichen Anfänge sah ich seinerseits gelegentlich der Uolosso-bugu-Reise - die gewaltigste Ausgestaltung beobachtete Hugershoff bei den Karborro.

Nach Herstellung der Hütten- und Verbindungsmauern gehen die Leute an die Herstellung der Dächer. Zur Aufrichtung der Mauern benötigt man etwa vier bis sechs Tage, dann kommt ein Ruhetag, an dem die Sonne das letzte Trockenverfahren zu erledigen hat und in dessen Verlauf die Burschen durch den Busch ziehen, um Bambus zu schlagen. Strohbündel sind schon im Frühling geschnitten und seit jener Zeit in der Sonne ausgedörrt. — Das wird nun zusammengebracht. Die Bambusse werden untereinander verbunden, dann werden die Grasbündel darüber auseinandergerollt. Die drei bis vier Dächer des Gehöftes sind in nicht mehr als zwei Tagen fertiggestellt, so daß die Errichtung der neuen Behausung kaum mehr als eine Woche beansprucht.

Wenn nun alles vollendet ist und die Leute heimgehen, so schlachten die abziehenden Mädchen am ersten Kreuzwege einen Hahn. Das soll Glück bringen.— Nun bleibt nur noch eines: der Wandschmuck. Die älteren. schön erhaltenen Konkomba- und Bassarigehöfte sind nach der Hofseite mit hübscher Strichornamentierung der Hütteneingänge versehen. Die Muster sind eingekratzt. Die Kehlen sind mit Farbe ausgemalt. Die Oberfläche aber ist glattgerieben, und diese Arbeit verrichten die beiden Mütter (die des Ehemannes und die seiner jungen Frau).

Ein neues Bassarigehöft sieht schmuck und sauber aus. Aber



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dieser Zustand währt nur bei den Einzelhöflern lange. Es ist fast so, als vertrügen diese Einrichtungen nicht eine gruppenweise Vereinigung, als trage das Beispiel eines einzigen, unordentlichen Baues die Spuren der Vernachlässigung und des Zerfalles über das ganze Gemeindewesen.

Das Stück eines Bassariweilers habe ich aufgenommen, aber ich fürchte fast, daß ich ein falsches Bild gebe, denn ich habe eine möglichst gut erhaltene Ecke, und zwar die, nachdem sie repariert war, ausgewählt. In den Vordergrund muß ich die Angabe stellen, daß der Stoffwechsel der Bassariniederlassungen ein außerordentlich schneller ist und daß zweitens die meisten Leute zur Erhaltung nicht viel tun. Oben wurde die Bauweise in Klebmanier ohne Verwendung von Trockenziegeln erwähnt. Das Mauerwerk zerschmilzt ebenso schnell, wie es aufgerichtet ist. Sobald das Dach an einer Ecke schadhaft ist und der Regen Eintritt erhält, beginnt er sein Zerstörungswerk und beeilt sich eine Rinne zu schaffen, hie und da die löslichen Bestandteile herausschälend. Weiterhin zeigen die die Hütten verbindenden Mauern eine entschiedene Neigung, nach außen umzufallen, und wenn dann nicht beizeiten ein mit einem Stein beschwerter Gabelbalken als Stütze aufgerichtet wird, so ist das Unglück geschehen. Wo das Rindvieh durch die Torhütten einund auszugehen die Gewohnheit hat, da werden die Kegeipfeiler durchgescheuert und stürzen ein. Wenn in zwei benachbarten Gehöften zwei Freundinnen sind, so wird ihnen der Umweg durch die Tore bei den häufigen Besuchen bald zu dumm. Sie steigen über ein verbindendes niedriges Mauerstück, brechen wohl auch ein wenig ab, und so liegt es bald als zusammengetretener Erdhaufen am Boden, als letzter Rest des Weilers.

Und niemand tut etwas zur Erhaltung. Oft sterben auch alte Leute, deren Nachkommen schon längst eigene Gehöfte gebaut haben. Man läßt ihre Wohnungen einfallen, wann und wie sie wollen, und es ist durchaus üblich, daß der Nachbar auf dem Trümmerhaufen, nachdem er ein wenig behackt ist, seine Tabakspflanzungen setzt. Und so zerfällt das Ganze immer weiter. Je mehr alte Leute, desto schlimmer der Zustand.

Im Fortspinnen unseres Fadens sei bei Aufzählung des üblichen Gerätes zunächst das erwähnt, was die junge Frau als Ausstattung von der Mutter mit in die Ehe bekommt:

i. vier tellam (große Töpfe, Singular: Kellam),
2. vier allambille (kleine Töpfe, Singular: Dellambirre),
3. einen dukumburre (Eßkochtopf, Plural: Akumbu),
4. einen kokumboge (Soßentopf, Plural: Nkunbobeam),
5. einen dissambirri (Teller, Plural: Assambirre),
6. einen mpugele (Kalebassenlöffel, Plural: epugele),



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7. eine kelanju (Tragkalebasse) oder ein kepellungo (Tragbrett, Plural: kepellini), das aber früher unbekannt war und erst durch die Kotokolli eingeführt worden ist. Dazu dann noch: 8. Salz =njam, 9. Pfeffer =jeging, 10. Okro =jimma, 11. Gewürz =tikjunn, 12. Stoff = Satta (Plural: Sattawe).

Der Vater der Braut schlachtet außerdem am Einzugstage, wenn möglich, einen Ochsen und gibt der Tochter eine Keule mit in den Haushalt. Dagegen erhält der junge Ehemann außer dem oben erwähnten Guineakorn, das für Bier beim Hausbau dient, nichts, angeblich gar nichts, so daß der junge Mann sich sein Saatkorn erst selbst verdienen muß, das Ackerland selbst aufwerfen muß, die Viehzucht von Anfang an selbst beginnen muß. Wie der junge Mann zu den ersten grundlegenden Schätzen kommt, ist mir schleierhaft geblieben.

In den Haushalt hat der Mann noch zu liefern:

i. den Stampfmörser (Okunto, Plural: Tokuntote),
2. die Mörserkeule (Kondure, Plural: Ikuntodo),
3. Körbe (Takabade, Singular: Kakabogo),
4. den Mahlstein (kunauwa, Plural: Tenate).
Von diesen sucht man den letzteren am Flußufer; man kauft
die Körbe auf dem Markte, und der Mann schnitzt die ersten beiden
in seinen Mußestunden.


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