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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839 ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 1

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM TREULOSEN WESIR

Wisse, o König, es war einmal ein König, der hatte einen Wesir und einen Sohn, der übermäßig dem Reiten und Jagen ergeben war; und dabei begleitete ihn der Wesir, dem sein Vater, der König, befohlen hatte, immer bei ihm zu sein, wohin er sich auch wende. Eines Tages nun zog der Jüngling aus zu reiten und zu jagen, und der Wesir seines Vaters zog mit ihm aus. Wie sie so zusammen dahintrabten, erblickten sie ein großes wildes Tier. Da rief der Wesir dem Prinzen zu: ,Da hast du Wild, erjage es!' Der Prinz eilte ihm nach, bis er den Augen der anderen entschwand, und auch das Wild vor ihm in der Wüste entschwand. Nun wußte er nicht, wohin er gehen noch wohin er sich wenden sollte, als plötzlich eine Maid vor ihm erschien, die in Tränen war. Der Königssohn fragte sie: ,Wer bist du?', und sie antwortete: ,Ich bin die Tochter eines der Könige von Indien, und ich reiste in der Wüste, als mich Mattigkeit überkam, und ohne es zu merken, fiel ich von meinem Tier; so bin ich von den Meinen abgeschnitten und in großer Not.' Als der Prinz ihre Worte hörte, hatte er Mitleid mit ihrem Zustande, hob sie auf den Rücken seines Tieres und ließ sie hinter sich reiten; dann zog er weiter, bis er zu einer Ruine kam; da sagte die Maid zu ihm: ,O Herr, ich möchte ein Bedürfnis verrichten'; er setzte sie also bei der Ruine nieder, aber sie blieb solange aus, daß der Königssohn dachte, sie verschwende ihre Zeit. Deshalb ging er ihr nach, ohne zu wissen, wer sie



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wirklich war; aber siehe, sie war eine Ghula, die zu ihren Kindern sprach: ,Ihr Kinder, heute bringe ich euch einen fetten Jüngling', worauf sie erwiderten: ,Bringe ihn schnell, o Mutter, daß wir uns den Bauch mit ihm füllen.' Als der Prinz ihre Worte hörte, war er seines Todes gewiß; seine Muskeln zitterten aus Furcht um sein Leben, und er wollte fliehen. Da kam die Ghula heraus; und als sie ihn in blassem Schrecken und zitternd dastehen sah, rief sie: ,Was ist dir, daß du dich fürchtest?' Er erwiderte: ,Ich habe einen Feind, den ich fürchte.' Da fragte die Ghula: ,Du sagst doch, du seiest ein Königssohne' Und er antwortete: ,Freilich.' Sie darauf: ,Weshalb gibst du deinem Feinde nicht etwas Geld und befriedigst ihn so?' Doch er: ,Der gibt sich mit Geld nicht zufrieden, sondern nur mit der Seele; ich fürchte mich vor ihm und bin verraten.' Nun sprach sie:, Wenn du verraten bist, wie du meinest, so rufe Allah um Hilfe an, er wird dich sicherlich schützen gegen das Unheil von dem Feinde und die Folgen des Unheils, vor dem du dich fürchtest!' Da hob der Prinz sein Haupt gen Himmel und rief: ,O du, der du den Bedrängten erhörst, wenn er dich ruft, und das Böse an den Tag bringst, o Allah, gib mir den Sieg über meinen Feind, und wende ihn von mir; denn du vermagst alles, was du willst.' Als die Ghula sein Gebet vernahm, wandte sie sich von ihm ab; der Prinz aber kehrte zu seinem Vater zurück und erzählte ihm die Geschichte von dem Wesir. Da verlangte der König nach dem Wesir und ließ ihn hinrichten. —

Auch du, o König, wirst, wenn du noch weiter diesem Arzte traust, den schlimmsten Tod durch ihn erleiden. Denn er, dem du Wohltaten erwiesen und den du zum Vertrauten gemacht hast, wird deinen Untergang bewirken. Siehst du nicht, wie er die Krankheit deines Leibes von außen heilte, durch etwas, was du in deiner Hand hieltest? Sei nicht zu sicher, daß er dich



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nicht etwa durch etwas umbringt, was du ebenso gefaßt hältst!' Da sprach König Junân: ,Du sprichst die Wahrheit, o Wesir, es kann wohl sein, wie du sagst, mein gutratender Minister; und vielleicht ist dieser Weise nur als Spion gekommen in der Absicht, mich umzubringen; denn wenn er mich heilte durch etwas, das ich in meiner Hand hielt, so kann er mich umbringen durch etwas, das ich einatme.' Und König Junân fragte seinen Wesir: ,O Minister, was soll mit ihm geschehen?' und der Wesir antwortete: ,Schicke sofort nach ihm und fordere

ihn vor dich; und wenn er vor dir steht, schlag ihm den Kopf ab; dann wirst du dich gegen seine Arglist schützen und Ruhe vor ihm haben; verrate du ihn, ehe er dich verrät!' König Junân sagte: ,Du hast recht, o Wesir.' Dann schickte der König zu dem Weisen. Der kam in freudiger Stimmung, ohne das Schicksal zu ahnen, das ihm der Erbarmer bestimmt hatte; so wie ein Dichter es sagt:

O du, dem vor dem Schicksal bangt, sei unverzagt;
Befiehl dem, der die Welt geschaffen, was dich plagt!
Was das Geschick bestimmt, das hat Bestand allein;
Vor dem, was nicht bestimmt ist, kannst du sicher sein.

Als der Arzt zum König eintrat, sprach er folgende Verse:

Sollt ich einmal in Etwas dich nach Gebühr nicht preisen,
So sag: Wem sing ich denn in Prosa und Vers meine Weisen?
Du überhäuftest mich ja, eh daß ich fragte, mit Gaben,
Die ohne Verzug und Zaudern von dir aus mich froh gemacht haben.
Wär's denkbar, daß ich dir gebührenden Dank nicht bringe,
Wo ich doch geheim und offen stets deinen Geschenken Lob singe?
Stets bin ich dir dankbar fur das, was du mir liehest an Gnaden;
Die lasten leicht auf der Lippe, wenn sie auch den Rücken beladen.

Und so heißt es ferner im Liede:

Mit deinen Sorgen quäl dich nie,
Vertrau dem Schicksal alle Müh!



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Freu dich am Guten, das du hast,
Vergiß dadurch vergangne Last.
Manch Ding schaut sich erst mühsam an,
Doch später hast du Freude dran.
Denn Allah tut, was er nur will,
Und seinem Willen beug dich still.

Und weiter:

Befiehl dein Sach dem Gütigen, dem Weisen,
Und laß dein Herz die Welt weit von sich weisen!
Und wisse, daß, wie du willst, nichts gelinge,
Nein, nur wie Allah will, der Herr der Dinge!

Und schließlich:

Sei froh und freue dich und laß die Sorgen alle;
Denn Sorgen bringen selbst den festen Sinn zu Falle.
Was nützt dem schwachen Sklav ein sorgenvolles Streben?
Laß ab davon: du wirst in stetem Wohlsein leben.

Da sprach der König zu dem weisen Dubân: ,Weißt du, weshalb ich dich rufen ließ?' Der Weise erwiderte: ,Gott der Erhabene allein weiß die verborgenen Dinge!' Aber der König fuhr fort: ,Ich ließ dich rufen, um dich töten zu lassen und deinem Leben ein Ziel zu setzen.' Darob geriet der weise Dubân in die höchste Verwunderung, und er fragte: ,O König, warum willst du mich denn töten lassen, und welch Vergehen von mir wäre offenbar geworden?' Der König erwiderte ihm: ,Es ist mir gesagt worden, daß du ein Spion bist, und daß du gekommen bist, um mich zu töten; und siehe, da will ich dich töten, ehe du mich tötest.' Darauf rief der König den Scharfrichter an, indem er sagte: ,Schlag diesem Verräter den Kopf ab und befreie uns von seinem Unheil.' Aber der Weise sprach zum König: ,Verschone mich, so wird Allah dich verschonen, und töte mich nicht, sonst wird Allah dich töten.' — Und er wiederholte diese Worte vor ihm, genau wie ich zu dir gesprochen



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habe, o Dämon; aber du wolltest ja nicht von mir lassen, sondern bestandest darauf, mich zu töten. —König Junân antwortete dem weisen Dubân: ,Ich kann nicht sicher sein, wenn ich dich nicht töten lasse; denn wie du mich durch etwas heiltest, das ich in der Hand hielt, so bin ich nicht sicher, daß du mich nicht tötest durch etwas, das ich rieche, oder sonst etwas.' Da rief der Arzt: ,Dies also, o König, ist meine Belohnung durch dich; du vergiltst Gutes mit Schlechtem.' Doch der König erwiderte: ,Es hilft nichts, du mußt sterben, und zwar unverzüglich.' Als nun der Arzt gewiß war, daß der König ihn ganz sicher töten lassen würde, weinte er und bereute, daß er jemandem Gutes getan hatte, der es nicht verdiente. Darüber heißt es im Liede:

Maimûna hatte gar keinen Verstand,
Während ihr Vater sich unter den Klugen befand!
Geht einer auf trocknem oder schlüpfrigem Feld -
Er trete sorgsam auf, da er sonst fällt.

Danach trat der Scharfrichter vor, verband dem Weisen die Augen und entblößte sein Schwert, indem er zu dem König sagte: ,Mit deiner Erlaubnis.' Derweilen weinte der Weise und rief: ,Verschone mich, so wird Allah dich verschonen, und töte mich nicht, sonst wird Allah dich töten'; und er sprach die Verse:

Ich war ehrlich und gewann nicht -sie betrogen und gewannen;
Meine Ehrlichkeit erwarb mir, daß mich Unheil trug von dannen.
Leb ich, bin ich nicht mehr ehrlich; sterb ich, so sollt ihr verfluchen
Alle, die nach mir dereinst noch Ehrlichkeit zu üben suchen.

Dann fuhr der Weise, zum König gewendet, fort: ,Dieser Lohn von dir, den du mir zuteil werden lässest, ist der Lohn des Krokodils.' Da fragte der König: ,Was ist das für eine Geschichte mit dem Krokodil?' Doch der Weise sprach: ,Es ist mir unmöglich, sie dir in diesem Zustand zu erzählen; ich beschwöre



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dich bei Allah, verschone mich, so wird Allah dich verschonen.' Dann weinte er herzbrechend. Da hub einer der Vertrauten des Königs an und sprach: ,O König, schenke mir das Blut dieses Weisen; denn wir haben ihn nie gegen dich sündigen sehen, sondern wir haben nur gesehen, daß er dich von deiner Krankheit heilte, die allen Ärzten und weisen Männern trotzte.' Der König aber antwortete: ,Ihr wißt den Grund nicht, weshalb ich diesen Arzt hinrichten lasse; es ist aber dieser: wenn ich ihn schone, so bin ich dem sicheren Untergange geweiht; denn einer, der mich von meiner Krankheit durch etwas heilte, das ich in meiner Hand hielt, kann mich sicherlich auch durch etwas töten, das ich rieche; und ich fürchte, er wird mich um ein Blutgeld töten, denn er ist nur ein Spion, der hierher kam, um mich zu töten. Also hilft es nichts: sterben muß er; danach werde ich meines Lebens sicher sein.' Und wieder rief der Weise: ,Schone mich, so wird Allah dich schonen, und töte mich nicht, sonst wird Allah dich töten.' Als nun der Weise, o Dämon, sich überzeugt hatte, daß der König ihn sicher töten würde, sprach er zu ihm: ,O König, wenn es nicht anders ist, als daß du mich töten lässest, so gewähre mir eine kurze Frist, damit ich in mein Haus hinuntergehen kann, um die Meinen und meine Nachbarn zu beauftragen, mich zu begraben, und um meine Verbindlichkeiten zu lösen und meine Bücher der Heilkunst zu vermachen. Unter diesen habe ich eins, die seltenste Seltenheit, das möchte ich dir zum Geschenk machen, damit du es als einen Schatz in deiner Schatzkammer auf bewahrest.' Der König fragte den Weisen: ,Und was steht in dem Buch?' Der Weise erwiderte: ,Dinge ohne Zahl; das geringste aber der Geheimnisse darin ist dies: gleich wenn du mir den Kopf hast abschlagen lassen, so schlage drei Blätter um und lies drei Zeilen der Seite zur Linken, und mein Kopf wird reden und auf



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alles antworten, was du ihn zu fragen geruhst.' Der König geriet in höchste Verwunderung, schüttelte sich vor Freude und sagte: ,O Arzt, wenn ich dir den Kopf abschlage, wirst du dann wirklich mit mir reden?' Und er erwiderte: ,Ja, o König!' Da sprach der König: ,Dies ist wirklich etwas Seltsames!' Dann schickte er ihn unter Bewachung in sein Haus, und der Weise erledigte seine Verbindlichkeiten an jenem Tage. Am nächsten Tage trat er wieder in die Regierungshalle des Königs, wo die Emire und Wesire versammelt waren, die Kammerherren, Statthalter und Großen des Reiches; und der Saal war bunt wie die Blumen des Gartens. Und siehe, der Arzt kam herein in den Saal, und er trat vor den König mit seinem Wächter und hielt ein altes Buch und ein Metallbüchschen mit Pulver in der Hand. Dann setzte er sich nieder und sprach: ,Gebt mir ein Tablett!' Da brachten sie ihm ein Tablett, und er schüttete das Pulver darauf, glättete es und sagte zuletzt: ,O König, nimm dies Buch, aber öffne es nicht, bis mein Kopf fällt; wenn er aber gefallen ist, so setze ihn auf dies Tablett und lasse ihn auf das Pulver drücken. Wenn du das getan hast, so wird alsbald das Blut aufhören zu fließen. Dann öffne das Buch!' Darauf gab der König den Befehl, daß sein Kopf abgeschlagen werden sollte, und er nahm das Buch von ihm. Und der Scharfrichter ging hin und durchschlug jenem den Hals. Da fiel sein Kopf mitten auf das Tablett, und er drückte ihn in das Pulver hinunter. Und das Blut hörte auf zufließen, und der Weise Dubân schlug die Augen auf und sprach: ,Öffne das Buch, o König!' Der König öffnete das Buch und fand, daß die Blätter zusammenhafteten; da führte er den Finger zum Munde, benetzte ihn mit seinem Speichel und wandte nun das erste Blatt, und ebenso das zweite und das dritte, aber die Blätter ließen sich nur mit Mühe wenden; und als er sechs Blätter umgewandt hatte, sah er sie an,



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und als er nichts darauf geschrieben fand, sprach er: ,O Arzt, hier steht nichts geschrieben!' Der Weise aber erwiderte: ,Wende noch mehr'; und er wandte auf dieselbe Art noch drei um. Aber kaum war ein Augenblick vergangen, da durchdrang ihn sofort das Gift, mit dem das Buch vergiftet war. Und alsbald verfiel der König in starke Krämpfe, und er rief: ,Gift hat mich durchdrungen!' Da sprach des weisen Dubân Kopf folgende Verse:

Sie herrschten ungerecht, und so herrschten sie lange Zeit;
Aber die Herrschaft geriet alsbald in Vergessenheit.
Für Recht hätten sie auch Recht erfahren, allein
Ihr Unrecht vergalt das Geschick mit Unrecht in Trauer und Pein.
Und so geschah's, daß die Stimme des Schicksals zu ihnen spricht:
Dies ist der Lohn für jenes! Man tadle das Schicksal nicht!

Kaum hatte der Kopf des Weisen zu reden aufgehört, so stürzte der König tot zu Boden.

Nun wisse, o Dämon, daß, wenn der König Junân den weisen Dubân verschont hätte, Allah auch ihn verschont haben würde; aber er weigerte sich dessen und bestand darauf, ihn zu töten, und so tötete ihn Allah; und auch du, o Dämon, hättest du mich verschont, wahrlich, so hätte dich Allah verschont.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 6. Nacht anbrach, sagte ihre Schwester Dinazâd: »Erzähle uns doch deine Geschichte zu Ende«; und sie erwiderte: »Wenn der König es mir erlaubt.«»Erzähle«, sagte der König; und so fuhr sie fort:

»Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, als der Fischer zu dem Dämonen sagte: ,Hättest du mich verschont, so hätte auch ich dich verschont, aber du bestandest darauf, mich zu töten; so will ich dich jetzt sterben lassen, indem ich dich in dieser Flasche gefangen halte und dich hinausschleudere in dies



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Meer', da brüllte der Mârid laut und schrie: ,Ich beschwöre dich bei Allah, o Fischer, tu das nicht! Verschone mich und vergib mir, was ich getan habe; und wenn ich Böses getan habe, so tue du Gutes, denn in den Sprüchen, die im Volk umlaufen, heißt es: O du, der du Gutes tust dem, der Böses getan, der Missetäter hat genug an seiner Tat; und tue mir nicht, wie Umâma der 'Âtika tat.' Da fragte der Fischer: ,Was hat denn Umâma der 'Âtika getan?' Doch der Dämon erwiderte: ,Dies ist nicht die Zeit zum Erzählen, während ich in diesem Gefängnis sitze. Aber laß mich frei, und ich werde es dir erzählen.' Darauf der Fischer: ,Laß ab von solchen Reden; es hilft dir alles nichts, du wirst ins Meer geworfen, und es bleibt kein Weg, auf dem du je wieder herausgeholt werden könntest. Siehe, ich stellte mich unter deinen Schutz und demütigte mich vor dir, aber du wolltest mich unbedingt töten ohne ein Verschulden, wodurch ich das von dir verdient hätte; ja, ich tat dir doch nie etwas Böses, sondern einzig Gutes, da ich dich aus dem Gefängnis befreite. Weil du so an mir handeln wolltest, erkannte ich, daß du ein Übeltäter bist; und wisse, wenn ich dich in dies Meer zurückgeworfen habe, so will ich, damit jeder, der dich etwa herausholt, dich wieder zurückwirft, ihm erzählen, was mir von dir geschehen ist, und will ihn warnen; so sollst du hier in diesem Meere liegen bleiben, bis das Ende der Zeit ein Ende mit dir macht.' Aber der Dämon rief: ,Setze mich in Freiheit! Dies ist eine Gelegenheit zum Edelmut, und ich schwöre dir, daß ich dir niemals etwas Schlechtes antun werde; ja, ich will dir helfen, daß du von der Not befreit wirst.'

Da nahm der Fischer ihm den Schwur ab, daß er, wenn er befreit sei, ihm nichts Böses, sondern nur Gutes tun würde; und nachdem er sich durch sein Gelöbnis gesichert und ihm im Namen Gottes des Allmächtigen einen feierlichen Eid abgenommen



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hatte, öffnete der Fischer ihm die Flasche. Da stieg die Rauchsäule empor, bis sie ganz in der Luft stand, und sie wurde nochmals zu einem Dämonen von scheußlichem Anblick; und er gab alsbald der Flasche einen Fußtritt, so daß sie weit ins Meer flog. Als aber der Fischer sah, daß der Dämon die Flasche ins Meer hatte fliegen lassen, glaubte er sicher an seinen Tod; sein Wasser träufelte in sein Kleid, und er sprach bei sich selbst: ,Das ist kein gutes Zeichen'; aber er faßte sich ein Herz und rief: ,O Dämon, Allah der Erhabene spricht: Haltet euren Vertrag; denn einst wird über die Erfüllung des Vertrages Rechenschaft gefordert. Du hast gelobt und geschworen, keinen Verrat an mir zu üben, damit Allah keinen Verrat an dir übe; denn wahrlich, er ist ein eifersüchtiger Gott, der dem Sünder Frist gibt, ihn aber nicht entschlüpfen läßt. Ich sage zu dir, wie der Weise Dubân zu König Junân sagte: Verschone mich, so wird Allah dich verschonen!' Der Dämon aber brach in Lachen aus, trat vor den Fischer und sprach zu ihm: ,Folge mir!', und der Fischer schritt hinter ihm her, aber er war noch immer seines Entkommens nicht sicher. So schritt er, bis sie außerhalb der Stadt anlangten. Dann stieg er auf einen Berg und wieder hinab in eine weite Steppe, und siehe, da standen sie vor einem See. Der Dämon watete hinein und rief dem Fischer zu: ,Folge mir'; der folgte ihm bis in die Mitte des Sees. Dort blieb der Dämon stehen und hieß den Fischer das Netz auswerfen und Fische fangen. Der Fischer nun blickte in den See und sah vielfarbige Fische darin, weiße und rote, blaue und gelbe, und er wunderte sich darüber. Dann nahm er das Netz, warf es aus und holte es ein und fand in ihm vier Fische, einen von jeder Farbe. Als der Fischer die sah, freute er sich; der Dämon aber sprach zu ihm: ,Bringe die dem Sultan und setze sie ihm vor; er wird dir genug geben, um dich zum reichen



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Manne zu machen. Aber, um Allahs willen, entschuldige mich jetzt; denn ich weiß heute keine andere Art, dir wohlzutun, zumal ich achtzehnhundert Jahre in jenem Meere gelegen und das Angesicht der Erde erst in dieser Stunde wiedergesehen habe. Fische jedoch in diesem See nur einmal am Tage!' Und er nahm Abschied von ihm, indem er sprach: ,Allah gebe, daß wir uns wiedersehen.' Dann stampfte er mit einem Fuß auf den Boden, und die Erde spaltete sich und verschlang ihn. Erstaunt über das, was ihm mit dem Dämon begegnet war, und darüber, wie es geschehen war, nahm der Fischer die Fische und machte sich auf den Weg zur Stadt; und sowie er nach Hause kam, nahm er eine irdene Schüssel, füllte sie mit Wasser und warf die Fische hinein, die alsbald im Wasser der Schüssel zu zappeln begannen. Dann trug er die Schüssel auf dem Kopfe in den Palast, wie ihm der Dämon befohlen hatte. Als er nun zum König eingetreten war und ihm die Fische vorgesetzt hatte, geriet dieser in höchstes Erstaunen über den Anblick; denn nie in seinem Leben hatte er noch Fische gesehen, wie diese in Art und Gestalt. So sagte er: ,Gib diese Fische der Sklavin Köchin!' Diese Sklavin hatte ihm der König von Griechenland vor drei Tagen geschenkt, und er hatte sie noch nicht in der Kochkunst erprobt. Der Wesir befahl ihr, die Fische zu braten, indem er sprach: ,O Mädchen, der König läßt dir sagen: Wir erproben dich, o meine Träne, nur in der Zeit unserer Not'; zeige uns heute deine Kunst und deine Fähigkeit, gut zu kochen! Denn dem Sultan hat heute einer ein Geschenk gebracht.' Und nachdem der Wesir ihr genaue Anweisungen gegeben hatte, kehrte er zum König zurück, der ihm befahl, dem Fischer vierhundert Dinare zu geben. Der Wesir gab sie ihm, und der Fischer nahm



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sie, tat sie in seinen Busen und ging eilends nach Hause; dabei fiel er hin, stand wieder auf und stolperte wieder, denn er hielt das Ganze für einen Traum. Er kaufte aber den Seinen alles, was sie brauchten, und schließlich ging er in heller Freude zu seinem Weibe.

So viel von dem Fischer! Was aber die Sklavin angeht, so nahm sie die Fische, säuberte sie, stellte die Pfanne aufs Feuer und ließ die Fische braten, bis die eine Seite gar war; dann wandte sie sie um auf die andere Seite. Und siehe, die Küchenwand spaltete sich, und heraus trat ein Mädchen, schön von Gestalt, mit runden Wangen, von vollendeter Anmut, mit tiefschwarz gefärbten Augenlidern. Sie trug ein seidenes Kopftuch mit blauen Fransen; an ihren Ohren hingen Ringe; die Handgelenke umschloß ein Paar Spangen, und Ringe mit unschätzbaren Edelsteinen waren auf ihren Fingern; in der Hand aber hielt sie eine Rute aus Bambusrohr. Sie stieß mit der Rute in die Pfanne und sagte: ,Ihr Fische, seid ihr getreu dem Vertrage' Als die Köchin dies sah, da fiel sie in Ohnmacht. Das Mädchen aber wiederholte ihre Worte ein zweitesmal und ein drittes Mal, und schließlich hoben die Fische die Köpfe aus der Pfanne und sprachen in deutlicher Rede: ,Ja, ja!' und begannen diesen Vers zusagen:

Kehrst du uni, so kehren wir um; und bist du treu, so sind wir treu.
Sagst du aber dich los, so sind wir wie du des Versprechens frei.

Da stieß das Mädchen die Pfanne um und ging an der Stelle hinaus, an der sie hereingekommen war, und die Wand schloß sich hinter ihr. Als dann aber die Köchin aus ihrer Ohnmacht erwachte, sah sie die vier Fische schwarzgebrannt wie Holzkohle und rief aus: ,Im ersten Waffentänze zerbrach schon seine Lanze'; und sie fiel wieder ohnmächtig hin. Während sie so dalag, kam der Wesir; und als er sie, die schwarze Perle, daliegen sah, die nicht imstande war, den Sabbat vom Donnerstag



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zu unterscheiden, stieß er sie mit dem Fuße an. Da wachte sie auf und weinte und erzählte ihm alles, wie es geschehen war. Der Wesir erstaunte sehr und rief: ,Dies ist fürwahr höchst seltsam!' Alsbald schickte er nach dem Fischer; der wurde herbeigeholt, und da rief der Wesir ihn an, indem er sprach: ,O Fischer, bringe uns vier Fische, denen gleich, die du zuvor gebracht.' Der Fischer begab sich zu dem See und warf das Netz aus; und als er es einzog, siehe, da waren darin vier Fische gleich den ersten. Die nahm er und trug sie sofort zum Wesir, und der brachte sie zur Sklavin hinein und sagte: ,Wohlan, brate diese in meiner Gegenwart, damit ich diese Geschichte mitansehe Die Sklavin begann und säuberte sie, stellte die Pfanne über das Feuer und legte die Fische hinein; aber sie lagen kaum darin, da spaltete sich die Wand, und das Mädchen trat vor, in derselben Gestalt wie das erste Mal, und in der Hand hielt sie die Rute, mit der sie wiederum in die Pfanne stieß, und sagte: ,Ihr Fische, ihr Fische, seid ihr getreu dem alten Vertrag?' Und siehe, alle Fische erhoben die Köpfe und sagten: ,Ja, ja!', und sie sprachen denselben Vers wie vorher, und der hieß:

Kehrst du um, so kehren wir um; und bist du treu, so sind wir treu.
Sagst du aber dich los, so sind wir wie du des Versprechens frei.

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 7. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, als die Fische gesprochen hatten und das Mädchen mit der Rute die Pfanne umstieß und an der Stelle hinausging, an der sie hereingekommen war, und die Mauer sich hinter ihr schloß, da hub der Wesir an und rief: ,Dies ist etwas, das dem König nicht verborgen bleiben darf.' Dann ging er hin zum König und erzählte ihm, was geschehen war und sich vor seinen eigenen Augen ereignet hatte; worauf der König sprach:



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,Das muß ich unbedingt mit meinen eigenen Augen sehen.' Alsbald schickte er nach dem Fischer und befahl ihm, vier Fische zu bringen, den ersten gleich, und sandte drei Leute zur Bewachung mit ihm. Der Fischer ging hin und brachte die Fische alsbald; und der König befahl, ihm vierhundert Goldstücke zu geben, wandte sich zu dem Wesir und sprach: ,Auf, brate du mir diese Fische hier vor meinen Augen!' Der Wesir sprach: ,Ich höre und gehorche', und er ließ sich die Pfanne bringen, machte die Fische zurecht, setzte die Pfanne aufs Feuer und legte die Fische hinein. Und siehe, die Mauer spaltete sich, und heraus sprang ein schwarzer Sklave, einem riesigen Felsen gleich oder einem Überrest vom Stamme 'Âd', und in der Hand hielt er den Ast eines grünen Baumes; und er rief in lautem Tone: ,Ihr Fische, ihr Fische, seid ihr getreu dem alten Vertrag?' Und die Fische hoben die Köpfe aus der Pfanne und sagten: ,Ja, ja! Wir halten fest an dem Vertrage.

Kehrst du um, so kehren wir um, und bist du treu, so sind wir treu.
Sagst du aber dich los, so sind wir wie du des Versprechens frei.'

Da trat der Mohr an die Pfanne, stieß sie um mit dem Ast, den er in der Hand trug, und ging an der Stelle hinaus, derer hereingekommen war. Nun blickten der Wesir und der König auf die Fische und sahen, daß sie schwarzgebrannt waren wie Holzkohlen. Der König erstaunte gewaltig und sprach: ,Dies ist etwas, über das man nicht Schweigen bewahren kann, und mit diesen Fischen hat es irgendeine besondere Bewandtnis.' Dann befahl er, den Fischer herbeizuholen; und als der gekommen war, fragte er ihn: ,Du da, sag, woher kommen diese Fischer' Der erwiderte: ,Von einem See zwischen vier Höhen, unterhalb



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dieses Gebirges, das vor deiner Stadt liegt.' Da sprach der König, zudem Fischer gewendet: ,Wieviel Tage ist er entfernte' und jener entgegnete: ,O unser Herr Sultan, er ist nur eine halbe Stunde weit entfernt.' Da staunte der König und befahl sofort seinem Fußvolk zu marschieren und seinen Reitern aufzusitzen; und er zog hin mit dem Fischer, der ilm führte und den Dämon verwünschte, bis sie das Gebirge erklommen hatten und niederstiegen in eine große Wüste, die der Sultan und alle die Soldaten zeit ihres Lebens noch nicht gesehen hatten; und sie staunten sehr, als sie jene Wüste erblickten und den See in ihrer Mitte zwischen den vier Höhen, und die Fische darinnen in vier Farben, in Rot und Weiß und Gelb und Blau. Der König stand da, vom Staunen gefesselt, und fragte seine Truppen und alle, die anwesend waren: ,Hat einer unter euch je diesen See zuvor gesehen?', und alle gaben zur Antwort: ,Niemals, größter König unserer Zeit, solange wir leben.' Sie fragten darauf die ältesten Einwohner, aber auch die antworteten: ,Nie in unserem Leben haben wir diesen See an dieser Stätte gesehen!' Der König aber rief: ,Bei Allah, ich will nicht in meine Hauptstadt zurückkehren noch auf dem Thron meiner Herrschaft sitzen, ehe ich nicht erfahre, was es mit diesem See und diesen Fischen für eine Bewandtnis hat.' Dann befahl er den Leuten, sich rings um diese Höhen zu lagern; und sie taten es. Darauf ließ er den Wesir kommen; der war ein Mann von Erfahrung, Verstand und Einsicht und wohlbewandert in allen Geschäften. Dieser nun trat vor den König hin, und der sprach zu ihm: ,Siehe, ich wünsche etwas zu tun, davon ich dich unterrichten will; es ist mir in den Sinn gekommen, heute nacht allein auszuziehen und das Geheimnis dieses Sees und dieser Fische aufzuspüren. Nimm du den Platz an meiner Zelttür ein und sage den Emiren und Wesiren, den Kammerherren und Statthaltern und allen, die



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dich nach mir fragen: Der Sultan fühlt sich nicht wohl, und er hat mir befohlen, niemandem die Erlaubnis zum Eintritt zu geben. Doch verrate niemandem meinen Plan!' Und der Wesir konnte ihn nicht davon abbringen. Darauf verkleidete sich der König, gürtete sich mit seinem Schwerte und stieg auf eine der Höhen; und er zog den übrigen Teil der Nacht dahin bis zum Morgen. Dann wanderte er weiter den ganzen Tag hindurch, obwohl die Hitze schwer auf ihm lastete, da er doch Tag und Nacht wanderte. Und weiter zog er die zweite Nacht hindurch bis zum Morgen; da tauchte plötzlich in weiter Ferne ein schwarzer Punkt vor ihm auf. Und er freute sich und sprach zu sich selber: ,Vielleicht werde ich jemanden finden, der mir künden kann, was es mit dem See und den Fischen auf sich hat.' Und als er näher herankam, fand er einen Palast, gebaut aus schwarzen Steinen und belegt mit Eisenplatten; und einer der Flügel des Tores stand weit offen, während der andere geschlossen war. Hocherfreut trat der König an das Tor und klopfte leise; doch da er keine Antwort hörte, klopfte er ein zweites Mal und ein drittes; aber auch dann hörte er keine Antwort. Da pochte er sehr laut, aber noch immer antwortete ihm niemand. So sagte er sich: ,Ohne Zweifel steht er leer.' Nun faßte er sich ein Herz und schritt durch das Tor des Palastes in die große Vorhalle und rief dort laut: ,Ihr Bewohner des Palastes, hier ist ein Fremdling und ein Wandrer; habt ihr ein wenig Wegzehrung?' Und er wiederholte den Ruf ein zweites Mal und ein drittes, aber er hörte keine Antwort; nun stärkte er seinen Mut und festigte sein Herz und schritt durch die Vorhalle bis mitten in den Palast und fand keinen Menschen darin. Und doch war er ausgestattet mit Seidenteppichen und goldgestickten Stoffen; und die Vorhänge waren niedergelassen. In der Mitte des Schlosses aber war ein geräumiger Hof, auf den



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sich vier Hallen öffneten, mit einer erhöhten Estrade, eine der andern gegenüber; in der Mitte des Hofes war ein Bassin mit einem Springbrunnen; auf diesem standen vier Löwen aus rotem Golde, die aus ihren Mäulern Wasser spien, klar wie Perlen und Edelgestein. Rings im Palast aber flatterten Vögel, und darüber war ein Netz aus goldenem Draht gespannt, das sie hinderte hinauszufliegen; aber er sah keinen einzigen Menschen. Der König staunte und war doch traurig, weil er niemanden sah, der ihm Auskunft geben konnte über jene Wüste und den See, über die Fische, die Höhen und den Palast. Dann setzte er sich nachdenklich nieder zwischen den Türen, und siehe, da erklang eine Stimme der Schmerzen wie aus einem gram verzehrten Herzen, und diese Stimme sang ein Lied:

Ich barg, was mir von dir geschah, doch kam's an den Tag;
Der Schlaf meines Auges wich, so daß ich schlummerlos lag.
O Schicksal, quäle mich nicht immer, verwunde mich nicht;
Sieh doch, wie mein armes Herz in Not und Gefahr zerbricht!
Ihr habt kein Erbarmen mit dem Mächtigen, den die Lieb
Erniedrigte, noch mit dem Reichen, den sie in Armut trieb.
Dem Zephyr, der euch umwehte, mißgönnte ich einst sein Glück;
Doch seit das Verhängnis herabkam, ist blind geworden der Blick.
Was hilft die Stärke dem Schützen, wenn er mit dem Feinde sich mißt,
Und beim Abschießen des Pfeiles die Sehne zerrissen ist?
Und kommen der Sorgen viele und häufen sich auf ihn,
Wohin kann der Held dem Geschicke und dem Verhängnis entfliehn?

Als nun der Sultan die traurige Stimme hörte, sprang er auf die Füße; und indem er dem Klange folgte, fand er einen Vorhang, der vor einer Zimmertür niedergelassen war. Er hob den Vorhang auf und sah dahinter einen jungen Mann auf einem Sessel sitzen, der sich etwa eine Elle hoch über dem Boden erhob; es war ein Jüngling wunderschön, von Gestalt lieblich anzusehn, mit einer Stimme glockenrein, einer Stirne zart und fein, einer



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Wange von rotem Schein, und einem Male mitten auf seiner Wange, wie ein Ambrakügelchen klein, wie der Dichter sagt:

Ein schlanker Jüngling, um dessen Stirn und lockiges Haar
Die Menschheit in düsterer Trauer und heller Freude war!
Schmale, das schöne Mal nicht, das seine Wange schmückt,
Das zwiefach mit schwarzen Pünktchen die Blicke aller berückt!

Der König freute sich, als er ihn sah, und grüßte Der Jüngling aber blieb sitzen in seinem Kaftan aus Seidenstoff, bestickt mit ägyptischem Golde, und mit seiner Krone auf dem Haupte, die mit kostbaren Edelsteinen besetzt war. Doch in seinem Gesicht waren die Spuren des Grams. Er erwiderte den Gruß des Königs auf die höflichste Art und sprach: ,O mein Herr, deine Würde verlangt, daß ich aufstehe vor dir; doch ich bitte dich, mich zu entschuldigen.' Der König erwiderte: ,Du bist entschuldigt, o Jüngling; ich bin dein Gast, der in einer wichtigen Sache zu dir kam. Ich möchte, du tätest mir kund, was es mit jenem See und jenen Fischen und mit diesem Palast auf sich hat, und warum du so allein in ihm sitzest und warum du weinest.'

Als der Jüngling diese Worte hörte, flossen seine Tränen ihm über die Wangen, und er weinte bitterlich, bis seine Brust von Tränen naß war. Dann sprach er die Verse:

Dem, der schlaft, derweil ihn Schicksalsstürme umtoben,
Sagt: Wie viel' haben sie erniedrigt, wie viele erhoben!
Wenn du auch schläfst, so schlummert das Auge Allahs nie.
Wen beglückten Geschick und Welt? Wem lächelten dauernd sie?

Wieder seufzte er in tiefer Betrübnis und fuhr fort:

Laß nur in allen Dingen den Herrn der Menschen walten;
Weis von dir alle Gedanken, die dich in Sorgen halten!
Prag nicht bei jedem Geschehn, wie es also geschah:
Denn alle Dinge sind doch nach Geschick und Verhängnis da!



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Der König staunte und fragte ihn: ,Was macht dich weinen, o Jüngling?' Jener erwiderte: ,Wie sollte ich nicht weinen, da es so mit mir stehts' Und er streckte die Hand nach dem Saum seines Gewandes und hob ihn auf, und siehe, der untere Teil seines Leibes war bis zu den Füßen hinab aus Stein, vom Nabel aber bis zum Haar seines Hauptes war er aus Fleisch. Als der König den Jüngling in diesem Zustande sah, erfaßte ihn großer Schmerz, und tiefbetrübt rief er: ,Wehe! O Jüngling, du häufest Gram auf meinen Gram. Ich war auf der Suche nach den Fischen und ihrer Geschichte: jetzt aber muß ich nach ihrer Geschichte und nach der deinen fragen. Doch es gibt keine Majestät und es gibt keine Macht außer bei Allah, dem Erhabenen, Allmächtigen! Eile, o Jüngling, und tu mir alsbald die Geschichte kund!' Jener sprach: ,Leih mir dein Ohr und dein Auge.' Der König entgegnete: ,Mein Ohr und mein Auge sind bereit!' Da begann der Jüngling: ,Fürwahr, diese Fische und ich haben eine wunderbare Geschichte; und würde sie mit Sticheln in die Augenwinkel gestichelt, sie wäre eine Warnung für jeden, der sich warnen ließe.' ,Und wie ist sie?' fragte der König; da begann der Jüngling

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