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Kapitel 

DIE ATLANTISCHE GÖTTERLEHRE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1926

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT EINER FARBIGEN TAFEL, 16 KARTEN

UND 87 ZEICHNUNGEN IM TEXT

49. Orisa gibt Ahun die Kalebasse

Ahun (die Schildkröte) hatte keine Egba-momi (Trinkkalebasse) wie die Jäger und andern Leute. Ahun ging auf den Markt und sah sich nach einer Kalebasse um. Er fand aber keine Kalebasse. Ahun ging zu Orisa. Orisa fragte ihn: "Was willst du?"Ahun sagte: "Ich bin überall herumgegangen und habe mich umgesehen, ob ich keine Trinkkalebasse kaufen kann. Der Jäger und alle Leute haben eine Trinkkalebasse. Ich habe keine Trinkkalebasse und weiß auch nicht, wie ich sie gewinnen kann. Auf dem Markte gibt es auch keine zu kaufen." Orisa sagte: "Was willst du ?"Ahun sagte: "Ich möchte dich um eine Trinkkalebasse bitten!" Orisa sagte: "Ich will deinem Wunsche nachkommen. Nimm diesen Kürbis (=Kalebassen-)



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samen. Pflanze ihn. Du wirst einen sehr schönen Kürbis haben. Vergiß aber eins nicht: Wenn die Pflanze in deiner Farm aufgeht, darfst du nie mit ihr sprechen. Von euch beiden darf keiner antworten, sonst ist es schlecht. Merke dir das!" Orisa gab Ahun den Samen. Ahun nahm ihn und sagte: "Ich werde nicht vergessen, was du mir sagtest. Das ist sehr gut für mich."

Ahun pflanzte den Kürbissamen in seiner Farm. Ahun ging jeden Tag hin und sah nach den Samen. Der Same keimte. Ahun ging hin, sah nach dem Samen und sagte: "Samen, keimst du?" Der Kürbiskeim sagte: "Du keimst auch." — Der Keim zeigte zwei Blätter. Ahun ging hin, sah es und sagte: "Du wächst mit zwei Blättern." Die Kürbispflanze sagte: "Mein Ahun, du wächst auch mit zwei Blättern." — Die Pflanze bekam nach einiger Zeit vier Blätter. Ahun ging hin, sah es und sagte: "Meine Kürbispflanze, du hast schon vier Blätter!"Die Kürbispflanze sagte: "Mein Ahun, du hast auch vier Blätter!" —Die Pflanze bekam mit der Zeit viele Blätter. Ahun ging hin, sah es und sagte: "Meine Kürbispflanze, du bekommst viele Blätter!" Die Kürbispflanze sagte: "Mein Ahun, du bekommst auch viele Blätter." — Die Kürbispflanze wuchs nach verschiedenen Seiten. Ahun kam hin, sah es und sagte: "Meine Kürbispflanze, du wächst rund herum." —Die Kürbispflanze sagte: "Du wächst auch rund herum." Die Kürbispflanze setzte endlich eine Frucht an. Ahun ging hin. Er sah es und sagte: "Meine Kürbispflanze, du setzt eine kleine Frucht an." Die Kürbispflanze sagte: "Du setzt auch eine kleine Frucht an." — Der Kürbis wurde groß. Ahun ging hin. Ahun sah es. Ahun sagte: "Mein Kürbis, du wirst schon groß." Der Kürbis sagte: "Mein Ahun, du wirst auch schon groß." — Der Kürbis wurde reif. Ahun ging hin, sah es und sagte: "Mein Kürbis, du bist bald reif, gepflückt zu werden." Der Kürbis sagte: "Du bist auch reif, gepflückt zu werden." — Der Kürbis bekam eine harte Schale. Ahun ging hin, sah es und sagte: "Du scheinst hart." Ahun faßte den Kürbis an, drückte den Fingernagel hinein. Der Kürbis sagte: "Du scheinst auch hart." Der Kürbis drückte Ahun mit dem Fingernagel. —Der Kürbis ward reif und hart.

Ahun ging hin und sah, daß der Kürbis reif war und hart. Ahun nahm ein Messer. Ahun sagte: "Mein Kürbis, jetzt werde ich dich abschneiden!" Der Kürbis sagte: "Mein Ahun, ich werde dich auch abschneiden!" Ahun sagte: "Ich schneide." Ahun schnitt den Kürbis ab. Der abgeschnittene Kürbis sagte: "Ich schneide." Der abgeschnittene Kürbis sprang auf und auf Ahun zu. Ahun wandte sich



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um und lief fort. Ahun rief: "Der Kürbis jagt mich fort. Der Kürbis hat keine Hände. Der Kürbis hat keine Füße zum Laufen. Der Kürbis jagt mich fort." Ahun lief sehr schnell von dannen. Der Kürbis rannte sehr schnell hinter ihm her.

Ahun lief schnell von dannen. Er kam zu einem Manne. Er sagte zu dem Manne: "Hilf mir! Der Kürbis Orisas ist hinter mir!"Der Mann sagte: "Nein, ich kann dir gegen den Kürbis Orisas nicht helfen." —Ahun lief schnell weiter. Der Kürbis lief hinter ihm her. Ahun kam zum Elefanten (Erri). Ahun sagte zum Elefanten: "Hilf mir, der Kürbis Orisas ist hinter mir!" Der Elefant sagte: "Nein, ich kann dir gegen den Kürbis Orisas nicht helfen!" —Ahun lief schnell weiter, der Kürbis lief hinter ihm her. Ahun kam zum Leoparden (Ekun). Ahun sagte zum Leoparden: "Hilf mir, der Kürbis Orisas ist hinter mir!" Der Leopard sagte: "Nein, ich kann dir gegen den Kürbis Orisas nicht helfen!" —Ahun lief schnell weiter. Der Kürbis Orisas lief hinter ihm her. Ahun kam zum Büffel. Der Büffel wollte ihm nicht helfen. Ahun kam zur großen Antilope. Die große Antilope wollte ihm nicht helfen. Kein Buschtier wollte ihm helfen.

Ahun lief schnell weiter. Der Kürbis Orisas lief hinter ihm her. Ahun kam zu Agbo (Schafbock). Ahun sagte: "Agbo hilf mir, der Kürbis Orisas ist hinter mir!"Agbo sagte: "Komme nur! Verstecke dich hinter mir! Ich will es fertig machen!" Ahun versteckte sich hinter Agbo. Der Kürbis kam herangelaufen. Agbo erwartete ihn. Als der Kürbis sich über Agbo auf Ahun stürzen wollte, packte Agbo ihn mit den Hörnern und zertrümmerte ihn. Der Kürbis Orisas war zertrümmert.

Agbo sagte zu Ahun: "Ich habe für dich den Kürbis zertrümmert. Nun zahle mir!" Ahun sagte: "Ich habe nichts, was ich dir geben könnte. Ich will für dich arbeiten!"Agbo sagte: "Es ist mir recht, Komm und arbeite auf meiner Farm!" Ahun kam mit. Agbo ging mit der Hacke voraus bei der Arbeit. Ahun folgte ihm. Wenn Ahun von der Arbeit aufsah, erblickte er den Hodensack Agbos. Ahun sagte (für sich, aber halblaut): "Agbos Hodensack muß gutes Fleisch haben. Ich möchte Agbos Hodensack wohl abschneiden und essen." Agbo wandte sich um und sagte: "Was sagst du?" Ahun sagte: "Oh, ich sagte nur, daß deine Farm groß ist."Agbo sagte: "Es ist besser, du gehst vor mir und schlägst Gras ab!" Ahun sagte: "Als Orisas Kürbis hinter mir kam, sagtest du, ich solle hinter dich treten. Seitdem fühle ich mich hinter dir so sicher. Laß mich hinter dir!"Agbo sagte: "Es ist gut. Bleib denn hinter mir!"



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Ahun blieb hinter Agbo. Ahun ging immer hinter Agbo her. Ahun sah immer Agbos Egban (Skrotum). Ahun sagte (für sich, aber halblaut): "Sieh nur Agbos Hodensack! Agbos Hodensack muß gutes Fleisch haben. Ich möchte Agbos Hodensack wohl abschneiden und essen."Agbo wandte sich um und sagte: "Was sagst du?" Ahun sagte: "Oh, ich sagte nur, wie herrlich dein Guineakorn steht!"Agbo sagte: "Ja, mein Guineakorn steht recht gut!"

Nach einiger Arbeit kamen Agbo und Ahun an die andere Seite der Farm. Sie begannen die Arbeit von neuem zurückkehrend. Ahun ging hinter Agbo her. Ahun sah immer Agbos Hodensack. Ahun sagte (für sich aber haiblaut): "Sieh nur Agbos Hodensack! Agbos Hodensack muß gutes Fleisch haben. Ich möchte Agbos Hodensack wohl abschneiden und essen."Agbo wandte sich um und sagte: "Was sagst du?" Ahun sagte: "Oh, ich sagte nur, wie herrlich dein Hodensack sei. Ich sagte, daß dein Hodensack gutes Fleisch haben müsse. Ich möchte deinen Hodensack wohl abschneiden und essen." Ahun nahm eine Hacke auf, um nach Agbos Hodensack zu schlagen. Agbo hörte, was Ahun sagte. Agbo sah die erhobene Hacke. Agbo sprang auf und lief fort. Agbo lief zu einem Baum mit großen Wurzeln. Agbo wollte unter die Wurzeln kriechen.

Agbo wollte unter die Wurzeln kriechen. Er stieß aber mit den Hörnern an und kam nicht herunter. Ahun griff unter die Wurzeln. Er packte Agbos Bein und zog daran. Ahun wollte Agbo wieder herausziehen. Agbo sagte: "Mein Ahun, weshalb ziehst du an dem Wurzelholz? Mein Bein ist daneben!" Ahun ließ Agbos Fuß frei und packte die Wurzel. Ahun zog und zog. Agbo lief (inzwischen) auf der andern Seite heraus. Ahun sah es, kam auch aus der Höhle unter den Baumwurzeln heraus und versteckte sich hinter dem Baume.

Nach einiger Zeit kam Agbo mit einem Feuerbrande wieder. Er glaubte, daß Ahun in der Höhle unter den Baumwurzeln sei und wollte ihn durch Feuer und Rauch töten. Agbo hielt den Brand unter die Baumwurzeln. Inzwischen nahm Ahun ein Gabelholz. Er kam von hinten auf Agbo zu und drückte den Kopf Agbos mit dem Gabelholze nieder. Ahun drückte Agbos Kopf in den Feuerbrand. Agbos Kopf verkohlte. Agbo war tot.

Ahun nahm den toten Agbo auf. Er trug ihn heim. Er zerlegte ihn. Er gab das Fleisch seiner Frau und sagte: "Tue das Fleisch in einen Topf. Wir wollen es essen." Die Frau tat es. Als der Topf mit dem Fleische auf dem Feuer stand, ging Ahun fort. Ahun ging zu Adja (dem Hunde), der ein Schmied war und bei dem er den Blasebalg



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stoßen mußte. Ahun setzte sich bei Adja an das Feuer und stieß den Blasebaig. Ahun sang dazu: "Das Fleisch von Agbo ist im Topfe auf dem Feuer und gut gekocht. Das Fleisch von Agbo ist im Topfeauf dem Feuer und gut gekocht!"Adja hörte das. Adja sagte: "Stoße nur weiter. Ich gehe nur ein wenig hinaus. Sieh, daß das Feuer nicht ausgeht."Adja ging hinaus. Ahun stieß den Blasebaig und sang: "Das Fleisch von Agbo ist im Topfe auf dem Feuer und gut gekocht! Das Fleisch von Agbo ist im Topf auf dem Feuer und gut gekocht!"

Adja ging in Ahuns Haus. Adja sagte zu Ahuns Frau: "Dein Mann sagt mir, Agbos Fleisch sei im Topfe auf deinem Feuer. Es sei jetzt genug gekocht. Du sollst mir den Topf geben."Die Frau Ahuns gab Adja den Topf mit dem Fleische Agbos. Adja nahm den Topf, ging beiseite und fraß alles auf. Dann ging Adja zurück zur Schmiede. In der Schmiede saß Ahun und sang: "Das Fleisch Agbos ist im Topfe auf dem Feuer und gut gekocht. Das Fleisch Agbos ist im Topfe auf dem Feuer und gut gekocht!"Adja sagte: "Du stößt den falsch. Singe lieber: Das Fleisch Agbos war im Topfe. Es war gut gekocht. Jetzt ist es zu Ende."

Ahun sprang auf. Ahun ging hinaus. Ahun ging nach Hause zu seiner Frau. Er sagte zu seiner Frau: "Jenibo (das ist der Name der Frau Ahuns)! Wo ist mein Essen?"Jenibo sagte: "Hast du nicht Adja gesandt, es zu holen? Hat nicht Adja den Topf von hier mitgenommen ?"Ahun sagte: "Nein, ich habe Adja nicht gesandt."Dann nahm Ahun eine alte Hacke und ein Stück Eisen. Er brachte sie zu Adja und sagte: "Schmiede mir dieses gut!"Adja nahm das Eisen. Er legte es ins Feuer. Als es glühend war, sprang Ahun auf, riß es aus dem Feuer und brannte damit die Nase Adjas.

Daher ist bis heute die Nase des Hundes schwarz.


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