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Kapitel 

DIE ATLANTISCHE GÖTTERLEHRE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1926

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT EINER FARBIGEN TAFEL, 16 KARTEN

UND 87 ZEICHNUNGEN IM TEXT

29. Tierwettlauf

Effa, der Büffel, ging an einen Fluß. Er wollte trinken. Er trat in das Wasser und begann zu trinken. Das hörte Oquollo (der Frosch). Oquollo steckte den Kopf aus dem Wasser und rief: "Wer ist denn da an dem Flusse?"Effa antwortete:,, Ich bin es! Ich Effa!" Oquollo antwortete: "Trinkt denn da nicht einer aus dem Fluß?"Effa antwortete: "Ich bin es! Ich Effa trinke aus dem Fluß."Oquolloantwortete: "Und du fragst mich nicht um Erlaubnis? Hast du mich nicht um Erlaubnis zu fragen? Gehört dieser Fluß nicht mir?"Effa sagte: "Ich weiß nicht, wem dieser Fluß gehört! Ich will das auch nicht wissen! Ich trinke dich mitsamt deinem Fluß weg."Oquollo sagte: "Du denkst, ich fürchte dich, weil du glaubst größer und stärker zu sein?" Effa sagte: "Du glaubst gar noch stärker zu sein als ich!" Oquollo sagte: "Soll ich dir einmal zeigen, daß ich stärker bin als du?" Effa sagte: "Es ist mir recht."Oquollo sagte: "Wollen wir morgen hier zusammenkommen um ein San (Wettrennen) zu veranstalten?" Effa sagte: "Es ist mir recht."

Am Abend rief Oquollo alle, alle Frösche im ganzen Lande, zwischen dem Meer und Niger zusammen. Nachts kamen sie alle und Oquollo sagte: "Effa hat mich heute beleidigt. Effa hat alle Frösche beleidigt. Effa hat gesagt, er könne alle unsere Flüsse und Bäche austrinken und uns dabei mitsamt herunterschlucken. Morgen will er mit Oquollo um die Wette laufen. Er sagte, er käme überall früher an als Oquollo. Ihr müßt euch nun in allen Flüssen und Bächen verteilen und überall, wo er an Wasser kommt, rufen: Hier ist der Frosch! "Hier istder Frosch! So müßt ihr tun und wohl aufpassen." Die andern Frösche sagten: "Es ist recht. So wollen wir es tun!"

Am andern Tag kam Effa am Fluß Oquollos an. Effa sagte: "Hier bin ich!" Oquollo sagte: "Wir wollen nun um die Wette laufen." Effa sagte: "Gut, das wollen wir tun."Oquollo sagte: "Ich bin ein Wassertier; ich werde durch die Bäche und Flüsse laufen." Effa sagte: "Ich bin ein Tier der Steppe. Ich werde durch den Busch laufen."Oquollo sagte: "Wenn du an einen Fluß kommst, kannst du jedesmal rufen, ob ich hinten oder vorn bin."Effa sagte: "Es ist gut.' Oquollo sagte: "Ich will sagen, wann wir anfangen." Effa sagte: "Sage es!" Oquollo sagte: "Wir wollen anfangen." Dann sprang Oquollo in das Wasser.



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Effa begann durch den Busch hinzulaufen. Er lief so schnell er konnte. Er lief bis er an einen Bach kam. Als er an das Wasser kam, rief er: "Ich bin da. Bist du auch schon da?" Aus dem Bach streckte ein Frosch den Kopf heraus und sagte: "Ich bin hier vor dir!" Effa sagte: "Du bist schneller angekommen." Dann trank er und lief weiter. Er lief so schnell er konnte. Er lief, bis er an einen Bach kam. Als er an das Wasser kam, rief er: "Ich bin da. Bist du auch schon da?" Aus dem Wasser streckte ein Frosch den Kopf hervor und rief: "Ich bin vor dir!" Effa sagte: "Du bist schneller angekommen." Dann trank er und lief weiter. Er lief so schnell er konnte. Er lief, bis er an einen Bach kam. Als er an das Wasser kam, rief er: "Ich bin da. Bist du auch schon da?" Aus dem Bach steckte ein Frosch den Kopf hervor und sagte: "Ich bin vor dir!" Effa sagte: "Du bist schneller angekommen." Dann trank er und lief weiter. Er lief, bis er an einen Bach kam. Als er an das Wasser kam, rief er: "Ich bin da. Bist du auch schon da?" Aus dem Bache steckte ein Frosch den Kopf heraus und sagte:,, Ich bin hier vor dir!"Effa sagte: "Du bist schneller angekommen." Dann trank er und wollte weiter laufen, Er fiel aber nach einigen Schritten am Bachrande hin und starb.

Als Effa gestorben war, kamen alle Frösche zusammen. Die Frösche sangen: "Der große Effa konnte nicht mit Oquollo laufen!" Die Frösche sagten: "So nun wollen wir Effa zerschneiden und verteilen. Wir wollen uns gutes Essen machen. Effa wird uns sein Fleisch geben." Die Frösche sagten: "Wir wollen Effa zerschneiden. Wer kann uns ein Messer leihen?" Die Frösche sagten: "Wir haben kein Messer." Die Frösche sagten: "Wir wollen Effa zerschneiden und haben nun kein Messer."

Ahun hörte es. Er war im Busch. Er hatte einen Gürtel um, in dem staken sechzehn Messer. Ahun kam. Er sagte zu den Fröschen: "Ihr habt Effa getötet. Nun könnt ihr ihn essen."Die Frösche sagten: "Wir haben kein Messer zum Zerschneiden." Ahun sagte: "Ah! Ihr habt kein Messer zum Zerschneiden?" Die Frösche sagten: "Leih uns dein Messer. Wir geben dir von dem Fleisch ab!" Ahun sagte: "Es ist gut. Ich will euch fünfzehn Messer leihen. Den Messern gehört dann alles, was beim Hinfallen que (soll den Ton einer auffallenden Fleischmasse markieren) macht. Was beim Auffallen (auf den Boden, also beim Hinfallen) aber Bum (soll das Auffallen eines harten Gegenstandes anzeigen), macht, das gehört euch." Die Frösche sagten: "Es ist recht."

Die Frösche nahmen die fünfzehn Messer Ahuns und begannen



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Effa aufzuschneiden. Sie schnitten ein Stück Fleisch los und warfen es hin. Es machte (beim Fallen) que. Ahun sagte: "Das gehört den Messern." Sie schnitten ein zweites Stück Fleisch ab. Es machte (beim Fallen) que. Ahun sagte: "Das gehört den Messern."Sie schnitten ein drittes Stück Fleisch ab. Es machte (beim Hinfallen) (durch Geste angedeutet) que. Ahun sagte: "Das gehört den Messern." Sie schnitten alle Fleischstücke ab. Sie machten (beim Hinfallen) alle que. Jedesmal sagte Ahun: "Dies gehört den Messern."So war zuletzt ein großer Haufen Fleisch für Ahuns Messer da und die Frösche hatten nichts. Da schnitten die Frösche die Stirn mit den Hörnern ab. Die Hörner machten (beim Hinfallen, das durch Geste angedeutet wird) bum! Da sagte Ahun: "Seht ihr, das gehört von Rechtswegen nicht den Messern, sondern euch!"

Ahun sagte: "Ich will nun in den Busch gehen, um mir Palmblätter zu schneiden. Damit will ich mein Fleisch zusammenbinden und es dann forttragen, ehe es dunkel wird."Ahun ging fort in den Busch. Er schnitt Palmblätter. Er blieb lange im Busch. Als er aus den Busch zurückkam, war es dunkel. Die Frösche hatten sich zum Schlafen hingelegt. Es lagen immer zwei umklammert da. Nur ein Frosch war noch wach und saß allein da. Der Frosch war noch wach, weil kein zweiter zum Zusammenschlafen mehr dawar. Daneben lag das Fleisch.

Ahun kam aus dem Busch. Er sah all die Frösche zu zweit liegen und nur den einen noch wach dasitzen. Ahun sagte: "Sind diese Frösche alle gestorben?"Oquollo (der eine Frosch) sagte: "Ja, diese Frösche sind alle gestorben. Der Orisa (dieses Ortes) ist gekommen Lind hat gesagt: ,Alles Fleisch und ihr alle gehört mir. Umfaßt euch miner zu zweien und dann werdet ihr sterben!' Sie haben es alle ge~an und nun liegen sie tot da. Ich aber warte nur auf dich, um auch mit dir mich zu umfassen und zu sterben. Komm!"Ahun sagte: ,Ah! Ich will aber nicht sterben!"Oquollo sagte: "Komm, der Orisa hat es gesagt, und ich möchte auch gerne sterben!"Ahun sagte: "Aber ich will gar nicht!"Oquollo ging auf Ahun zu. Ahun wandte sich um und lief so schnell wie möglich von dannen.

Die Frösche blieben mit allem Fleisch zurück. Das Fleisch gehörte nun nur ihnen allein. Und das war auch ganz recht so.


Copyright: arpa, 2015.

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