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Kapitel 

DIE ATLANTISCHE GÖTTERLEHRE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1926

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



Atlantis Bd_10-000.4 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT EINER FARBIGEN TAFEL, 16 KARTEN

UND 87 ZEICHNUNGEN IM TEXT

32. Ahun und Adjas tote Mutter

Es war kein Essen in der Welt. Niemand in der Welt hatte Essen. Die Mutter Adjas (des Hundes) war krank. Adja sagte: "Meine Mutter, du bist krank. Wenn du nun stirbst, wo soll ich dann Essen bekommen?"Adjas Mutter sagte: "Wenn ich sterbe, so begrabe mich dort unter jenem Stein; so oft dich dann hungert, gehe an den Stein, klopfe an und sage: ,Okutela! Okutela' (Stein öffne dich! Stein öffne dich!) Dann werde ich dir aufmachen und dich hereinlassen und dir gutes Essen geben! Singe dann nur an der Tür. Wenn ich dich an der Tür singen höre, werde ich dir aufmachen."Adja sagte: "Es ist recht. Ich werde es mir merken."

Nach einem Monat starb Adjas Mutter. Adja begrub seine Mutter, wie ihm geheißen war, unter dem Stein. Alle Welt hatte nichts zu essen. Die Hühner hatten kein Essen; die Schafe hatten kein Essen; die Menschen hatten kein Essen. Zwei Monate vergingen und Adja sagte: "Meine Mutter sagte mir, ich solle, wenn ich hungere, zu ihrem Grabe kommen, jetzt werde ich hingehen!"Adja ging zu dem Stein, unter dem seine Mutter begraben war. Adja sang: "Okutela! Okutela! Meine Mutter soll mir Essen geben! Meine Mutter soll mich baden. Nachher will ich dann wieder fortgehen!" Der Stein öffnete sich. Adja ging hinein. Seine Mutter gab ihm alles. Der Hund blieb sechs Tage darin.

Adja kam wieder heraus. Adja traf Ahun. Ahun sagte: "Alle Leute sind trocken (soll heißen: haben vor Hunger welke Haut). Nur du hast eine fette Haut. Laß mich Freundschaft mit dir machen und sage mir dann alles."Adja sagte: "Ahun, du bist nicht gut. Duwürdest alles, was ich dir sage, aller Welt erzählen."Ahun sagte: "Nein, das werde ich nicht tun!"Adja sagte: "Dann setze dich heute zu mir!" Adja ließ Ahun bei sich sitzen. Dann ging Ahun fort. Adja ging auch fort. Adja ging zu dem Steine, unter dem seine Mutter begraben war. Adja ging hinein. Adja blieb drei Tage darin. Seine Mutter gab ihm viel Essen. Dann kam Adja wieder heraus.

Ahun traf Adja. Ahun sagte: "Was mich früher so viel reden



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machte, das waren drei Ogun (magische Mittel). Die machten, daß ich alles allen immer erzählen mußte. Das eine Ogun habe ich auf einem Baume liegen lassen; das zweite verlor ich vor Hunger am Wege; das dritte habe ich in einem Sacke unter meinem Arm. Wenn es herauskommen will, bekommt es Schläge. Seitdem rede ich nichts mehr." Adja sagte: "Es ist gut. Wenn es so ist, werde ich dich einmal mitnehmen dahin, wo ich immer Essen bekomme. Aber sage niemand etwas davon."Ahun sagte: "Ich will sicher niemand davon erzählen."

Adja nahm Ahun mit sich. Er ging zu dem Steine, unter dem seine Mutter begraben lag. Er sagte: "Okutela! Okutela! Stein öffne dich! Stein öffne dich für den Sohn meiner Mutter und seinen Freund!" Der Stein öffnete sich. Adja ging mit Ahun hinein. Die Mutter Adjas gab ihnen zu essen. Sie aßen sich beide satt. Drei Tage blieben sie darin. Adja sagte: "Nun wollen wir wieder gehen!" Ahun sagte zu Adjas Mutter: "Gib mir ein Bündel Speise, das ich mir an das eine Bein binde. Gib mir ein Bündel Speise, das ich mir an das andere Bein binde. Gib mir ein Bündel Speise, das ich mir an den einen Arm binde. Gib mir ein Bündel Speise, das ich mir an den andern Arm binde. Gib mir ein Bündel Speise, das ich mir auf den Kopf binde." Adja sagte: "Habe ich dir nicht vorher gesagt, daß du schlecht bist? Fängst es jetzt schon an?" Ahun sagte: "Was soll ich tun, wenn ich hungrig bin? Du kannst zu deiner Mutter gehen und dir Essen geben lassen, wann du willst. Mir gibt niemand etwas. Wo soll ich nachher nehmen?"Adjas Mutter sagte: "Laß deinen Freund nur mitnehmen!" Ahun erhielt alles. Adja und Ahun gingen nach Hause.

Als Ahun nach Hause gekommen war, sagte er: "Lauft zum König und sagte ihm, daß ich weiß, wo man viel Essen bekommen kann." Die Leute gingen. Die Leute sagten es dem König (Mesi). Der König sagte zu einigen Leuten: "Geht hin in Ahuns Haus und seht, was daran wahr ist." Die Leute kamen zu Ahun. Ahun gab ihnen vom Essen der Mutter Adjas. Die Leute brachten die Speise dem Mesi und sagten: "Hier ist davon! Es ist wahr!" Der Mesi aß davon und sagte: "Das ist sehr gut. Gebt Ahun einige Leute mit und laßt sehr viel davon bringen!"

Die Leute des Mesi kamen zu Ahun. Ahun ging mit den Leuten zu dem Steine, unter dem Adjas Mutter begraben lag. Ahun sang: "Okutela! Okutela!" Aber der Stein öffnete sich nicht. Die Leute, die mit Ahun gekommen waren, sagten: "Willst du uns hier etwa belügen?" Die Leute nahmen Ruten. Sie schlugen Ahun. Sie schlugen Ahun sehr. Sie schlugen Ahun tot.



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Am andern Tage ging Adja zu dem Steine, unter dem seine Mutter begraben lag. Er sah den toten Ahun davor liegen. Er sagte: "Habe ich nicht vorhergesagt: ,Ahun, dich wird dein Mund töten?"Adja sang: "Okutela! Okutela! Stein öffne dich für den Sohn meiner Mutter." Der Stein öffnete sich. Adja ging hinein. Adjas Mutter kam ihm entgegen. Adjas Mutter sagte: "Gestern sang einer an der Tür. Ich sandte ein Mädchen, daß es nachsehe, was es sei. Das Mädchen sagte, es seien viele Leute. Das Mädchen sagte, du seiest nicht dabei. Ich ließ die Türe geschlossen."Adja sagte: "Sagte ich nicht, daß Ahun ein schlechter Mann ist?!"


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