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Kapitel 

DIE ATLANTISCHE GÖTTERLEHRE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1926

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



Atlantis Bd_10-000.4 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT EINER FARBIGEN TAFEL, 16 KARTEN

UND 87 ZEICHNUNGEN IM TEXT

4. Die wiedergefundene Tochter

Talekuru (ein Mann) heiratete Adji-befun (eine Frau). Die Frau ward schwanger und gebar ein Kind, das war ein Mädchen. Es war eine große Not. Niemand hatte viel zu essen. Lalekuru und Adji-befun



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waren damals arm. Adji-befun gab dem Kinde jeden Morgen zehn Kaurimuscheln (ewoa). Damit kaufte sich das Kind jeden Tag auf dem Markt Zuckerrohr und aß das. Auf dem Markte blieb das Mädchen, legte sich unter einen Baum und schlief und abends rannte es dann wieder heim. Am andern Morgen bekam es abermals zehn Kauri und so lebte es mehrere Jahre.

Eines Tages kam aber Krieg von auswärts. Das Mädchen Laiekurus und Adji-befuns ward gefangen und mit fortgeschleppt. Der neue Herr war schlecht. Er verkaufte das Mädchen an einen andern. Der war wieder schlecht. Inzwischen ging es Lalekuru besser, und er konnte eine zweite Frau heiraten. Es ging ihm besser und er konnte sich Sklaven kaufen. Adji-befun ging hin und suchte für sich ein Sklavenmädchen. Sie kaufte sich dann ihre eigene Tochter, aber weder die Mutter sah, daß es ihr Kind war, noch erkannte das Kind seine Mutter. Sie nahm das Mädchen mit nach Hause.

Daheim gab sie dem Mädchen die schlechte Rinde des Jams, daß es sich daraus Essen mache. Dann gab sie ihm ein Bündel Guineakorn und sagte: "Ich gehe fort. Stampfe dies inzwischen!"Adjibefun ging fort. Das Mädchen wußte nicht, daß die zweite Frau Laiekurus in dem Nebenraum war, wo sie alles hören konnte. Das Mädchen begann das Korn zu stampfen und sang dazu:

"Tintin-redjegene! Tintin-redjegene!
Meine Mutter Adji-befun!
Mein Vater Lalekuru!
Jeden Morgen gabt ihr mir zehn Kauri;
Jeden Tag schlief ich auf dem Markt.
Dann kam der Krieg ins Land!
Dann wurde ich verkauft!
Nun finde ich den Weg nicht mehr heim!"

Die zweite Frau Lalekurus hörte das im Nebenraum. Sie verhielt sich ganz still. Als Adji-befun am Abend heimkam, sagte sie: "Gib dem neuen Sklavenmädchen morgen wieder Korn zu stampfen. Geh hinaus, steige aber hier auf den Zwischenboden und höre zu, was das Mädchen singt." Am andern Tag gab Adji-befun dem Mädchen erst Rinde vom Jams, daß es sich Essen daraus koche. Dann gab sie ihm ein Bündel Guineakorn und sagte: "Ich gehe fort, stampfe das inzwischen."Adji-befun ging hinaus.

Adji-befun ging aber nicht weit fort, sondern stieg auf den Zwischenboden. Das Mädchen begann das Korn zu stampfen und sang dazu:



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"Tintin-redjegene! Tintin-redjegene!
Meine Mutter Adji-befun!
Mein Vater Lalekuru!
Jeden Morgen gabt ihr mir zehn Kauri!
Jeden Tag schlief ich auf dem Markt!
Dann kam der Krieg ins Land!
Dann wurde ich verkauft!
Nun finde ich den Weg nicht mehr heim!"

Als Adji-befun das hörte, sprang sie vom Zwischenboden herab und sagte zu dem Mädchen: "Wenn du mein Kind bist, dann kann deine Haut nicht fortgehen!"Adji-befun goß meinen großen Kessel heißes Wasser. Sie setzte das Mädchen hinein. Dann machte sie Feuer darunter. Es wurde das Wasser ganz heiß, so daß man nicht hineinfassen konnte. Das Mädchen aber sagte: "Ach, es ist mir so kalt!" —Daran erkannte die Mutter, daß es ihre eigene Tochter sein müßte.

Seitdem gibt man den Erru (Sklaven) nicht mehr schlechtes Essen.


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