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Kapitel 

DIE ATLANTISCHE GÖTTERLEHRE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1926

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT EINER FARBIGEN TAFEL, 16 KARTEN

UND 87 ZEICHNUNGEN IM TEXT


8. Kapitel: Die Schar der Götter

Die Zahl der Götter Jorubas ist in Wahrheit grenzenlos, da täglich Neubildungen entstehen und Altgötter neu benamst werden können. Ich habe das in dem Kapitel über die heilige Stadt Ife dargelegt. In Wahrheit bedeutet dieser starke Stoffwechsel natürlich Beschleunigung des Verfalls, der aber anderseits wieder durch ganz klare mythologische Dogmen aufgehalten wird. Die klipp und klare Erklärung aller gelehrten Joruben geht nämlich dahin, daß es im ganzen sechshundert Götter gebe, von denen zweihundert zur rechten Seite und vierhundert zur linken Seite hausen und in dieser Richtung verehrt werden.

Hier nun möge in der Schilderung von einigen weniger ansehnlichen Göttern noch weiteres Material zur Beurteilung lebendiger Bildung der Jorubamythologie geboten werden.

Orun, der Gott der Sonne. — Der Sonnengott Orun ist im ganzen Jorubalande eine der Verehrung nach aussterbende Gottheit. Ich erhielt von den Nordjoruben eine Legende, die das so recht deutlich zeigt. Viele junge Leute derselben Familie waren einmal gemeinsam auf der Jagd hinter Antilopen her. Sie vermochten aber kein Tier zu erlegen. Sie hatten sonst immer Jagderfolg, indem sie die Antilopen nicht mit Pfeil und Bogen erlegten, sondern indem sie mit Holz nach ihnen warfen. An diesem Tage hatten sie keinen Erfolg. Als sie nun wieder durch den Busch strichen, kamen sie auf einen großen freien Platz. Der Platz war kreisrund und er war sauber und reinlich. Es war kein Messer dazu verwendet worden, ihn zu reinigen. Er war aber ganz sauber. In der Mitte war ein großer leuchtender Gegenstand. Dieser strahlte, und als die Menschen das sahen, wurden sie von Furcht gepackt und liefen, so schnell sie konnten, von dannen.

Die Burschen liefen nach Hause und erzählten ihren Vätern, was sie gesehen hätten. Die aber kamen zusammen, hörten die Burschen an und sagten: "Was das ist, wissen wir nicht. Es muß jemand zum Babalawo gehen." Es ging also ein Vater zum Babalawo und sagte dem alles. Der Babalawo sagte: "Ich habe diese Sache nun gehört und werde das Oquelle werfen". Nachdem der Babalawo das Oquelle geworfen hatte, sagte er: "Ihr alle seid von einer Familie. Ihr seid Omo-Orun, ihr seid Kinder Oruns. Eure Alten aber haben Orun Opfer dargebracht. Ihr aber habt ihm kein Opfer dargebracht. Deshalb ist Orun den Burschen im Busch begegnet und hat sich ihnen



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so gezeigt. Orun will, daß ihr ihm wieder anhängt. Ihr sollt ihm wieder, wie im Altertume, Opfer bringen". Die Leute fragten: "Wie ward das in alter Zeit gehalten"? Der Babalawo sagte: "Zunächst müßt ihr Asche nehmen. Mit Asche müßt ihr einen großen Kreis streuen. (Es ist das ein Kreis in Bandform, der ungefähr eineinhalb Meter im Durchmesser hat.) In die Mitte des Kreises müßt ihr dann einen kleinen Haufen von Asche tun, und dahinein müßt ihr dann ein Ei werfen und eine große Schnecke setzen. Dann nehmt eine Kolanuß und zerbrecht sie in vier Teile. Einen Abschnitt legt in die Mitte, zu dem Ei und der Schnecke. Die andern drei Abschnitte werft in den Kreis. Fallen zwei gedeckt (d. h. mit der konvexen Seite nach oben) und eine offen (d. h. mit der konkaven Seite nach oben), so ist das ein gutes Zeichen. In dem Aschenkreis macht dann euer Opfer wie für Orun".

Im Anschluß an diese Orunlegende mag eine Notiz Aufnahme finden, die ich bezüglich der Resse empfing.

Skarabäusdienst der Resse*. Die Resse verehren den Jimijimi genannten Mistkäfer in einer eigenartigen Weise. Sie sagen, daß sich dieser Orischa -denn ein solcher ist Jimijimi -, ihnen einmal als Wegweiser geoffenbart hätte. Als irgendein Stammvater einmal auf der Flucht vor fremden Leuten, die er angegriffen hatte, mit seinen Leuten zusammen den Weg verloren hatte, kam er an eine Stelle, wo der Weg sich kreuzte (Kreuzweg =Jiana). Sie wußten



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nun nicht, wohin gehen. Da sahen sie einen Jimijimi, der seine Mist. kugel vor sich herrollte. Gleichzeitig kam ein kleiner Bursch aus dem Busch und spielte mit dem Jimijimi. Sie sprachen den Knaben an, aber er verstand ihre Sprache nicht. Aus dem Busche kam aber dann ein Igbi (Riedbock, im Haussa Mariam), schnubbelte an dem Jimijimi und hielt den Kopf in die Luft. Dann ging der Jimijimi einen Weg. Die Leute folgten. Sie nahmen den Jimijimi auf, denn bald wußten sie, wo sie waren. Sie kamen heim. Sie warfen das Oquelle daheim und fragten, was das solle. Das Oquelle sagte ihnen, daß Jimijimi ein Orischa ist. Das Oquelle ordnete das Opfer für den Orischa Jimijimi an. Seitdem opfern die Resse jährlich zur Erntezeit an diesem Kreuzweg, der Jjan-orischa heißt. Sie fangen eine lebende Riedantilope. Am Kreuzweg ist ein Tempelchen errichtet. Darin wird der Riedbock getötet, dazu wird ein Hahn, Kolanüsse und Okun, das sind Tausendfüßler, geopfert. Jeder Verehrer Jimijimis mußte Tausendfüßler essen. Weiterhin gehört zum Jimijimidienst, daß jedes Jahr ein Weg "geschlossen" wird. Er wird als verboten erklärt. Niemand darf ihn betreten. Das Zeichen der Schließung ist der aufgerichtete Arerestock. Man sagt, daß es dem schlimm ergehen würde, der den Weg betritt. Jedes Jahr aber wird ein anderer Weg als geschlossen erklärt.

Die angesehenen Verehrer und Priester Orischa Jimijimis heißen Olosajanna. Wenn ein angesehener Mann vordem in Ssare starb, dann wurde ihm ein großer Holzsarg, ein Boschi, geschnitzt. Ehe der Tote darin Aufnahme fand, wurde von allen Tieren dahineingeopfert, vor allem aber ein Jimijimi und ein Ekulo (ein Regenwurm) beigefügt. Außerdem mußte die Tochter des Toten reichlich Ekulos ansammeln. Sie mußte sie mit Palmöl kochen. Sie mußte das Regenwurmgericht kochen, sonst müßte sie selbst sterben, so sagt man.

Sehr eigenartig nun ist es, daß Jimijimi in einem gewissen Zusammenhang mit dem Schankpannadienste stehen muß. Jedes Jahr zu Beginn der Erntezeit suchen die Ssareleute einen Jimijimi im Busch zu fangen. Den hängen sie dann mit Mai (d. I im Haussas Jero, wohl Panicum) zusammen im Hause auf. Das ist ein Amulett, das Fruchtbarkeit verleiht und auch vor Übel schützt. Wenn es den Leuten nämlich nicht gelang, einen Jimijimi zu fangen, dann können sie am Ende der Ernte auch nicht Schankpanna opfern oder aber sie sind gewiß, in der kommenden Zeit arg von Pocken heimgesucht zu werden. Deshalb muß Jimjimi im Kreise Schankpannas Aufnahme finden und in der Tat hörte ich, daß in den Haussaländern, aus denen der Schankpannadienst kommen muß, auch dem Bususu (= Mistkäfer I Haussa) eine bestimmte Verehrung gezollt wird. (Bususu oder Bususu Maiwari.)



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Verschiedene Kultusgeräte.

Unten: tönerner Stuhl des Gottes Okun; rechts oben: eiserne Blitzschlange (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)



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Osun. Osun ist eine Göttin, die in dem Flusse Osun wohnt und in Ibadan und allen andern nahe dem Flusse gelegenen Ortschaften eine ganz spezielle Verehrung erfährt. Vater der Göttin war Oba Djumu (der Häuptling von Djumu), Mutter Oba-Do (die Herrin von Do). Von den Ereignissen ihrer Lebenszeit konnte ich nichts weiteres erfahren, doch wurde mir gesagt, daß sie nach ihrem Tode eben den Fluß Osun als bevorzugten Aufenthaltsort aufgesucht hat.

Wie allen Göttern, wird der Göttin Osun alle vierzehn Monate (also einmal im Jahre) ein Fest gefeiert, welches den Namen Ibo-osun oder Ibosun führt. Erst wird sehr viel Jams gegessen und dann getanzt und getrommelt. Bei diesem Tanze pflegt dann Osun sich eine der anwesenden Frauen auszuwählen, um in ihr zur Inspiration zeitweiligen Aufenthalt zu nehmen. Solcher Art ausgezeichnete Weiber erhalten dann besondere Namen, von denen einige wichtigere hier wieder gegeben werden mögen.

Osun Djinni = etwa: Osun gibt mir.
Osun Leje = etwa: Osuns freie Gabe.
Osun Kega = eine Frau, die kinderlos alt wird, so daß die Leute sie
verspotten, pflegt sich kurz vor Tores Schluß noch
an die Göttin Osun zu wenden, sie mit Bitten und
Flehen anzugehen und ihr reiche Geschenke zu versprechen.
Wird ihr Wunsch nun erfüllt, so daß sie
trotz ihres Alters noch konzipiert, so nennt man sie
eine Kega.
Osun Tola = Tola ist eigentlich eine Sache, die man ersehnt, bis
man ihrer teilhaftig wird. Wir werden aber gleich
sehen, daß man mit Tola alle Priesterinnen dieser
Göttin bezeichnet.

Wenn nun eine solche Inspiration erfolgt ist und die Göttin derart aus einem der Weiber spricht, so wendet sich jeder, der irgendwie krank oder leidend, oder von besonderer Sorge behaftet ist, an die inspirierte Frau, trägt ihr, niederfallend und sie verehrend seine Sache vor und erhofft den erlösenden Ratschlag. Es sind anscheinend immer Frauen, die sich an die Inspirierte wenden. Wenn die große Konsultation vorüber ist, schließt das Fest ab.

Aber nicht nur in der Festzeit ist die Göttin Osun hilfsbereit. Das ganze Jahr hindurch nimmt sie Gesuche gnädig entgegen, und viele pilgern jahraus, jahrein zu den Ufern des Flusses. Die Priesterin, die sogenannte Tola (siehe oben) waltet dann ihres Amtes. Die bittende Person pflanzt einen Stab ans Ufer in die Erde. Die Tola aber opfert Taube (Ejele), Schaf oder Hühner, viele Kola, und vor allen Dingen Maisbier (segete). Dagegen ist den Klanmitgliedern, den Nachkommen der Göttin, als Ewuo verboten: I Schnecken (Igui), 2. Sor ghumbier (Oti-oka) und 3. Bohnen (Bere), so daß solche Gerichte



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auch als Opfer nicht der Göttin geboten werden dürfen. — Bei den Tänzen preist das Volk Osun mit den Worten Oreje-Jeo in vielfachen Wiederholungen.

Die Göttin Osun soll zu Lebzeiten schon sehr wilifährig gewesen sein, auch in sehr privaten Dingen. Einige behaupten, sie habe einige Zeit mit Oschalla, andere, sie habe mit Schango gelebt. Jedenfalls war sie nach mehreren Angaben, immer geneigt zu gewähren, und diese Eigenart hat sie als Göttin gewahrt. Die Göttin gibt gern und gut, lindert und hebt alle Mängel und Unbilden. Deshalb ist sie eine der meist umworbenen Gottheiten und nicht nur ihr Klan, ihre Nachkommenschaft, fleht hoffend zu ihr.

Nicht ganz im Einklang mit diesen durchaus weiblichen Eigentümlichkeiten steht das auffallendste Kultusgerät dieser hohen Frau. Man findet vor ihren Altären außer der gleich zu besprechenden Tonschale, Bogen und Pfeile, große Kriegsmesser, die aus den Spannmesserformen zu stammen scheinen, mehrzinkige Speere. Diese Waffen sollen bei den großen Festen in die Flußufer gesteckt werden. In der Mitte jedes Altares finden wir aber regelmäßig eine runde flache Tonschale, stets bedeckt, im Innern mit kleinen Scheidewänden in Abteilungen gegliedert. Darin liegen als Symbol der Göttin einige im Bett des Osun aufgesammelte Kiesel. Dann sah ich mehrfach ein mich sehr interessierendes Gerät in Osuntempeln, einen Frauenhocker, fast einem umgekehrten Topf gleichend, in der Mitte oben mit einem Loch versehen. Ganz ähnliche kleine Tonhocker sah ich seiner Zeit bei den Soroko-Bossoweibern am oberen Niger, oberhalb Timbuktus. Hier soll er der heilige Sessel der Tola, der Priesterin sein.

Sehr auffallend ist die Bevorzugung aller Gelbgußarbeiten im Kultus. Von den Gelbgußwaffen sprach ich schon. Aber alle Osunsprossen pflegen Armringe aus Gelbguß zu tragen, besonders die kleinen Kinder, so daß unbedingt darauf geschlossen werden muß, daß der Kultus dieser Göttin mit diesem uns so interessanten Material in einem ganz bestimmten Zusammenhang stehen muß. Weiterhin sei bemerkt, daß neben den Altären der Göttin Osun fast stets kleine Enjille oder hie-Eisen vom Ossenjtypus im Boden stecken. —



***
Buruku. Dieser Orischa hat wiederum dadurch sein tiefes Interesse für uns, daß wir die Straße seiner Einwanderung sehr weit verfolgen können. Die Burukpriesterin in Ibadan begann ihre Auseinandersetzung mit den Worten: "Orischa Buruku war vordem in Porto-novo, ehe er nach dem hiesigen Lande kam. Er kommt von den Egunleuten. Buruku hat nur den einen Namen". —Als ich vor zwei Jahren der Länge nach durch Togo pilgerte, überall aufpickend,



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was ich an ethnologischen Notizen sammeln konnte, wurde mir oftmals gesagt, es gäbe in Südtogo zwei starke Gewalten göttlicher Natur. Ihre Benennung ist bei den verschiedenen Stämmen die folgende: Haussa, Madjuro; Kotokolli, Sua; in Atakpame, Enge; Ewe, Tro; das ist nichts anderes als Orischa im Joruba und Kuti in Nupe. Der eine dieser Suas sei "Dadume" in der Dumestadt (Dahomeygrenze), der andere aber wohne auf dem Wege von Bassari nach Kratschi, und zwar auf dem Berge Babambure. Dieser zweite hieße: Buruku. Und es gebe keine Gewalt, die besser Kinder geben könne als Buruku, zu dem viele Frauen alljährlich mit Ziegen, der Häuptling von Atakpame aber mit einer Kuh walifahrte, alle immer und immer wieder bittend um Nachkommenschaft. Das weitere, zumal Soziale, muß ich der Arbeit über Togo überlassen. Wir freuen uns, einmal einen Orischaklan bis zu so entfernter Quelle verfolgen zu können.

Die Priesterin Burukus in Ibadan fuhr in ihrem Bericht nun folgendermaßen fort: Buruku ist ein Orischa, der viele Kinder hatte, die ihn heute verehren. Buruku sorgt für Verbesserung aller Geschäfte, vor allen Dingen aber für Kindersegen. Es kommen nicht nur Burukuleute mit allen solchen Bitten, sondern auch die Nachkommen anderer Götter. Wenn eine Frau vergebens auf Nachkommenschaft wartet, geht sie mit grünen jungen Blättern zum Burukuhause. Sie reibt damit den Raum, in dem die Gottheit wohnt, sehr sauber. Der Raum heißt (wie jede Götterwohnstätte) hie also Ille Buruku. Die Frau bringt allerhand Opfergaben, Hühner, Ziegen, jede Art Tier bis auf Rindvieh (siehe dagegen das Opfer des Atakpamehäuptlings) und Schafbock (= Agbo). Der Schafbock ist ihr in den Jorubaländern anscheinend ebenso verhaßt, wie mir das in Togo einmal gesagt wurde. Ferner liebt die Göttin (denn Buruku wird hier ausgesprochenermaßen als weibliche Gottheit bezeichnet!) Kauri und ähnliche kleine Gaben. Kinder, die auf solche Opfer bei Buruku hin geboren werden, bekommen Namen, die mit Nana zusammengesetzt werden. Ich erhielt an solchen Namen:

Nana Fumike = etwa: Nana gab das Kind freiwillig.
Nana Kenu = etwa: Nana sorgt für mich.
Nana Toki = etwa: Nana zu Dank verpflichtet.
Nana Toibo '1
Nana tokung j = etwa: als die Frau das Kind ersehnte, gab es
Buruku.
Nana Sonja etwa: Nana ist dafür verantwortlich, daß die
Mutter ein Kind bekommt.

Wenn die sehnende Frau mit der Priesterin das erstemal spricht, den Tempel reinigt und das Opfer darbringt, werden zwischen beiden Frauen gleich alle Abmachungen getroffen, die gelübdeartig das Leben des erhofften Sprossen, wenn er erscheint, durchdringen und



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durchziehen. Am häufigsten ist natürlich das Gelübde, daß das Kind sein Leben lang außer dem Ewuo seines Klanes noch die Verpflichtung übernimmt, nie vom Rind und Schafbock zu essen. Aber das ist keine absolute Notwendigkeit. Es kann auch nur ein weniger hartes Versprechen von seiten der Mutter übernommen werden. Anderseits kann die Mutter eventuell auch für sich selbst ein solches Gelübde übernehmen. — Sicher ist, daß das so gewonnene Kind im späteren Leben seine Verehrung zwischen dem angestammten Orischa seines Klanes und der segnenden Fee Buruku zuteilen hat. Ebenso, daß z. B. ein solches Kind, auch wenn es ein Omo Schango, Omo Oschalla, Omo Schankpanna oder sonst ein anderer Sippenzugehöriger ist, sich nie mit einem richtigen Omo Buruku, einem Nachkommen aus dem Klan der Göttin Buruku, geschlechtlich einlassen darf.

Interessant ist, daß als spezielle Eigenart der Burukuleute, ihre große Ehrlichkeit mehrfach gepriesen wird. Die Göttin fordert einen unbedingt ehrlichen Lebenswandel und das wird soweit übertrieben, daß ein Burukukind in einem fremden Hause weder etwas nehmen noch als geschenkt annehmen darf.

Interessant ist noch eine andere Kleinigkeit: Die Burukuleute dürfen zum Ziegenschlachten -Ziege scheint Hauptopfer zu sein - nur ein Messer nehmen, das nicht aus einem gewöhnlichen, sondern aus einem ganz besonderen Holze (Efa oder Pampru) geschnitzt ist. Das hat seinen Grund in einem Streit, der einst zwischen Ogun und Buruku ausbrach und der irgendeine Prioritätsfrage zum Ausgangspunkt hatte. Ferner wird gesagt, daß Ossenj den Leuten gezeigt habe, wie sie die Ziege dem Gotte mit in die Banga gehaltenem Kopfe weihen müssen, so daß das Tier von selbst stirbt und eben nur ein Holzmesser zum Aufteilen vonnöten ist. — So tritt also wieder Ossenj, die magische Kraft der Schamanen, vermittelnd im Kultus auch dieses Gottes auf.



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Ogillon (französisch auszusprechen). — Die Schmiede haben aus Ogun noch einige andere Orischas, so z. B. den Orischa Ogillon, Oglion oder Ognin. Der Vater dieses Gottes war Ibaliba, die Mutter Iwuata, seine Geburtsstadt Iwuata oder Iwata. Er war zu Lebzeiten ein überaus starker Mann, der häufig in den Krieg zu ziehen pflegte. Er gewann das Weib Jemuo, die schenkte ihm den Sohn Adatu. Ogillon war "Adagonde" = Bote in Iku, aber Ulufu in Ifon verwandte ihn in gleicher Eigenschaft. Diese beiden Könige pflegten ihn überall in der Welt umherzusenden, daß er Streitfragen schlichte und in ihrem Auftrage ordne.

Nachher ging Ogillon dann in die Erde., Er bringt das Blei oder Zinn (odje) für die Schmiede hervor. Daher verehren ihn die Schmiede. Sie pflegen ihm Ziegen, Jams, Agidi (Eko), Schnecken zu opfern



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und schlachten ihm sogar Kühe (malu). Sie bitten ihn, ihnen Geld, Kinder und alles, was ihnen sonst fehlt, zu geben. Wenn die Wünsche erfüllt werden, bringen sie wieder Opfer an Hühnern, Pairnwein usw. dar und danken ihm. Sein Priester heißt Alfa, ein Wort, das aber keinerlei Beziehung zu der Bezeichnung für "Mohammedaner" haben soll. Der Alfa versammelt gegebenen Falles Trommler und viel Volk, bindet Metallringe um den Arm und läßt tanzen. Alljährlich werden von den Schmieden Ogillon während dreier Monate Tanzfestlichkeiten veranstaltet. Es ist das im Anfange der Regenzeit. Zeichen der Priesterwürde dieses Alfa Ogillon ist ein weißer Turban. Ein Tempel für Ogillon existiert nicht.

Wir haben es hier überhaupt nicht mit einem richtigen Orischa im Sinne des sozial-religiösen Systems zu tun, sondern mit einer verhältnismäßig unbedeutenden Nebenverehrung.



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Enjille. Diese Gottheit ist von einem bedeutungslosen Lokalgeistchen zu einer immer mehr im Wachsen begriffenen Machtsphäre gelangt, ohne daß es möglich ist, den Grund und das Wesen der Erscheinung zu erklären. Die Legende der Ibadanleute lautet: Er war vordem ein Adjagossi, ein Mausefallensteller, der am Flusse Enjille sein Geschäft betrieb. Er hatte viele Nachkommen. Als er starb, ging er in den Fluß. Er ward ein Orischa, der tief unten auf dem Grunde lebt und den viele, viele besuchen. Früher sprach man nur vom Orischa Adjagossi. Jetzt aber nennt man ihn allgemein Orischa Enjille. Viele Leute verehren ihn, denn der Fluß ist sehr freundlich. Zumal sterile Frauen gehen an seine Ufer, werfen orakelnd aufgebrochene Kolanüsse hin und beten um Kindersegen, Gesundheit usw. Und deshalb soll der Fluß den Namen Enjille bekommen haben. Enjille soll soviel bedeuten, wie eine Sache, von der viele Leute Wohltaten erfahren.

Der Ursprung der recht zahlreichen Nachkommenschaft ist in der Stadtgemeinde Logu zu suchen, aus der später Orischa in den Fluß zog. Das Ewo oder Ewuo seiner Nachkommen ist Eri, der Elefant. Kinder tragen, um ihre Zugehörigkeit zum Klan zu beweisen, eiserne Armbänder, wie überhaupt alles Jägerische als Lebenssymptom und alles Eisen als sein Bevorzugtes gilt. Die Namen der unter seinem besonderen Wohlwollen und auf Fürbitte bei ihm hin geborenen Kinder sind:

Ode-inde = d. h. etwa: Jäger, der ihn besucht.
Ode-bumi = d. h. etwa: als Jäger gab er sein Geschenk (das ist das
Kind).
Omisaja = d. h. etwa: das Wasser hat ihr wieder bezahlt (nämlich was vorher als ein Opfer dargebracht
wurde).



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An Opfern für die Gottheit sind bevorzugt: Hahn, Ziegenbock, Kolanüsse, viele Getränke, auch der Schafbock, also männliches Getier. Verboten ist: Pferdefleisch und Palmwein. Repräsentiert wird die Gottheit ähnlich Osun durch eine Schale mit Kieselsteinen aus dem Enjilleflusse. Das aber, was uns an diesem Gottesdienste am auffallendsten erscheint, ist das eiserne kleine Gebilde von fünfzehn bis fünfzig Zentimeter Höhe, das vom Gotte Enjille seinen Namen erhalten haben soll und in vielfältiger Vertretung in andern Kultusformen Aufnahme gefunden hat. Es ist das eine Art kleiner, man möchte sagen Kandelaber, auf dessen Spitzen Vögelchen angeschmiedet sind, oft sehr zierlich, oft sehr roh. Man findet sie in jeder Stufe der Vollendung an außerordentlich vielen Kultusplätzen aufgestellt.

Das Volk nennt diese kleinen Eisenständer, die wir ja als hochgewachsene Exemplare schon oben bei der Beschreibung des Kultusgerätes Ifas kennen lernten, Enjille oder Ille und schreibt ihre Herkunft dem Gotte Enjille zu. Es ist aber durchaus möglich, das dies eine Volksetymologie ist. hie heißt an sich einfach Haus, Wohnung eines Gottes. Das Wort scheint keineswegs eine Abwandlung des Namens Enjille. Außerdem ist derjenige, der die hlleeisen ausgibt, verbreitet, zur Verteilung bringt, der Ada-usche, der Schamane, der zu dem Orischa Enjille keinerlei andere Beziehung zu haben scheint als zu irgendeinem andern Orischa. Die Beziehung der Enjilleeisen zu dem Orischa Enjille scheint mir also eine künstliche, und vorsichtigerweise wird man diese Kandelabereisen zunächst als hie bezeichnen. Immerhin trat durch diese anscheinend unmotivierte Volksetymologie der Orischa Enjille im nördlichen Joruba eine große Verbreitung im Volksinteresse gefunden.



***
Die Elefantenverwandlungslegende. — Bei den meisten Völkern finden wir Legenden darüber, daß Tiere in Menschenform mit den Menschen in Berührung kommen. Wir haben I die Plejadenform, bei der ein Jäger dem weiblichen Tiermenschen die Haut stiehlt (Dakka, Tschamba); 2. die Form, daß ein Tier als Mensch in die Stadt kommt, bei Nupe ein Fisch, bei Ankoi ein Löwe, bei Baschama ein Büffel, usw. (siehe unten Märchen Nr. 17 und 18), hier bei den Joruba nun ein Elefant. Die Legende lautet folgendermaßen:

In alter, alter Zeit kamen die Elefanten (Aerri[n]) auf den Markt, und zwar meistens auf die Landmärkte. Sie legten im Busch, ehe sie kamen, ihre Haut ab und traten dann als Menschen heraus. Es waren das sehr große Leute, die in weiße Stoffe gehüllt waren. Hatten sie ihr Marktgeschäft vollendet, so kehrten sie in den Busch zurück, legten ihre Haut an und liefen als Elefanten wieder von dannen.

Eines Tages nun sah eine Frau auf dem Markte einen solchen



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sehr großen weißgekleideten Mann. Die Frau sagte zu dem Manne: "Ich will mit dir dahingehen, wo du zu Hause bist". Der Mann sagte: "Das ist nur dann möglich, wenn du mich heiraten und meine Frau werden willst". Die Frau sagte: "Das will ich. Ich will als deine Frau bei dir bleiben". Der Mann sagte: "Laß es! Tue es nicht"! Die Frau sagte: "Ich will deine Frau werden". Der Mann sagte: "Dann komm mit"!

Der Mann ging. Die Frau folgte ihm. Der Mann kam in den Busch. Der Mann sagte zu der Frau: "Ich rate dir, kehre wieder nach Hause zurück". Die Frau sagte: "Ich will nicht zurückkehren; ich will deine Frau werden"! Der Mann ging in den Busch. Die Frau folgte ihm in den Busch. Als sie weit im Busch gegangen waren, sagte der Mann: "Ich rate dir, kehre wieder nach Hause zurück"! Die Frau sagte: "Ich will nicht zurückkehren, ich will deine Frau werden"! Der Mann ging weiter in den Busch hin. Die Frau folgte ihm immer weiter. Als sie an die Stelle kamen, wo der Mann seine Elefantenhaut abgelegt hatte, sagte er zu der Frau: "Ich rate dir, kehre wieder nach Hause zurück"! Die Frau sagte: "Ich will nicht zurückkehren; ich will deine Frau werden"!

Darauf nahm der Mann seine Elefantenhaut wieder um. Der Mann war nun wieder ein Elefant. Der Elefant hob seinen Rüssel (= Enjerri) auf, um die Frau zu fangen. Die Frau erschrak. Sie wandte sich um und lief fort. Die Frau lief so schnell sie konnte wieder ihrem Heimatsorte zu. Die Frau kam an ihrem Orte an und sagte zu dem Olodja (die Olodja waren die Marktschulzen der alten Märchenzeit, so wie die Mesi die Könige, die Olodumare die Göttlichen damals waren. Vor den Mesis gab es aber Olodjas, das sind die Dorfschulzen): "Ich sah einen großen Mann in einem weißen Kleide auf dem Markte. Ich wollte ihn heiraten. Ich ging mit ihm. Er sagte, ich solle nicht mit ihm gehen. Ich ging doch mit ihm. Im Busch nahm der Mann eine Elefantenhaut um. Er war ein Elefant. Er hob den Rüssel auf, um mich zu packen. Ich lief fort".

Der Olodja rief fünf Männer und sagte: "Sucht auf dem Markte den großen Mann mit dem weißen Kleide. Macht mit ihm Freundschaft und bringt ihn hierher". Die fünf Männer gingen auf den Markt. Auf dem Markte trafen sie den großen Mann in der weißen Kleidung. Die Männer machten mit dem großen Manne Freundschaft. Die Männer sagten zu dem großen Manne: "Wir wollen mit dir in dein Dorf gehen". Der große Mann sagte: "Ich rate euch, laßt es"! Die Männer sagten: "Wir wollen aber doch mit dir gehen"! Der große Mann sagte: "Dann kommt mit".

Der große Mann ging. Die fünf Männer folgten ihm. Der große Mann kam in den Busch. Der große Mann sagte zu den Männern: "Ich rate euch, kehrt wieder nach Hause zurück"! Die Männer sagten:



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"Wir wollen nicht nach Hause zurückkehren. Wir wollen als deine Freunde mit dir gehen"! Der große Mann ging in den Busch. Die Männer folgten ihm in den Busch. Als sie weit im Busch gegangen waren, sagte der große Mann: "Ich rate euch, kehrt wieder nach Hause zurück"! Die Männer sagten: "Wir wollen nicht zurückkehren, wir wollen als deine Freunde mit dir gehen"! Der große Mann ging weiter in den Busch hinein. Die fünf Männer folgten ihm immer weiter nach. Als sie zu der Stelle kamen, wo der große Mann seine Elefantenhaut abgelegt hatte, sagte er zu den Männern: "Ich rate euch, kehrt wieder nach Hause zurück". Die Männer sagten: "Wir wollen nicht zurückkehren. Wir wollen als deine Freunde mit dir gehen".

Darauf nahm der große Mann seine Elefantenhaut wieder um. Der große Mann war nun wieder ein Elefant. Der Elefant hob den Rüssel auf, um die Männer zu fangen. Die Männer erschraken. Sie wandten sich um und liefen fort. Die Männer liefen so schnell sie konnten wieder ihrem Heimatsorte zu. Die Männer kamen in ihrem Heimatsorte an und sagten zu ihrem Olodja: "Wir haben den großen Mann in dem weißen Kleide auf dem Markte gesehen. Wir haben mit ihm Freundschaft gemacht. Wir wollten mit ihm in sein Dorf gehen. Der große Mann sagte, wir sollten nicht mitgehen. Wir gingen doch mit ihm. Im Busch nahm der große Mann eine Elefantenhaut um. Er war ein Elefant. Er hob den Rüssel auf, um uns zu packen. Wir liefen fort".

Der Olodja sagte zu allen seinen Männern: "Paßt gut auf dem Markte auf! Wenn er wieder auf den Markt kommt, packt ihn und bringt ihn zu mir". Die Leute gingen nach fünf Tagen wieder auf den Markt. Der große weißgekleidete Mann kam aber nicht wieder auf den Markt. Die Elefantenmänner blieben seitdem von den Märkten weg und verwandelten sich auch nicht wieder in Menschen.


Copyright: arpa, 2015.

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