Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM LIEBESPAAR IN DER SCHULE

Ein freier Jüngling und eine junge Sklavin besuchten einst die gleiche Schule; und der Jüngling wurde von der Liebe zu dem Mädchen ergriffen - — «

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 365. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Jüngling von der Liebe zu dem Mädchen ergriffen wurde und ihr in leidenschaftlicher Neigung zugetan war. Und eines Tages, als die anderen Knaben nicht auf ihn achteten, nahm der Jüngling die Tafel der Sklavin und schrieb darauf diese beiden Verse:

Was sagst du nur von dem, den übergroße Liebe
Zu dir so krank gemacht, daß er ganz ratlos ist?
Er klagt das Leiden nun, in Sehnsucht und in Schmerzen;
Er kann nicht mehr verbergen, was ihm das Herz zerfrißt.

Als die Sklavin ihre Tafel nahm, sah sie diese Verse, die darauf geschrieben standen; und nachdem sie sie gelesen und ihren Sinn



1000-und-1_Vol-03-438 Flip arpa

verstanden hatte, begann sie aus Mitleid mit ihm zu weinen, und sie schrieb unter die Zeilen des Jünglings diese beiden Verse:

Wenn wir den, der da liebt, in seinem schweren Leid
Der Liebe schaun, so sei ihm unsre Huld geweiht.
Er soll den Liebes wunsch bei uns erfüllet sehn;
Und was geschehen soll, das möge dann geschehn!

Nun aber traf es sich, daß der Lehrer zu ihnen trat und die Tafel fand, als sie es nicht sahen. Er nahm sie auf und las, was auf ihr geschrieben stand; und da er Mitleid mit ihrer Not empfand, schrieb er unter das, was sie geschrieben hatten, diese beiden Verse:

Geh hinzu deinem Lieb und fürchte nicht die Folgen;
Denn wer da liebt, ist ganz verstört von Leidenschaft.
Und sei auch ohne Sorgen vor des Lehrers Strenge;
Er fühlte ja schon lang vor euch der Liebe Kraft.

Und weiter traf es sich, daß der Herr der Sklavin damals in die Schule kam und die Tafel des Mädchens fand. Als er auf ihr die Worte des Jünglings und der Sklavin und auch die des Lehrers gelesen hatte, schrieb er noch unter das, was all die anderen geschrieben hatten, diese Verse:

Euch trenne Allah nie in eurem ganzen Leben;
Und wer euch feind ist, soll im Elend untergehn!
Jedoch der Lehrer ist, bei Gott, der größte Kuppler,
Den meine Augen je in dieser Welt gesehn.

Darauf sandte der Herr der Sklavin nach dem Kadi und den Zeugen und ließ die Eheurkunde für die Sklavin und den Jüngling im Hause niederschreiben. Dann rüstete er für die beiden zum Hochzeitsfeste und beschenkte sie aufs reichste und beste; und sie lebten immerdar herrlich und in Freuden. bis Der zu ihnen kam, der die Freuden schweigen heißt, und der die Freundesbande zerreißt.



1000-und-1_Vol-03-439 Flip arpa

Ferner wird erzählt


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt