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Kapitel 

DIE ATLANTISCHE GÖTTERLEHRE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1926

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT EINER FARBIGEN TAFEL, 16 KARTEN

UND 87 ZEICHNUNGEN IM TEXT


7. Kapitel: Hohe Götter

Nachdem nunmehr schon so mancherlei über Sinn, Einfluß und Organisation der Götterlehre gesagt ist, wird es an der Zeit sein, einige Götter im speziellen in Augenschein zu nehmen.

Obatalla, der Gott des Himmels (und Olufan). —Sachgemäß beginnen wir mit dem großen Weltelternpaare, das ursprünglich aus Obatalla, dem Himmelsgotte, und Odudua, der Erdgöttin bestand*. An einigen Orten, zumal an der Küste, sind diese Götter in dieser Form noch sehr wohl bekannt; im Norden sind sie an mehreren Orten stark umgebildet und sogar im Verschwinden begriffen. Odudua, die Göttin der Erde, wird überhaupt in Ibadan nicht verehrt, und in Ife ist aus der Göttin ein Mann geworden. Obatalla hat dagegen hier in dem Namen Oscha-la (Oscha Orischa, la = Obatalla) eine verstümmelte Bezeichnung erhalten, und der einzige Priester, von dem ich einiges über diesen Gott zu hören vermochte, war sich nicht einmal ganz klar darüber, ob Oschalla ein Mann oder eine Frau sei.

Es soll einige Orte geben, an denen Oschalla ausgesprochen als Frau angesehen wird. Wir hätten also die Erscheinung vor uns, daß der Himmelsgott und die Erdgöttin einmal miteinander vertauscht wurden. Dagegen tritt in dieser Gruppe im zentralen Jorubalande ein neuer Name auf, der dem Süden ganz zu fehlen scheint, das ist die Gottheit Olufan. Der Priester sagte mir: "Oscha (=Orischa) Olufan ist der eigentliche Name des Gottes Oschalla, und Olufan bedeutet



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so viel wie der Oberste, der Besondere". Olufan oder Oscha-la ist der Himmel. Er hat weder Vater, noch Mutter. Anderseits soll Olufan aber der Herr und Gebieter, wenn auch der Nachkomme Oschallas sein.

Man sieht im wilden Durcheinander die Meinungen über eine Gottheit, die in diesem Landstriche keine rechte Sippenvertretung hat. Daß dennoch vieles dabei, ähnlich wie im Süden, an die klare und einfache Legende von der Vaterschaft des Himmelsgottes und der Mutterschaft der Göttin Erde erinnert, geht daraus hervor, daß die Gottheit Oschalla durch zwei aufeinanderliegende, d. h. also zugedeckte und weißbemalte Kalebassen dargestellt wird. Das ist ein Symbol, das dort, wo die Sage noch klar im Bewußtsein der Joruben lebt, die Geschlossenheit der Welt darstellt; die untere Kalebasse repräsentiert dann die Erde, die obere den darüberliegenden Himmel. Wenn also auch der volle Gehalt der Mythe verloren ist, so dürfen wir doch aus allerlei Anzeichen schließen, daß die Legende ursprünglich allenthalben dieselbe war.

Die Nachkommen Oschallas dürfen nicht genießen: Palmwein, Hund und Ziege. Geopfert werden den Göttern vor allen Dingen Schaf, Schnecke, Henne und Kola. Oschalla hat vor vielen Göttern besondere Kraft für Kindersegen. Wenn verheiratete Frauen gerne Mutter werden wollen, dann begeben sie sich zum Ille-Schole (oder Scharre) — das ist der Ort, an dem weder Palmwein getrunken, noch Hunde gegessen werden dürfen -, dort ist der. Tempel des Gottes Oschalla, den ich immer, nur in verschiedener Form, inmitten der Gehöfte sah. Einen eingebauten, rechteckigen Tembenbau, eine Banga Oschallas, habe ich nicht kennen gelernt. In diesem runden Tempelchen werden nun je nach den Wünschen der Frauen entsprechende Opfergaben und Gebete dargebracht.

Alle vierzehn Monate (also einmal im Jahre) ist das große Fest Oschallas, das fünf Tage in Anspruch nimmt und von der ganzen Bevölkerung feierlich begangen wird. An jedem Morgen dieser fünftägigen Festwoche wählt die Gottheit sich eine Frau aus, die dann solches als eine besondere Auszeichnung betrachtet. Den Frauen ist an dem Morgen des Tages, an denen sie vom Gotte erwählt werden, versagt, irgend etwas zu sprechen. Schweigend müssen sie die Wassertöpfe aufnehmen, schweigend müssen sie zum Bach herabgehen, unterwegs dürfen sie weder mit irgend jemand sprechen, noch irgendeinen andern begrüßen. Schweigend schöpfen sie das Wasser, und ebenso schweigend müssen sie, ohne einen Begegnenden zu beachten, den Rückweg antreten. Im Tempel wird dann das Wasser in den großen Krug des Gottes gegossen, und danach sind die Frauen von der Pflicht des zeremoniellen Schweigens befreit. Sie dürfen sprechen und begrüßen, wen sie wollen.



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Die heilige Trommel Oschallas heißt Egwi. Ich sah eine ganze Reihe von Exemplaren, die in mancherlei Form geschnitzt waren und in Bangba, einem Orte nahe Ife standen. Sie gehörten paarweise zusammen, und jedes Exemplar, das ausdrucksvoll als männliches geschnitzt war, stand stets neben einer Trommel, die eine Frauenfigur repräsentierte. Allem Anschein nach wurden sie außerordentlich hoch verehrt. Auf diesen und ähnlichen Trommeln wird in der heiligen Woche zum emsigen Tanze eifrig der Takt geschlagen. Heilige Trommeln aus dem Tempel des Orischalla, wahrscheinlich die Einheit Himmel-Erde symbolisierend (Frobenius-Expedition; C. Arriens del.)

Jedermann tanzt. Stets soll auf diesen Festen der eine oder der andere inspiriert werden, und solche Inspirierten nennt man dann Elegun Oschalla. Der Orischa nimmt in dem Kopf des Elegun Platz. Er spricht aus seinem Kopfe, und was er dann sagt, gilt als strenger Befehl. Durch ihn verkündet die Gottheit ihren Willen, dem in nächster Zeit unbedingt Folge zu leisten ist, und gibt genau an, was das Volk zu tun und zu unterlassen habe, um den Gott günstig zu stimmen. Solche Botschaft bezieht sich vor allen Dingen auf die Frauen, die sich bis dahin vergeblich nach einem Kind gesehnt haben, und denen nun Mutterschaft zugesagt wird. Die mit guten



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Aussichten Erfreuten erhalten dabei einen neuen Namen und haben sofort Schafe als Dankopfer darzubringen. Nie aber darf man dem Gotte Ziegen weihen!

Die zelebrierenden Priester, die an einigen Orten Adje, an andern Obo-Orischa heißen, schenken den Inspirierten, wenn sie in bedeutsamen Orakelsprüchen gute und erfreuliche Nachrichten verkünden, wertvolle Kleider, Armbänder aus Zinn usw.

In Ibadan wurden diese Feste weniger gefeiert als in benachbarten Städten, und Odudua ist hier, wie schon erwähnt, gänzlich unbekannt.

Merkwürdig ist nun die häufige und von absoluter Unklarheit zeugende Vermischung des Obatalla mit dem Gotte Olufan. Ich benötigte längere Zeit, um dem schemenhaften Gotte auf die Ursprungsfährte zu kommen. Den ersten Lichtblick erhielt ich in Ife, wo die Priester vor dem Eintritt in den Tempel dreimal das Wort "Allah"wiederholen. Ein Priester aus Ilescha sagte mir dann ferner, daß Ziegen, Hunde und Pferde die Speiseverbote der Angehörigen des Gottes bildeten. Das sind aber Dinge, die den Mohammedanern versagt sind. Also wurde mir dann klar, daß das Wort "Olufan" nichts anderes als das Wort "Al(u)fan" oder "Alfa" sein könne. Mit Alfa bezeichnen die Joruben aber die Islamiten. Speiseverbote und Name zeigen uns daher, daß der oberste Himmeisgott der Joruben, der Orischa Obatalla, mit dem obersten göttlichen Wesen des Islam identifiziert worden ist. Auch hat sich dann eine Erscheinung eingestellt, die in der Mythologie nicht selten ist. Es wurde von dem Islam eben eine Übertragung vorgenommen, wie sie von den modernen christlichen Missionaren auch häufig ausgeführt wird. Wenn die Missionare ein neues Land betreten, finden sie meist sehr bald heraus, daß das eingeborene Volk ein oberstes göttliches Wesen anerkennt; um nun das Verständnis für den Christengott anzubahnen, sagen sie dann wohl: "Unser Gott ist niemand anders als euer Obrun. Ihr müßt ihn nur alle sieben Tage verehren". So schmuggelte sich der siebentägige Sonntag bei vielen christianisierten Joruben ein, so wurde es an vielen Orten in neuerer Zeit Sitte, Olorun, der früher gar nicht verehrt worden war, anzubeten, und so wurde von dem Islam gesagt: "Unser Allah ist niemand anders als euer Obatalla oder Oschalla. Ihr müßt also, wenn ihr den großen Gott feiern wollt, Ziege, Hund und Pferd vermeiden". Derart schmuggelte sich der Alfa unmerklich ein und rief den Gott Olufan ins Leben.



***
Schango, der Donnergott. 1. Die Legende vom sterbenden Gotte. — Das gesamte dunkelhäutige Afrikanertum besitzt unter all seinen Göttern nicht einen, der in der Durchbildung der Mythologie wie in der Ausgestaltung des Kultus an einheitlicher Größe wie an



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Links: Krone des Schangooberpriesters; rechts: Ledertasche für Donnerkeile, eiserne Blitzschlangen und sonstige Symbole (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)



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phantasiereicher Ausstattung so bedeutend wäre, wie Schango, der Donnergott der Joruben. Von ihm heißt es, stamme der erste König des Landes ab. Seiner Nachkommenschaft gebührt heute noch das Recht, dem Lande Könige zu geben.

Schango war der bedeutendste Mann, der der Küstensage nach in Ife von der Alimutter Jemaja geboren wurde. Er ist ein gewaltiger, kriegerischer, ein mächtiger Gott, wie er nur je die Phantasie eines nach großen Formen strebenden Volkes in diesen Ländern befriedigen konnte. Er ist der Gott des Gewitters, der im Blitz den Donnerkeil schleudert, er ist der Gott, der die Gehöfte und die Städte niederbrennt, die Bäume zerspaltet und die Menschen erschlägt. Er ist grausam und wild, prächtig und doch wieder durch seine gewaltigen Taten segensreich. Denn mit seinen Fluten, die er aus den schwarzen Wolken herabsendet, gibt er der dürstenden Erde Keimkraft und verleiht er den Feldern Fruchtbarkeit. Deshalb fürchten ihn die Menschen, aber sie lieben ihn auch. Sie fürchten seinen Zorn, aber sie erflehen sein Herannahen. Sie stellen sich ihn vor als reitend auf einem Rosse, dem sie den Namen des Widders geben, weil er so schnell und fröhlich ist. Sie stellen ihn dar mit dem Donnerhammer in der Hand und umgeben von seinen Frauen, die die Flüsse und Lagunen sind. Denn er ist ein Gott, der das Wasser vom Himmel herniedersendet; und die Flüsse schwellen an, wenn er herabsteigt. Er wohnt in einem Palaste, der ganz aus funkelndem Messing besteht, und aus dem die Blitze erstrahlen. Er hat eine gewaltige Medizin. Die hat er durch den Mund zu sich genommen, und deswegen erstrahlt ein mächtiges Feuer, sobald er den Mund öffnet. Die Sage weiß zu erzählen, wie seine Gattin Oja, der Nigerstrom, einst von dieser Medizin gestohlen habe, wie dann auch ihr Mund erleuchtet sei; sie berichtet, wie der erzürnte Gott hinter der Flüchtenden herstürzte, die Götter niederwarf, die ihm entgegentraten, und endlich um Sonnenuntergang mit dem letzten Widerstande, den er selbst nicht zu überwinden vermochte, kämpfte und in die Erde stieg. Vom Gotte Schango wissen alle Völker des Jorubalandes zu erzählen. Viele von den Legenden enthalten Widersprüche, aber alles in allem bleibt die Grundgestalt dieselbe. In einem ist man sich nicht ganz einig, nämlich in der Frage, aus welchem Lande der Gott denn eigentlich stamme. Es wird aber möglich sein, auch diesen wichtigen Punkt klarzustellen. Hier einige Legenden:

In Ibadan erzählte man mir: Der Vater Schangos war Oronjan(g). Seine Mutter Jemodia; Oronjan(g)s Vater aber war Laro, Jemodias Vater hieß Aussi. Oronjan(g) war ein großer Krieger im Jorubalande. Er eroberte sich einmal Ilife, ward aber wieder daraus vertrieben. Er kam ins Okugebiet; da lebte Jemodia, die von den Takpa (das sind die Nupe) stammte. Dort heiratete Oronjan(g) die Jemodia.



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Heilige Figuren des Schangodienstes.

Links: Bild des Gottes Schango; in' der Mitte und rechts: Bilder der Göttin Oja; alle mit dem Donnerkeil-Doppelbeilsymbol auf dem Kopf (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)



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Sie blieb seine einzige Frau, und er nahm nicht nach Negerart eine zweite. Im Nupelande wurde dann Schango geboren. Oronjan(g) wurde in Oduma-usche König. Schango aber ward König im alten Ojo.

Als Schango in Ojo König ward, hatte er dort zwei Ironse (das sind hohe Beamte oder Höflinge). Der eine war Mokwa (oder Mogba), der andere Timi Agbali-Olofa-no. Schango liebte den Krieg über alle Maßen, und so sandte er denn oft Mokwa und Timi aus, daß sie für ihn Krieg führten und Städte zerstörten. Er war so kriegerisch, daß die Ojaleute zuletzt zusammentraten und sprachen: "Unser König vernichtet alles Land ringsum; wir wollen aber einen König haben, der uns nicht Sklaven gibt, sondern Essen"! Sie sandten nun Botschaft zu Schango. Die Gesandtschaft sagte: "Du bist König gewesen! Du warst zu streng; du warst zu grausam; du bist schlecht. Deshalb mußt du aufhören, König zu sein". Schango hörte die Botschaft an. Er sagte: "Ich sehe das alles. Mokwa wird euch das später erklären. Ich bin ein großer Oni-Scheggo (Magier). Niemand kann mich zwingen. Ich bin aber selbst dieses kleinen Lebens überdrüssig". Schango ging fort. Er nahm einen Strick mit sich und ging in den Busch. Den Strick befestigte er an einem bestimmten Baume. Dann erhängte er sich. Er hing sich selbst an dem Stricke auf.

Das Volk kam zu dem Baume. Das Volk sah und hörte, was geschehen war. Das Volk rief: "Ist das Schango? Ist das Schango? Ist das Schango"? —"War das der König von Ojo? War das der König von Ojo? War das der König von Ojo"? — "Hat Schango sich erhängt? Hat Schango sich erhängt? Hat Schango sich erhängt"? — Mokwa hörte das und sagte zu den Leuten: "Wenn Schango hört, wie ihr über seinen Tod sprecht, so wird er euere Häuser verbrennen; denn er ist nicht gestorben. Ich will euch aber erklären, wie das alles gekommen ist".

Mokwa sprach weiter:

"Schango sandte alle Tage Mokwa und Timi aus, daß sie Krieg führten und Völker vernichteten und Städte zerstörten. Morgens sagte er: ,Geht hin und tut das und das'! Wir gingen hin und taten das. Abends kamen wir wieder und sagten: ,Wir haben das ausgeführt'! —Schango antwortete: ,Nein, das genügt mir nicht. Morgen müßt ihr fortgehen und weiteres tun'. Wir gingen täglich. Schango spie Feuer aus dem Munde und hieß uns gehen. Wir gingen und taten. Mokwa und Timi, wir beide, kamen eines Tages und sagten: ,Wir gingen in deinem Auftrage vorgestern fort, um eine Stadt zu zerstören. Wir gingen heute fort, um eine Stadt zu zerstören. Wir mußten alles tun; wir müssen alles tun. Du aber hauchst Feuer aus deinem Munde. Das ist alles'! Darauf sagte Schango: ,Ich sehe, ihr seid unzufrieden mit meinem Willen, aber ich bin so stark,



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Heiliges Gerät des Schangodienstes;

Schangostäbe und Donnerkeilsymbole (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)



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daß ihr doch das tun müßt, was ich von euch verlange. Das will ich euch zeigen. Ihr seid gekommen, um euch gemeinsam über mich zu beschweren und mir zu sagen, daß ich nichts tue. So zwinge ich euch denn hiermit, daß ihr gegeneinander fechtet'. Darauf fochten wir zusammen; wir konnten nicht anders. Wir waren beide stark und unsere Schwerter gut. Mokwa tötete endlich Timi. Ich habe Timi getötet. Timi, der Kamerad Mokwas starb. Mokwa sagte darauf zu Schango: ,Du hast mich nun gezwungen, diesen Mann zu töten. Der Mann war aber nicht mein Feind. Deshalb will ich dich jetzt auch töten'. Schango sagte: ,Was? Du willst mich töten? Du glaubst mich töten zu können? Rufe alles Volk in der Stadt zusammen; sprich mit dem Volke. Höre das Volk. Und merke auf, was nachher geschieht'. Ich, Mokwa, rief darauf alles Volk zusammen.

Mokwa sagte zu dem Volke: ,Jeden Tag sendete der König Schango, Mokwa und Timi aus, Städte zu zerstören und das Volk zu vernichten. Mokwa und Timi wurden müde. Mokwa und Timi kamen sich zu beschweren. Schango zwang Mokwa und Timi gegeneinander zu kämpfen. Mokwa und Timi kämpften. Mokwa tötete Timi. Mokwa sagte zum Könige Schango: ,Du hast mich gezwungen, Timi zu töten. Timi war nicht mein Feind. Nun werde ich dich töten'. Schango sagte: ,So rufe das Volk'. Ich, Mokwa, habe das Volk gerufen, nun seid ihr hier, nun bestimmt'!

Das Volk sagte: ,Schango muß das Land in fünf Tagen verlassen'. Das Volk sagte es Schango. Schango nahm einen Strick und ging in den Wald. So ist die Sache. Es ist wahr, niemand hätte Schango töten können. Schango ging aus eigenem Willen".

So sagte Mokwa zum Volke. Mokwa sagte weiter zum Volke: "Wenn nun in Zukunft einer sagte: ,Schango erhängte sich', so soll ihm die Ogumedizin ins Haus gesetzt werden, die ihn verbrennen macht". Mokwa erwählte fünfzig andere Mokwa (dies ist der Titel der Priester Schangos) und setzte das Ogu in jedes Haus, in dem ein Mann sagte: "Schango hängte sich auf". Nach Schangos Tode wuchsen auf seinem Grabe zwei Ketten; das war infolge von Schangos starker Medizin. An diesen Ketten stieg Schango dann zum Himmel empor. Schango hatte seine magische Kraft nicht von sich selbst. Schango erlernte und ererbte die Kraft von dem Schamanen Adja Ganti. Adja Ganti aber war der Großvater (?) Oronjan(g)s, also Schangos Urgroßvater. So lernte er das Feuer hervorzurufen, das als Flamme aus seinem Munde schoß. Schangos einzige Ehefrau war (nach Ibadanglauben) Oja, die Lagune. Diese Oja war eine gewaltige, ausgezeichnete Jägerin und betrieb ihr Handwerk mit ungeheurer Geschicklichkeit. Sie jagte alle wilden Tiere im Busch, Leoparden, Antilopen und Elefanten. Oja hatte einen jüngeren Bruder, der begleitete die Schwester überall hin auf den Jagdzügen. Als



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Schango sie geheiratet und später sich erhängt hatte, verwandelte Oja sich in den Nigerstrom.

Ein Mann aus Ilescha gab dazu noch folgende ergänzende Berichtigung: Oja war Schangos Weib; sie geht auch heute noch als Gattin vor ihm her und fegt vor ihm den Weg rein. Vorher war Oja schon einmal verheiratet gewesen, mit Ogun, der aber sehr böse war, so daß sie zuletzt zu Schango lief, ihn heiratete und bei ihm blieb. Oja gilt als die Mutter der Kinder Schangos, also als die Mutter der Alafine, des Königsgeschlechts in Ojo. In ihrer jetzigen Gestalt lebt sie heute mit Schango im Himmel. Wenn die Zeiten der Festlichkeiten der Oja herannahen, d. 1. Dezember oder Januar, gehen viele Leute zum Flusse und opfern ihr. Die Priester und Priesterinnen Ojas töten stets Schafe, nie aber Ziegen für die Göttin. Ziegen zu töten oder zu verzehren, ist ein Verbot.

Das Hinabsteigen des Gottes zur Erde wird in vielen Legenden berichtet. Einige Versionen müssen hier noch eingefügt werden. Als Mokwa einst im Kriege war, sandte Schango dem Volke von Ojo die Nachricht, man solle Holz aufstapeln, nicht weniger als vierundzwanzig Fuß hoch, und zwar mitten auf der Straße. Darauf solle man Palmkerne werfen und Palmöl gießen. So ward alles bereitet, und dann legte Schango Feuer daran. Als das Feuer dann hoch emporlohte, warf Schango Mokwa oben darauf. So ward Mokwa zu Asche verbrannt. Sobald aber Mokwa verbrannt war, wurde er wieder zu einem lebendigen Manne. Darüber war Schango sehr erstaunt. Schango sagte: "Was Mokwa kann, soll ich auch können. Ich will aber nicht zum Menschen werden, sondern zum Orischa"! Darauf nahm er sein Schurzfell und sechzehn Kauri (Muscheln). Er ging in den Busch zu einem Anjobaume. Er erhängte sich. So wurde Schango ein Orischa, denn er stieg zum Himmel auf; so wurden die Kauri ihm heilig, denn man wirft sie für ihn; und so wurde Mokwa sein erster Priester.

Noch interessanter ist die andere Legende von den beiden Heerführern, schon allein deswegen, weil sie im Anfange einige organisatorische Anordnungen Schangos bringt, welche in starkem Gegensatze zu dem sonstigen Mangel an ethischen Postulaten bei diesen Völkern steht. Sie stammt aus der Umgebung Ibadans und lautet:

Der König Schango war im Takpalande geboren. Er verlangte als erste Sache die Wahrheit und haßte die Lüge. Er wollte auch nicht, daß die Leute einander vergifteten. Zum dritten wollte er nicht, daß die Joruben einander bestahlen, daß sie in den Städten einer in das Haus des andern gingen und Sachen wegnahmen, die ihnen nicht gehörten. Wenn jemand gegen diese drei Gebote verstößt, wird er von Schango, der heute ein Orischa ist, getötet. Schango kommt



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dann im Ara, im Gewitter, und tötet die Menschen mit dem Steine Ara-dung, das ist unser Donnerkeil.

Schango war zu Lebzeiten ein Oni-Scheggo und ging an einer Kette zum Himmel empor. Oben tötete er sich, und das kam so: Er hatte im Kriege zwei Enondje (das sind Vertreter oder Boten), von denen der eine sehr schlecht, der andere sehr gut war. Der schlechte Enondje war Edschu, der gute Ossenj. Eines Tages sagte Ossenj zu dem in Ojo lebenden König Schango, daß Edschu erklärt habe, Schango dürfe nicht wiederkommen. Edschu war aber damals in Kuschi im Jorubagebiete. So machte sich denn Schango auf den Weg, um Edschu in Kuschi zu treffen. Unterwegs hängte sich Schango aber an einem Anjobaume auf. Deswegen nennt das Volk ihn bei seinem Anruf immer noch Obaku-su! Schango ging dann an einer Kette in den Himmel.

Ohne Schwierigkeit erkennen wir hier an den beiden deutlich benannten Angestellten des Königs den oftmals als bösartig bezeichneten Gott Edschu, den Oberaufseher der Götter überhaupt, und in dem Gotte Ossenj, die segensreiche Kraft des Schamanen, die Divinationskraft, die magische Kraft, durch die ja auch die Götter sich den Menschen nur mitteilen können. Ich sagte schon oben, daß die ethischen Postulate, die Forderungen, Gutes zu tun, zunächst unnegerhaft klingen, und will deswegen das einfügen, was ich hierüber von Ojoleuten hörte. Nach einem von ihnen, der selbst Mitglied der Königsfamilie war, stammen allerdings die Alafine von dem Donnergotte Schango ab. Es hat aber zwei verschiedene Schangos gegeben. Der eine, der ältere, ist der Schango Takpa oder Schango Taba, und der andere der Mesi Schango. Jener, der ältere, muß schon seinem Namen nach aus dem Nupelande gekommen sein. Der zweite aber kam aus Borgu. Dieser Mesi kam an der Spitze der Alledjennu ins Jorubaland und wurde der erste Mesi. Mesi heißt nun in allen alten Geschichten und Erzählungen "König". Ein heute noch angewendeter Titel ist es nicht, und die Sage berichtet, daß die Dynastie der Mesi Schango von den später wieder zur Herrschaft gelangenden Taba Schangos unterworfen und verdrängt, und daß damit alle Mesis wieder abgesetzt worden seien. Mesi Schango sei stets als Reiter auf einem Pferde dargestellt. Mit Mesi Schango sei diese Darstellungsweise überhaupt erst Sitte geworden. Schango Taba wurde dagegen in einer Widdermaske gedacht. Von dieser Art Widdermaske gibt es in Ojo zwei, die als Deckel einer Schachtel dienen, in der die Feuermedizin des Gottes gelegen hat.

Ganz deutlich und klar unterscheidet die Sage hier zwei Dynastien, von denen die eine, die ältere, die zeitweilig durch die andere verdrängt wurde, den Gott in Widdergestalt mit der Zaubermedizin auffaßt, während die inzwischen regierende das Reiterbild und vor allen



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"Osse Schango";

doppelbeilartige Szepteramulette des Schangodienstes; die unteren zum Aufstellen in den Feldern (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)



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Dingen die Postulate, gut zu tun und zu leben, eingeführt habe. Diese zweite Dynastie, die eine Zeitlang im Jorubalande, von Norden her eindringend, die Oberhand gewonnen hat, wird uns in dem Teile, in dem wir die eigentümlichen mittelalterlichen Ausstrahlungen der Sahara und der Sudankultur zu besprechen haben werden, eingehend beschäftigen. Hier sondern wir diesen Teil der Legende aus und wenden uns dem Kultus jenes älteren Gottes zu, der die Feuermedizin und den Blitz und den Donner hinter der Widdermaske verbirgt. (31;

2. Der Kultus des widderliduptigen Biitzgotles. — Keinem Gotte werden im Jorubalande auch nur annähernd so große Opfer und Zeremonien gewidmet, wie dem Götterkönige Schango. Das Verschiedenartigste wird dargebracht am Tage des großen Festes, das, wie die Joruba sagen, jeden vierzehnten Monat, d. h. in jedem November und in jedem Gehöft eines Schangosprossen unter Leitung eines Mokwa festlich begangen wird. Arme schlachten nur einen Schafbock und feiern dann drei Tage, Wohlhabende aber lassen vom Oberpriester eine ganze Zahl opfern und halten dann wochenlang Fest. Wir hatten in Ibadan einen Nachbarn, der war Omo-Schango, Schangosproß, er war wohlhabend und prunksüchtig und hat drei Wochen lang Schafböcke schlachten lassen. Das Getrommel der Jubilierenden hörte nicht eher auf, unsere Ohren zu erquicken, als bis wir nach Ife abmarschierten. Jedes opferte den Schafbock oder die Böcke in seinem Hause, aber ein Mokqua oder Mokwa, ein hoher Priester Schangos, muß das Opfer vollziehen. Er erhält dafür seinen Anteil am Festbraten und nimmt den mit heim. Leider wollte mir niemand Genehmigung geben, dem Opferfeste beizuwohnen.

Sind die familiären Privatopfer schon in ihrer Art prunkvoll, so muß das Gemeindefest geradezu großartig sein. Im Hofe des alten Mokwa versammeln sich alle älteren und angesehenen Mitglieder der Schangogemeinde. Es wird allerhand Opfergetier gebracht. Vor allen Dingen natürlich einige möglichst alte und würdige Schafböcke. Dann aber auch Ziegen, denn nur dem Ojapriester ist es verboten, Ziegen zu genießen, den Schangokindern nicht. Ferner werden gebracht Hühner, dann Krüge mit Palmwein und Maisbier, Paketchen mit Kolanüssen usw. usw. Die heilige Opferung wird vorgenommen. Das Blut fließt über die Donnerkeile, wird gegen die Altardecke gespritzt und über Töpfe und Bildnisse gegossen. Es scheint eine bestimmte Gesetzmäßigkeit daran zu walten, denn nur wenige und bestimmte Stellen im Tempel und auf dem Altar fand ich blutbedeckt. Vor allem, wie gesagt, die "Blitzsteine"und die Altardecke.

Nach Vollzug des Opfers beginnt das versammelte Volk ein Mahl. Es wird abgekocht und geschmaust. Nur der leitende Oberpriester



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muß sich der Speise enthalten und auch seinen Anteil an den Schafböcken verteilt er an die Leute seines Hauses. Der Mokwa muß fasten, die Gebete absolvieren und all seine Gedanken dem Gotte widmen. Er muß zuvörderst vom Gotte die Botschaft erhalten, wen er sich als Bambeke, als Orakelwerfer, wünsche. Denn das Orakel des Schango liest der Hohe Priester nicht selbst. Den Orakelleser wählt die Gottheit, und zwar erleuchtet sie den Mokwa so, daß er ihre Gedanken versteht. Das Orakel selbst wird nach zweierlei Art abgelesen, einmal durch Wurf von sechzehn Kaurimuscheln, das soll mehr im Süden üblich sein, dann durch Aufbruch und Auswurf von mehreren Kolanüssen. Letztere Form, die im Sangodienste Aquaobi oder Agba-obi genannt wird, herrscht in Ibadan entschieden vor. In beiden Fällen handelt es sich beim Ablesen um die Frage, ob mehr Stücke auf die flachen oder konvexen Flächen fallen. Und in der Sache handelt es sich um die Frage des Wohiwollens der Gottheit, die der Gemeinde oder besonderen Persönlichkeiten ein besonders ereignisreiches oder glückliches oder unglückliches Jahr verheißt. Wiederholte Opferungen (bei augenscheinlicher Verstimmung), Schmausen und Trinken lösen dann einander ab, bis man zum Tanze übergeht.

Die Batte wird geschlagen. Der Tanz hebt an. Die Tänze der Schangofeste sind keine gemeinüblichen Belustigungen, es sind hochheilige Maßnahmen mit einem tiefen Sinn, und die ganze Gemeinde wartet mit Spannung darauf, ob sich das "Große" und "Bedeutungsvolle" diesmal ereignen wird oder nicht. Das Bedeutsame liegt aber in einer direkten Inspiration durch den Gott selbst. Solches Ereignis erfolgt unvorhergesehen, impulsiv, plötzlich. Ich sprach einen Mann, der von allen sehr hochgeachtet war. Denn vor einigen Jahren hatte sich Schango in ihm niedergelassen und durch seinen Mund zum Volke gesprochen. Der schlichte Mann machte weder einen affektierten, noch betrügerischen, noch irgendwie berechnenden Eindruck. Aber er sprach mit so natürlicher Wärme von dem großen Ereignis seines Lebens, daß ich keine Spur von Schwindel wahrzunehmen vermochte. Ich fragte ihn, wie es damals zugegangen sei und erfuhr nun von ihm ganz einfach folgendes: Er hätte getanzt wie alle andern. Er hätte sehr stark getanzt. Dann hätten einige Leute neben ihm gesprochen, ob es wohl heute einen Elegun Schango (einen Inspirierten) geben würde. Einer hätte gesagt, man könne das nie vorhersagen, auch nicht durch das Agba-obi, auch der Mann selbst könne es nicht vorher wissen, denn es könne jedem zufallen. Da sei ihm sehr eigenartig geworden, er hätte in die Banga springen, eine Ose Schango ergreifen müssen und was dann weiter geschehen sei, wisse er nicht mehr. Es sei sehr angenehm gewesen. Abends habe er dann viel getrunken und sei betrunken eingeschlafen. Am andern Tage hätten



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ihn alle sehr geehrt und da hätte er erst gehört, was sich mit ihm ereignet hätte. — Ich glaube, diesen Bericht hier einzuflechten, hat seinen Wert; es braucht nicht alles Betrug und Schwindel zu sein.

Die Erzählungen von Leuten, die solche Feste und hochwogende Stimmungen miterlebt haben, klingen ganz gleichlautend. Ohne daß es vorherzusehen ist, läßt sich Schango in den Kopf eines Tänzers, Mann oder Weib, nieder. Der (oder die) Inspirierte rennt in die Banga, ergreift eine Ose Schango, eine jener schönen keulenartigen Schnitzwerke, oder ein Sere Schango, eine Klapper dieses Gottesdienstes. Die Person beginnt zu tanzen vor den andern. Man sieht ihr die Inspiration sogleich an. Ein vom Schango oder überhaupt von einem Orischa Ergriffener tanzt ganz anders als andere Menschen. Und sicher geben solche Ekstasen uns fast unbekannt gewordene Physiognomien ab. Dem Tanzenden schließt sich der Battaschläger, der Schläger der heiligen Trommel, dann das Volk an. Der Begeisterte verläßt den Tempelhof. Er tanzt seinem Hause zu. Alles Volk folgt ihm. Jeder weiß und sagt, daß das ein Freund (ein Liebling) Schangos sei. Daheim wird der vom Gotte Geehrte für Schafbock und Kauri, für Kola und Getränke aufkommen, sodaß sein Dankesgefühl aller Welt offenbar werde. Sind an dem Tage noch andere, dem Gott Gefällige da, so wallt der Zug von einem Manne zum andern. Er kann mehrere Menschen inspirieren, aber nur nacheinander, nicht gleichzeitig. —Und was diese Begeisterten und Inspirierten reden, das ist Orakelweisheit.

Für Ibadan ist noch eines Weges zu gedenken, den die Begeisterten stets ziehen. Der Zug jedes Inspirierten geht zum Hause des jeweiligen Bale. Im Hofe des Balehauses wird wieder getanzt, und der hohe Herr wird auf jeden Fall den von Gott Begnadigten selbst ehren. Er nimmt seine Balemütze, die Akitajo, ab und setzt sie vor dem Gotte im Menschenkörper zur Erde. Das ist die höchste Ehre, die ein solch hoher Herr überhaupt erweisen kann, da seine Stirne, ehe nicht das Henkerschwert sie etwa plötzlich vom Körper trennt, nie den Erdboden berührt.

Mokwa und Bambeke haben den Zug des Inspirierten nicht begleitet. Sie liegen inzwischen daheim im Tempel im Gebet. Aber der Bale hat ihnen zu spenden und sendet durch den Inspirierten, der einfach nur als Schango selbst oder als Elegun Schango bezeichnet wird, ein ganz rotes Kleid, Kauri und Kolanüsse. Diese Gaben werden unter die Priester verteilt, die ihrerseits der Gemeinde dieses oder jenes Geschenk geben.

Die Inspiration durch die Gottheit wird oftmals durch Namensänderung dem Gedächtnisse erhalten. In solchem Falle soll es hier und da Sitte sein, alle Versammelten mit neuen Namen zu bedenken. Als typisch wurde mir genannt:



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Schango Lade, d. h. etwa "der Reichtum Schangos kommt zu uns."
Schango Jemi, d. h. etwa "Schango ist gut für mich".
Schango Dunusi, d. h. etwa "Schango ist gut zu verehren".
Schango Obati, d. h. etwa "der Erste, den Schango inspirieren
wird".

Wenn jemand bei solcher Gelegenheit einen solchen Namen gewann, so wird der alte Name nicht mehr geführt. Die Person wird nur noch beim neuen Namen gerufen. Wenn sie dann aber vom Schango inspiriert wird, so erhält sie für die ganze Zeit eben immer den Namen "Schango" oder "Schango selbst" oder so und die Bezeichnung mit dem alten Namen ist dann nicht zugelassen.

In diesen Festtagen werden allerlei altertümliche und bizarre Kultformen und Kulthandlungen ausgeführt. Eine der interessantesten besteht im Feuertanz. Folgendes erfuhr ich davon: Der Feuertänzer hat einen Feuertopf (= Adjeri) oder auch nur einen Korb (=Agba) auf dem Kopfe, indem das Jena Schango, das Feuer Schangos brennt. Er macht erst einige anscheinend ziemlich wilde Runden und ist dann mit magischen Kräften gefüllt. Dann kann er leicht wunderbare Handlungen ausführen. Mit der Hand ergreift er z. B. Erde, und während er sie berührt, wird sie zu Salz oder auch zu Kaurimuscheln. Er vermag sich ein Ohr abzuschneiden und das heilige Feuer, das auf seinem Haupte brennt, wird es einsetzen. Er kann die Zunge aus dem Halse trennen, und das heilige Feuer wird sie wieder anwachsen lassen. Er reißt sich ein Auge heraus, er brennt es im Feuer und verzehrt es dann. Das Auge des Feuertänzers wird wieder ersetzt und er wird tagklar sehen können wie vorher. Solcher Tanz wird im großen siebentägigen Fest aufgeführt und die Batta begleiten ihn.

Eins ist aber außerordentlich wesentlich in allen diesen Dingen. Die Möglichkeit, solche Wunderwerke zu Ehren Schangos auszuführen stammt nicht vom Gott selbst, sondern sie sind verliehen von dem Ossenj oder Ose(i)nj, das der Ada-Usche, der Schamane verleiht. Es geht nicht von dem Donnergotte selbst aus. Es ist auch hier wieder die Schamanenkraft. Man hat Ossenj auch als Orischa bezeichnet. Aber eine Gottheit in unserem Sinne ist dieser Ossenj ebenso wenig, wie etwa Sigidi oder verwandte Erscheinungen. Man treibt unter den Joruba selbst Mißbrauch mit dem Worte Orischa, bezeichnete Ibedji wie Oro und Egun als Orischa, ohne daß deren Entwicklungsform oder -höhe auch nur die geringste Berechtigung hierzu böte. Was nun Ossenj anbelangt, so haben wir es nicht mit einem Gott, sondern mit einer Kraft zu tun, die eben die magische Kraft der Schamanen, das "Belebende", das "Wunderwirkende" ist und die, wie schon oben gesagt, jeder priesterlichen Handlung den Konnex mit der zugehörigen Gottheit verleiht.



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Am Ende jenes Zaubertages nun, an dem zu Ehren des Donnerers so viele wunderbare Dinge ausgeführt sind, wird der Feuertopf zum Schangopriester zurückgebracht. Der verlöscht das Feuer. Und wenn es übers Jahr wieder entzündet werden soll, muß der Schamane erst Kopf und Oberkörper des Tänzers gut vorbereiten, so daß die Flamme ihm nichts anhaben kann. Ohne Ossenj keine Wundertat. Hat doch die Gottheit selbst ihre magische Kraft durch einen Schamanen erhalten, so daß der große König aus seinem Munde Feuer hauchte. Wenn dieser Feuertanz des Schango in den Tagen stattfindet, in denen die Sonne sich wendet, so wird allenthalben das Feuer gelöscht und jeder Mann nimmt einen Brand von Schangos Feuer mit. Den Schangodienern ist dies dann das Fest des neuen Jahres.

Selbstverständlich gehört in den Schangodienst, wie in jedes ausgebreitete und ältere Verehrungssystem, eine Unmasse von Kleinkram des Aberglaubens. So gilt seit Schangos Todesfahrt das Kraut Ogbo, auch Ogungun, Odidin oder Tete genannt, als ausgezeichnetes Medikament gegen alle möglichen Krankheiten, heut die durch den Blitz Getroffenen und die im Gewitter Erkrankten. Niemand anders als Schango selbst hat das Mittel den Alten gezeigt und sie angewiesen, es mit Schibutter, Palim- oder Nußöl zu mischen und anzuwenden. Irgendeine ähnliche Bewandtnis muß es mit den im Schangodienst geschlagenen Battatrommeln haben und mit einem Zauberspruch von "Ninis Tod". Man erzählte mir u. a.: Schango hatte einen Sohn, der hieß Nini. Der ging häufig in den Krieg und wurde im Kriege getötet. Das Volk schlug die Trommel Batta und verkündete allenthalben: "Schangos Sohn Nini ist gestorben". Aber seit damals darf niemand von Ninis Tod sprechen, wenn ein Nachkomme Schangos stirbt. —Die Quintessenz dieser Legende, die auf einen Zauberspruch herauslaufen soll, habe ich nicht verstanden.

Wie jede totemistische Gruppe dieses großzügigen, sozialfeingliedrigen Kultes, hat auch die Schangogemeinde, die Nachkommenschaft des Donnerers, ihr Ewou, ihr religiöses Speiseverbot. Die Omo-Schango dürfen weder die Maus Eku oder Ego, noch das Eichhörnchen Esuro verspeisen. Eigenartig ist es mit den exogamischen Gesetzen der Familie. Daß kein Schangosohn eine Priesterin der Oja, der einstigen Gattin des Gottes, die heute noch als Göttin im Winde vor ihm (dem Gewitter) herbraust und den Weg reinfegt, heiraten darf, daß die Ehe unter den Schangokindern im allgemeinen verboten ist, versteht sich nach dem oben Gesagten von selbst. Anders ist es mit dem Gesetz, dem die Ehe der Mokwa, der Priester unterworfen ist. Der Mokwa darf an einigen Orten Schangotöchter ehelichen, an andern Orten müssen seine Frauen Schangotöchter sein. Das erinnert daran, daß bei manchen hochedlen Stämmen und Familien



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des Sudans die Fürsten ihre eigenen Töchter ehelichen, so die Kaiserfamilie der Mossi und die Regenten der Asande-Avungara.

Einige weitere Worte mögen nun dem Kultusgeräte des Gottes gewidmet werden. Fast auf allen fürstlichen Türen sehen wir das Abzeichen des Gottes, erstens die Steinbeile (Donnerkeile), dann die außerordentlich variantenreichen Tanzkeulen, die Ose Schango, und endlich die langstieligen, offenbar aus der Form der Flaschenkürbisse hervorgegangenen Tanzrasseln, die Sere Schango abgebildet, dann auch Tänzer mit diesem Gerät. Es ist eben die Gottheit der herrschenden Familie, die allenthalben ihr Vorrecht geltend macht. Auf den Altären sehen wir die mit Kaurimuscheln besetzten Ibauri Schango, die Priesterhüte, an den Wänden der Tempel die Laba Schango, die hübsch gemusterten großen Ledertaschen, deren Sinn und Bedeutung ich durch keinerlei mythologische Erklärung zu verstehen vermochte. Hier und da sind die geflochtenen Gürtelbänder, die den lnspirierten über geworfen werden, zusehen. Die Oko-Schango, heilige Töpfe mit allerhand Figuren, zuweilen auch sehr ausgesprochene phallische Ornamente bergen das Opferwasser. Es ist ein reicher Schatz von Emblemen, die im Tempel und auch über den Weg zu den Feldern angebracht sind und aus deren Anwendung immer die doppelte Bitte spricht nach fruchtbarem Regen und Gewitter, ohne Menschenverlust durch Blitzschlag.

Wo aber der Bauer auf seinen Feldern alte Steinbeile findet, da hebt er sie sorgsam auf und legt sie zur Saatfrucht oder auf dem Altare des Gottes als sein Symbol, als sein Werkzeug nieder, mit der Bitte, seine Felder immer richtig zu bedenken und ihm Regen und Erntesegen gewähren zu wollen.

Werden wir durch die Bezeichnung der Steinbeile als "Donnerkeile" schon an unsere eigene alte Mythologie erinnert, so fällt solche Parallelität doppelt auf, wenn wir hören, daß das dem Gotte als liebste Nahrung geltende Tier neben dem Huhn der Bock ist. Schango liebt und fördert den Schafbock, den Widder. Als ich am letzten Tage meines Aufenthalts in Ibadan schon das zum Abmarsch bereitstehende Pferd im Hofe besichtigte, scharrte es frisch und munter. Ein alter Jorube betrachtete es wohlgefällig und sagte meinen Leuten offenbar etwas dem Pferde sehr Schmeichelhaftes. Ich fragte, was er gemeint habe, und hörte zu meinem Erstaunen, daß er die Munterkeit des Pferdes mit der Fröhlichkeit "der Schafböcke Schangos"verglichen habe. Weiter befragt, sagte der alte Freund: "Schango steht, wenn er im Gewitter über den Himmel hinzieht, auf Schafböcken, und die liebste Speise des Gottes besteht im Widder". Oben erzählte ich aber, daß Schango in Ojo durch eine Widdermaske dargestellt wurde, unter der seine heilige, leuchtende Medizin verborgen liege.



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Schankpanna. — Das ist der grauenvolle Gott der Pocken, von odem ich im Norden und Süden recht verschiedenartige Legenden hörte. Dieser fürchterliche Gott scheint uns so recht ungeeignet, der Stammvater einer großen Nachkommenschaft zu sein. Die Leute in Ibadan führen seine Abstammung ebenso wie die des Donnerers Schango auf das Volk der Takba, der Nupe, zurück. Dort soll er einer bedeutenden Familie entsprossen sein, die sich aber später außerordentlich gespalten hat. Schankpanna soll nach Ibadananschauung ein ebenso großer König gewesen sein wie Schango. Er wird überhaupt von den Ibadanleuten in der Legende stets mit Schango in Parallele gestellt; dies stimmt aber, wie wir gleich sehen werden, nicht mit den besseren Angaben des Nordjoruben überein. Betrachten wir aber erst einmal die eigentümlichen Sitten der Feste und des Kultes dieses Gottes.

Als wichtigstes Verbot wurde mir der Anbau der Pflanze Njamati (Sesam), die im Haussa Sure heißt, angegeben. Sie darf nicht nur in der ganzen Stadt nicht angepflanzt werden, sondern ihr Samen soll sogar nie dem Gehöfte einer Schankpannafamilie nahekommen. Ereignet sich solches, so tötet Schankpanna viele, viele Leute, alte und junge Männer und Weiber. Schankpannas Leute dürfen nicht davon genießen oder den Samen in ihr Haus nehmen, sonst tötet die erzürnte Gottheit sie durch Pocken. Eine Pockenepidemie ist in einem solchen Falle sicher.

Haben die Pocken sich eingestellt, so können die Kranken in Schankpannas Tempel gehen. Hier sehen wir recht deutlich, daß jede Gottheit nicht nur ständig von ihrem Klan, ihrer Nachkommenschaft verehrt wird, sondern daß ihr nach Bedürfnis alle Leute nahen, die im besonderen mit ihrer Wirkungskraft oder ihrer Eigenart oder ihrer Betätigungsform es zu tun haben wollen. Daher geht der Erkrankte, ganz gleichgültig, ob er ein Schankpannasohn ist oder nicht, in den Tempel des fürchterlichen Gottes und bittet um Erlösung. Die Priester waschen den Erkrankten erst mit heißem Sande, dann aber mit einem Medikament, das selbstverständlich geheim gehalten wird. So behandelt, genest der Kranke schnell, wenn er nicht eine besondere Freveltat gegen den schrecklichen Gott begangen hat.

Das große Fest des Gottes wird im September begangen. Geopfert werden dann Ziegen und Palmöl, Hühner und Bananen. Die aufgeteilte Ziege wird in einem großen Topfe unter Beifügung von Mais und viel Palmöl zubereitet. Man stellt vier große Töpfe mit diesen Gerichten her. Danach tragen einige Leute Sand an die vier Ecken der Stadt, d. h. nach den vier Himmelsrichtungen. Auf die vier Sandhaufen werden die vier Töpfe mit dem wohlbereiteten Ziegengericht gesetzt. Die Prozession der Omo-Schankpanna zieht



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von einer Himmeisrichtung nach der andern und besucht die Opfertöpfe, indem sie den Weg im Osten beginnt. Sie zieht dann zu den Töpfen im Norden, dann im Westen und schließt im Süden. Hier treffen wir zum ersten Male auf die hohe, bedeutungsvolle Grundfigur des jorubischen Templum. Hernach wird geschmaust und außerordentlich viel Palmwein getrunken, worauf dann der Haufe sich zerteilt und eine jede Familie in ihr Gehöft zurückkehrt.

Daß die Familien Schankpannas nur exogamisch heiraten dürfen, versteht sich von selbst. Die Speiseverbote beruhen aber nicht nur in der untersagten Njamatispeise, sondern auch in der Versagung des Pferdefleisches, und zwar wird dies ganz außerordentlich streng gewahrt, wie überhaupt der ganze Schankpannakultus sich durch rigorose Handhabung auszeichnen soll. Wenn z. B. der Mann einer Schankpannatochter Pferdefleisch genießen will, so muß er es sich schon selbst zubereiten, da die Schankpannafrau es nicht in ihrem Wohnraum nehmen, nicht anfassen, geschweige denn kochen darf; und die Priester werden ihm nahelegen, solche Gerichte in einem Gehöfte bereiten zu lassen, in welchem sich keine Schankpannanachkommen befinden.

Die Schankpannatöchter tragen eine Haartracht, ähnlich derjenigen der Schangotöchter. Sie heißt Ogba-langwe. Zöpfe sind in der Richtung von vorn nach hinten über den Kopf gelegt, so daß eine Art Helmtracht zustande kommt. Sie weicht aber doch etwas von der Tracht der Schangofrauen ab. An den Schangodienst erinnert fernerhin die Handhabung schwerer Holzkeile, die aber meistens oben blau bemalt und grob in der Arbeit, nie aber so graziös wie die oft an polnische Schmuckwerke erinnernden Osse-Schango gearbeitet sind. Eigenartig für den Kultus des Schankpanna sind die hohen, meist halb rot, halb weiß bemalten Hocker, die vor dem Altar stehen.

Wie gesagt, weiß die Mythologie der Nordjoruben nichts davon, daß Schankpanna aus dem Takbalande gekommen sei. Die Angaben dieser Leute sind so klar und übersichtlich, daß wir ihnen unbedingt folgen müssen. Sie unterscheiden sehr scharf zwei verschiedene Schankpanna, von denen der eine als Schankpanna-boku, der andere als Schankpanna-aero oder Schankpannaero bezeichnet wird; der erste ist ein böser, der zweite ein guter Gott.

Schankpanna-boku macht krank; er macht so krank, daß der Mensch, der von ihm mit seiner Krankheit belegt wird, meist stirbt. Dieser Schankpanna ist kein eigentlicher Jorube. Seiner Familie nach stammt er von den Egun oder von den Dahomey ab. Er war zu Lebzeiten ein streitsüchtiger Mann, der die Sprache des Egunlandes redete, und daher kommt es, daß ein Jorube oder ein Nupe, wenn er von dieser Krankheit erfaßt wird, auch diese Sprache redet; er redet



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dann wie die Egun, denen man eine lallende und plappernde Redeweise nachsagt.

Dieser schlimme Mann siedelte einst mit seiner ganzen Familie aus dem Dahomeylande nach Ojo (Altojo) über. Diese Familie war eine Egunfamilie. Der Mann Schankpanna hatte sehr, sehr viele Ogus (Zaubermittel), und damit hatte er in Dahomey Streit angefangen, weshalb ihn die Dahomey mitsamt seiner ganzen Familie vertrieben hatten; und Schankpanna zog nun mit seinem ganzen Anhange an jungen und alten Leuten nach Ojo. Hier bemühte er sich, den Alafin zu überreden, seine eigene Streitsache zur königlichen zu machen und das Egunland mit Krieg zu überziehen. Als Schankpanna also nach Altojo gekommen war, ging er zum Alafin und sagte ihm bald alles, was geschehen war. Schankpanna hatte dabei in der Hand eine Schere mit einer Kette daran. Als Schankpanna gesprochen hatte, sagte Alafin: "Du hast also viel Streit gehabt. Wir brauchen dich nicht in Joruba". Der abgewiesene Schankpanna ging mit Zorn hinweg. Er nahm Sesam (Njamati) aus seiner Tasche. Er streute die Sesamkörner weit über den Boden hin. Dann schlug er mit der Schere und Kette auf den Boden. Die Erde spaltete sich sogleich und Schankpanna stieg hinein. Kaum aber war Schankpanna in die Erde gestiegen, so kam seine Krankheit über das Volk. Viele, viele Menschen erkrankten, und viele Leute starben. Alle Leute kamen zum Alafin und sagten: "Hemme diese Krankheit! Sieh, daß wir nicht alle sterben"! Der Alafin sagte: "Was kann man dagegen tun? Diese Krankheit kommt von Schankpanna, der in die Erde gegangen ist. Was sagte nun dieser Schankpanna, ehe er starb"? Die Leute sagten: "Frage den Babalawo. Das kann nur der Babalawo sagen". Der Alafin ließ einen Babalawo rufen.

Der Babalawo des Alafin kam. Der Alafin fragte ihn: "Was können wir gegen die allgemeine Krankheit tun"? Der Babalawo sagte: "Ich will meine Oquelle nehmen". Der Babalawo nahm das Oquelle und fragte: "Wer hat diese Krankheit gebracht"? Der Babalawo nannte alle Orischas. Er nannte den Namen Schangos. Er nannte den Namen des Gottes Schankpanna, er nannte den Namen Oguns. Das Oquelle sagte: "Das ist die Sache des Mannes, der hier weggetrieben worden ist, der Mann ist aber nicht gestorben, sondern er ist in das Land der Egun, aus dem er stammte, zurückgegangen". Der Alafin fragte: "Wie kann man es erreichen, daß kein Mensch mehr an der Krankheit stirbt"? Der Babalawo warf wieder das Oquelle. Der Babalawo sagte: "Daran, daß viele Menschen an der Krankheit Schankpannes sterben, ist zunächst nichts zu ändern. Der Alafin gehe aber mit angesehenen Leuten zu der Stelle, an der Schankpanna in die Erde gestiegen ist. Er nehme einen Topf, der mit Wasser gefüllt ist, mit sich. An der Stelle, wo der Schankpanna in die Erde



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gestiegen ist, liegt noch die Schere und Kette. Nehmt die Schere und Kette auf und legt sie in den Topf mit Wasser. Dann bringt den Topf mit der Schere und der Kette in die Stadt". Der Alafin machte sich mit vornehmen Leuten auf den Weg. Sie nahmen einen Topf mit Wasser mit sich. Sie gingen an die Stelle, wo Schankpanna in die Erde gestiegen war. Sie fanden da die Schere. Sie nahmen die Schere auf und legten sie in den Topf mit Wasser. Dann trugen sie den Topf in die Stadt Ojo.

Der Alafin ließ den Babalawo rufen und fragte: "Was soll nun geschehen"? Der Babalawo warf das Oquelle und sagte: "Nun muß ein Owua (als Owua bezeichnet man eine Art riesiges Becken, mit dem heilige oder unheilige Flüssigkeiten ausgesprengt werden) genommen werden, den soll man in den Wassertopf tauchen, in dem Schankpannas Schere liegt, und mit dem Wasser soll man dann jeden besprengen, der an der gräßlichen Krankheit erkrankt. Jeder Besprengte wird dann gesunden". Dies geschah.

Dann warf der Babalawo das Oquelle wieder und sagte: "Als Schankpanna in diese Stadt flüchtete, brachte er seinen ganzen Anhang mit. Darunter muß sich auch der Vater (Baba, dieser Baba braucht nicht nur der Vater, sondern kann jeden älteren Verwandten, also Onkel, Großvater usw. bedeuten) befinden. Diesen müßt ihr suchen. Bringt den Topf mit der Schere zu diesem. Er soll für ihn sorgen". Die Leute suchten den Vater Schankpannas, sie brachten dem Vater Schankpannas den Topf. Der Mann fragte: "Was soll ich mit dem Topfe"? Der Mann ging zu dem Babalawo.

Der Mann fragte den Babalawo: "Die Leute brachten mir einen großen Topf, in dem Wasser und die Schere Schankpannas ist. Was soll ich damit"? Der Babalawo sagte: "Wenn du in dieser Sache Schankpannas nicht opferst, wird ganz Ojo sterben". Der Mann sagte: "Dann will ich es tun. Wie soll ich aber das Opfer darbringen"? Der Babalawo warf das Oquelle, dann sagte er: "Du opferst ihm allerhand Tiere: Huhn, Ziege, Schaf, Pferd. Du darfst sie aber nicht mit dem Messer töten. Du mußt sie mit deinen Händen fassen und die Arme, mit der Innenseite gegeneinandergelegt, weit vorstrecken. Wenn du die Arme dann zur Seite führst (etwa dem Turnkommando: "Seitwärts streckt"entsprechend), so stirbt das Tier, das so auseinandergezogen wird, von selbst. Dann darfst du das Tier nicht mit deinem Messer zerlegen. Du mußt hierzu ein hölzernes Messer nehmen". Der alte Egunmann sagte: "So werde ich es tun".

Der alte Schankpannapriester führte das das erstemal aus. Da kam ein Käfer herangeflogen, der flog immer um den Schankpannatopf herum. Man suchte den Käfer zu verscheuchen. Der Käfer ließ sich nicht verscheuchen. Er kam immer wieder. Zuletzt wollte man den Käfer totschlagen. Man vermochte ihn aber nicht zu töten. Also



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fing man den Käfer und brachte ihn zum Alafin. Man sagte zum Alafin: "Dieser Käfer fliegt immer um den Topf Schankpanrias. Wir können ihn nicht verscheuchen. Wir können ihn nicht weg treiben. Wir können ihn nicht töten. Was ist das mit dem Käfer"?

Der Alafin sagte: "Das kann ich euch nicht sagen. Ich will den Babalawo rufen". Der Babalawo des Alafin kam. Er warf das Oquello. Der Babalawo sagte: "Dieser Käfer ist der Enniferri Schankpannas. Er ist der Bläser Schankpannas. Der Käfer ist deshalb so laut. Er wird immer kommen, wenn Schankpanna etwas will. Er wird konimen, wenn Schankpanna eine Krankheit bringen will. Er wird koinmen, wenn Schankpanna ein Opfer verlangt. Also laßt diesen Ennifern Schankpannas fliegen, wie und wo er will". — Seitdem sagt man von einem Menschen, der immer mit aller Welt Händel anfangen will: "Er macht Lärm wie der Käfer Schankpannas", und das bezieht sich nicht nur auf Schankpanna selbst, sondern auch auf seinen "Bläser".

Die Anhänger und Verwandten dieses Schankpanna-boku sind zunächst und vor allen Dingen demnach die Egunleute. Danach scheint es so, als wenn dieser abstoßendste Gott von den Ewe herübergekommen sei, und in der Tat finden sich dort ganz ähnliche unheimliche Krankheitsgötter. Dann aber schlossen sich der Verehrung dieses unheimlichen, mordlustigen Gottes viele schlechte Menschen an, die Schlechtes geübt haben und Schlechtes vorhatten. Unter den eigentlichen Joruben aber, so behaupten die Nordostjoruben, von denen dieser Bericht stammt, gäbe es keine Nachkommenschaft von ihm. In der Legende aber scheint es, als wenn-viele Überlieferungen von Schango auf Schankpanna übertragen worden sind. Auch die Nupe haben mir bestätigt, daß Schankpanna nicht aus ihrem Lande gekommen sei. Wir haben also hier einen Gott aus dem Südwesten vor uns, der dem Jorubensysteme assimiliert worden ist.

Ganz anders verhält es sich mit Schankpanna-aero, d. h. dem Gotte, dessen Anhänger in Nordjoruba Armbänder von Kauris, "Uaero" oder "Wuaero", tragen. Er gilt im Gegensatze zudem Schankpannaboku als eigentlicher Joruba-Orischa, wenn wir seinen Ursprung auch sogleich als einen ziemlich mühsam konstruierten erkennen werden. Die Legende von diesem Schankpanna-aero besagt auch hier:

Früher kannte man Schankpanna-aero nicht. Die Frau einer Orunfamilie (also der Familie eines Sonnengottes) in der uralten Stadt Oru, die zwischen Ibadan und Ilorin liegt, fühlte einmal ihre Mutterschaft herannahen. Als das Kind geboren war, war es ganz heiß. Auch hatte es an der Kehle ein großes Geschwür. Das Kind lebte nur ganz kurze Zeit, dann starb es. Bald darauf fühlte die Frau wieder ihre Mutterschaft herannahen. Es wurde wieder ein Kind geboren. Das Kind war wieder ganz heiß und es hatte an der Kehle ein



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Geschwür. Auch dieses Kind lebte nur ganz kurze Zeit, dann starb es. Die Frau ward zum dritten Male Mutter. Es ward wieder ein Kind geboren mit einem großen Geschwür an der Kehle. Auch dieses Kind starb dann bald.

Der Vater der Kinder ging nun zu einem angesehenen Babalawo und befragte ihn über die Sache. Der Babalawo warf das Oquelle und sagte dann: "Ich sehe, ihr seid Nachkommen Oruns (des Sonnengottes). Dieses ist aber ein Zeichen Schankpannas. Schankpanna will euch damit zeigen, daß ihr dasselbe seid, wie Orun. Da es aber eine Angelegenheit Schankpannas ist, so geht zu den Leuten Schankpannas".

Nun sind die Babalawo aber Ifa-Anbeter, also die Orakelleute der Schangodynastie. Die Schankpannaleute haben aber einen eigenen Orischa, der ihnen das Orakel deutet, das ist der Orischa Osoko. Osoko ist eine Figur, die mit Kaurimuscheln besetzt ist und in der Hand ein Schwert aus Zinn hält. Das Orakel Osokos besteht aus fünfzig halben Kaurimuscheln, die geworfen werden. Aus der Lage, wie sie fallen, erkennt man das Schicksal.

Die Familie ging also zum Priester Osokos. Der Priester Osokos warf die Kaurimuscheln. Dann sagte er: "Ihr sollt in Zukunft das Opfer Oruns machen; ihr sollt es wie früher tun; von nun an sollt ihr es aber nicht mehr für Orun, sondern für Schankpanna bereiten, da dieser Schankpanna-aero derselbe ist, wie Orun. Tragt in Zukunft das Kauriarmband Schankpannas". Die Leute taten es. Danach wurden genügend Kinder geboren, die leben blieben. Wir sehen hier also ganz deutlich ausgesprochen, wie mit dem aus Südwesten gekommenen Schankpannadienste der alte Orundienst neu belebt wird.



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Ogun, der Gott der Schmiede und des Krieges. —Der Orischa Ogun wird im ganzen Jorubalande hoch verehrt. Niemand weiß zu sagen, aus welcher Landschaft die Gottheit hervorgegangen ist. Sie gilt durchweg als eingeboren, in vieler Hinsicht als echte Gottheit der Joruben, die über das Kriegsglück des einzelnen und aller, wie über das Wohl und Wehe der Eisenarbeiter und Metallhandwerker, sowie aller Handwerker überhaupt wacht. Es ist der wahre Gott des Krieges und jedes kunstfertigen Gewerbes. Also alle Krieger, Schmiede, Jäger, Holzarbeiter usw. bringen ihm ihre Opfer dar, wenn sie auch zum Teil nicht zu seinem Klan gehören. Dabei will ich betonen, daß keinerlei kastenmäßige Volksgliederung bei den Joruben vorliegt; wenn aber ein Schango- oder Schankpanna- oder Oschunsohn usw. Schmied wird, zum Kriege auszieht oder das eiserne Hackenblatt als Ackerwerkzeug zur Hand nimmt, wird er stets erst dem Orischa Ogun seine Verehrung erweisen.



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Das Heiligtum dieses Joruba-Schmiedegottes liegt nicht in der Stadt, sondern weit draußen im Busch. Es ist das Ibo-Ogun, das hier draußen außerordentlich häufigen Besuch erlebt. Das erinnert uns daran, daß bei vielen afrikanischen Völkern auch die Schmiedewerkstätten nicht in der Stadt, sondern vor den Toren angelegt werden müssen, angeblich wegen der drohenden Feuersgefahr. Der oberste Priester Oguns, der Queto-Oschin, lebt gemeiniglich in der Stadt, kommt aber zu jedem größeren Feste hinaus. Der Gott selbst wird in dem Busch durch ein starkes Ida, eines jener Schwerter, die den Bronzezeitformen so ähnlich sind, repräsentiert. Heute finden diese schönen alten Waffen wohl schon seit geraumer Zeit keine kriegerische Verwendung mehr; aber auf den verschiedensten Altären, zumal denen des Gottes Ogun, trifft man sie nicht selten an, und die Exemplare, die ich für die Sammlung gewinnen konnte, stammen nicht aus Waffenkammern, sondern von Altären. Der Gott Ogun wird als Schwert dargestellt, so wie Mars im alten Italien und der Kriegsgott bei den Skythen.

Vor diesem Symbol des Gottes wurden bei mancherlei Gelegenheiten reiche Opfer und Gaben dargebracht. Man nannte mir als vorzüglich beliebt und dem Gotte angenehm: Ente, Schafbock, Ziege, Palmwein, einmal nannte man auch den Hund; das wurde aber mit dem Hinweis, daß nur der Ogun der südlichen Egba Hunde liebe, bestritten. Eigenartig berührt es, daß gerade diesem kriegerischen Gotte fein verflochtener Blätterschmuck geweiht wird, der in seiner Zierlichkeit an den leicht vergänglichen Schmuck der Südseeinsulaner erinnert. Man nennt ihn Miruo-Oquo und fertigt ihn aus den zarten Herzblättern der Palmbäume an. Den Schmuck legen die Teilnehmer erst vor Beginn des Festes an, am Eingange des Heiligtums, kehren aber mit ihm nach vollendeter Weihe in die Stadt zurück. Begegnen sie nun auf dem Heimwege andern Anhängern und Nachkommen des Gottes, die irgendwie abgehalten waren, das Fest im Busch mit zu begehen, so ziehen sie sich einige Blätterstreifen aus dem Kranze und legen sie dem Entgegenkommenden um den Hals, um zu zeigen, daß sie auch Nachkommen des Eisen- und Erzgottes sind.

Ganz besonders prunkvoll werden vor Beginn eines Krieges solche Feste begangen. Dann ziehen nicht nur die Kinder des Gottes und die Schmiede, sondern auch alle andern Krieger zum Oguntempel hinaus und sparen nicht an Opfern. Sie bitten dann um alles, was das Herz eines schwarzen ausziehenden Kriegers bedrängen kann, um Schutz, um Erhaltung der Gesundheit, um Beute, reiche Beute, um viele tote Feinde und großen Kriegsruhm. Ich hörte, daß bei solchen Festen nicht selten ein Mensch geopfert wird, daß man dessen Herz herausschneidet, zerbricht und in eine Speise tut, die dann die



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Führer gemeinsam genießen; Mut und Kraft soll dadurch wachsen. Dagegen konnte mir niemand von einem Dankesfeste nach vollendetem Kriegszuge berichten.

Ein anderes Fest, das diesem Eisengotte gut ansteht, wird vor Beginn der Regenzeit begangen, nicht eigentlich draußen im Buschheiligtume, sondern in der Stadt, und zwar von jeder Familie im eigenen heiligen Winkel. Da werden dann alle Hackenblätter, die der nächsten Feldbaukampagne dienen sollen, zusammengelegt und mit einer aus Jams und Palmöl bereiteten Speise bedeckt. Darauf folgt das Gebet. Der Hausherr bittet, daß während der folgenden Arbeitszeit seinen Kindern nichts Böses geschehen möge, daß ihre Arbeit gedeihe, daß niemand mit dem Werkzeug sich beschädige, daß keine Leoparden, keine Schlangen die Buscharbeiter verletzen oder gar töten möchten. Danach essen die, die zur Arbeit hinausziehen, von der Speise, aber nur das, was obenauf liegt, so daß noch genug an den Eisenblättern hängen bleibt. Und so beginnen viele Arbeiter mit einem Gebete ihre Unternehmungen, und dies nicht nur, wenn das Ambo-Ogun oder Ambogun, das größte Fest, begangen wird, zu dem alle Anhänger und Angehörige, geschmückt mit den besten Kleidern, in den Busch hinauspilgern.

Die eifrigsten Verehrer des Gottes sind fraglos die zwei Gruppen der Schmiede, die Alagwede-Ille-Dudu, die Schwarzschmiede, und die Alagwede-Sude, die Gelbgießer, gleichgültig, ob sie nun eigentliche Nachkommen des Gottes sind oder nicht. Im Allgemeinen verdient hier vor allem Beachtung, daß die Schmiede ihre Ofenwerke und Schmelzarbeiten mit einer Bitte an Ogun zu beginnen pflegen, und daß außerdem hier der Anschluß an einen alten Schlangendienst vorzuliegen scheint. Die Schmiede nämlich, und vor allem diejenigen, die Nachkommen Oguns sind, haben eine Medizin, die von dem Gotte stammt; wenn sie die ihren Frauen und Kindern eingeben, werden diese dadurch in den Stand gesetzt, im Busche Schlangen zu greifen und mit ihnen zu spielen, ohne daß die Tiere ihnen schaden können. Ich sah in Ibadan mehrere Frauen, die sehr hübsch mit Schlangen spielten, solche Spiele auf den Märkten vorführten und von den Zuschauern kleine Gaben einheimsten. Giftige Schlangen waren aber nicht darunter. Es waren Schmiedefrauen, die mir berichteten, es sei wahr, daß viele Frauen in ihren Häusern Schlangen hielten. Sicher ist auch, daß der zeremonielle Repräsentations-oder, wenn wir so wollen, Zauberstab der Schmiede, der sog. Ewoana-Ogun, mit einer Biegung in einen Haken auszulaufen pflegt, der ganz deutlich einen Schlangenkopf darstellt. Das sind dann gleichermaßen Symbole des Ogundienstes und der Schmiedevereinigung.

Das führt uns zum Vergleich mit den allgemein üblichen Ewoana oder Ewuana, oder auch schlechtweg Uana, d. h. Gelbgußfiguren



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von mehr oder weniger stilisierter Form. Es gehört, wenn man sie auch einzeln zu bestellen oder einzukaufen pflegt, immer ein Paar zusammen, nämlich eine männliche und eine weibliche Figur, die dann durch eine am Scheitel befestigte Kette miteinander verbunden werden. Diese Ewuana werden unbedingt entweder als Darstellung irgendwelcher Eltern- oder Großelternpaare, oder als Urahnen der dem Gotte Ogun entsprungenen Schmiedefamilien, oder endlich merkwürdigerweise als Symbole des Ogboni in Anspruch genommen. Hinsichtlich letzterer muß allerdings zugegeben werden, daß die Eda-Ogboni und die Ewuana-Ogun sich zum Verwechseln ähnlich sind.

Nun berichtet eine Sage, daß der Ogbonibund einst von Schmieden, und zwar von Schmieden aus dem Stamme des Gottes Ogun gegründet worden sei. Also nicht nur, daß die Ogbonileute heute noch die Symbole des Gottes Ogun als ihre eigenen tragen! Wir werden später darauf zurückkommen und zeigen, wie bei vielen höher entwickelten Völkern Westafrikas die Schmiede in alter Zeit die zeremonielle Leitung und Gerichtsbarkeit in Händen gehabt haben. — Also ist sehr wohl anzunehmen, daß die Behauptung, Ogun sei ursprünglich ein Hauptgott aller Orischas gewesen und habe seinen Machtbereich niemals auf einzelne Kreise beschränkt, den Tatsachen entspricht.

Die Speiseverbote (Ewuo) der Nachkommen Oguns sind Hühner und Schlangen.

Anhangsweise möge erwähnt werden, daß der Hauptgott Ogun noch einen andern bedeutungsvollen, wenn auch in der Mythologie wenig hervortretenden Gott in seinem Gefolge hat, den Orischa Ogilion. Dies ist der Gott des Zinngusses, der die Menschen seinerzeit eine besondere Legierung, das Tschinkall, gelehrt hat. —Die große Bedeutung dieser Legende für den Ursprung der Metalliegierungen wird an anderer Stelle dargelegt werden.



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Oko, der Gott des Feldbaues. — Der Name dieses Gottes bezeichnet sowohl die Hacke als ihre Form. Diese Gottheit hat nicht nur eine große Anzahl von Nachkommen, sondern eine noch größere von Anhängern, da jeder Jorube, der sein Feld bestellt, ihr Verehrung zollt. Demnach kann nicht wundernehmen, wenn die Joruben, zumal die Bewohner des nördlichen und zentralen Landesteiles, eine Reihe von Legenden über Öko zu berichten wissen. Von ihnen will ich erst eine Tradition der Ibadanleute, nachher eine solche der nördlicheren Stämme bringen.

Bei einer Stadt Irao, die ziemlich weit weg von Ibadan, in westlicher Richtung gelegen ist, lebte vor längerer Zeit ein sehr, sehr alter Mann in den Farmen. Dieser alte Mann war vom Himmel gekommen und nicht auf der Erde geboren. Dieser sehr alte Mann hatte sehr viele Kinder (will sagen: Nachkommen), die aber nicht



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Darstellungen des Gottes "Oko",

die linke 22,5, die rechte 21 cm. hoch (col!. L. Frobenius; C. Arriens de!.)



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wie er in dem Feldgehöfte, sondern in der Stadt Irao lebten. Wenn diese Kinder aus der Stadt herauskamen, nach ihm zu sehen, so sahen sie ihn manchmal, manchmal aber auch nicht. Das kam, weil er sich manchmal sehen lassen wollte, ein anderes Mal aber nicht. Er ging immer zwischen den Farmen umher. Er konnte nicht lange ruhen. Er war so alt, daß er zum Gehen einen Stützstock benutzte. Er ging ein wenig, dann legte er den Stützstock fort, hockte, wenn er ermüdet, nieder und ruhte aus, bis er wieder bei Kräften war. Hatte er sich erholt, so richtete er sich an seinem Stützstocke auf, ging ein wenig weiter und sah hierhin und dorthin und stellte den Stock dann wieder fort, um sich zur Ruhe niederzuhocken. Schritt für Schritt ging er langsam durch die Felder, um überall nach dem Rechten zu sehen.

Als er ganz alt geworden war, kamen seine Kinder aus der Stadt und sagten zu ihm: "Du hast es in den Farmen schlecht; komm mit uns in die Stadt. Wir wollen dort gut für dich sorgen". Erst wollte der Alte nicht, dann überredeten sie ihn. Er ging aus der Farm in die Stadt. Er ging an seinem Stock Schritt für Schritt. Er ging langsam, ganz langsam. Wenn er ermüdet war, legte er den Stock zur Seite und hockte nieder, um sich auszuruhen. Er erhob sich, ging ein Stück und ruhte dann wieder aus. Er kam ganz langsam zu der Stadt und dann in das Gehöft seiner Kinder. Er wohnte nun im Gehöft seiner Kinder (will sagen: Nachkommen).

Eines Tages kam ein Mann aus den Farmen, durch die der alte Mann früher immer gewandert war. Er kam in die Stadt und brachte einen Korb Feldfrüchte und Hühner mit. Er fragte die Stadtleute: "Ist nicht ein ganz alter Mann hier angekommen? Wo wohnt er"? Die Stadtleute zeigten ihm das Gehöft. Bald kam ein anderer aus den Farmen mit Geschenken und fragte: "Ist nicht ein ganz alter Mann hier angekommen? Wo wohnt er"? Es kamen immer mehr Leute aus den Farmen, brachten Geschenke und fragten die Stadtleute: "Ist nicht ein ganz alter Mann hier angekommen? Wo wohnt er"? Endlich sagten die Stadtleute untereinander: "Welch merkwürdiger Mann, dem die Farmleute so viel Jamsiasten als Geschenk bringen. Wir wollen ihn auch einmal besuchen". Einige Stadtleute nahmen Geschenke, gingen in das Gehöft und begrüßten den alten Mann. Andere nahmen Geschenke, gingen in das Gehöft und begrüßten den alten Mann. Alle Stadtleute kamen zuletzt mit Geschenken zu dem alten Manne, um ihn zu begrüßen. So ward der alte Mann in der Stadt allgemein verehrt. Eines Tages war der alte Mann aber gestorben. Als man ihn nun begraben wollte, war die Leiche des alten Mannes verschwunden. Es war nur noch der Stock da, auf den er sich immer gestützt hatte. Da brachte man dem Stock die Ehren dar, die man sonst dem alten Manne, das war der Orischa



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Öko, erwiesen hätte. Alle Leute jedoch, die aus der Stadt und aus den Farmen kamen, um dem Orischa Öko die Ehren zu erweisen, legten an seinem Platze die Gaben nieder. Und seitdem feiert man ihm alljährlich ein großes Fest, das wird mit vielen Opfern und allerhand Schmausereien begangen. —Das ist die Okolegende der Ibadanleute.

Den Nachkommen des Orischa Öko ist es verboten, erstens von einer Schlange zu essen und zweitens neuen Jams, d. h. Ischuegbado zu genießen, ehe das große Fest des Orischa Öko begangen ist. Als würdigstes Opfer für ihn wurde mir hier häufig das Perihuhn genannt. Dargestellt wird die irdische Gestalt oder das Symbol des Orischa Öko stets mit Kaurimuscheln. Zuweilen hängen dicke Stränge davon einfach in einer Nische der Wand, ein anderes Mal sind sie um eine Holzfigur gewunden oder über einen Stock geschlungen oder aber an einem Messer befestigt. Verehrung zollen dem Gotte außer seinem Klan besonders die Farmbesitzer, die von ihm vielfältige Ernte erflehen und erhoffen.

In den Okodienst fällt nun eine sehr interessante Sitte, die volle Beachtung verdient!

Einige Tage vor Beginn der Regenzeit wird im Busch ein Fest gefeiert, welches Odu-Oscha-Arugu (besser Aruru) genannt wird. Zwei priesterliche Persönlichkeiten wachen über den Vollzug der Zeremonien. Die eine ist der Ob genannte Priester, die andere die Jemo genannte Priesterin. Um sieben Uhr abends machen sich alle Frauen und Mädchen, die an dem Feste teilzunehmen wünschen, auf den Weg, um zu der Stelle im Busch zu gehen. Eine jede hat vorzügliches Essen bereitet und ihre besten Kleider angezogen. Sie trägt die Speisen mit in den Busch und nimmt außerdem eine Matte mit. An ihrer Spitze hält die Jemo Einzug auf den Festplatz. Nur solche Frauen gehen zu dem Feste, die sich nach einem Kinde sehnen. Sobald nun die Männer gewahren, daß sich die Weiber auf den Weg gemacht haben, so gehen die, die an solchen tollen Streichen Lust finden, auch dorthin. Der Olopriester führt sie.

Im Busch wird zuerst Feuer angezündet, und es hebt zunächst ein behagliches Essen und Trinken an. Wenn jedermann gesättigt ist, kann sich jeder Bursche auf dem Umwege durch den Ob von der Jemo das Recht zum Beischlafe mit dem Weibe ausbitten, das ihm unter den Anwesenden am meisten zusagt. Und wenn nicht schon ein anderer vorher von dieser Frau eine Zusage erhalten hat, so legen sich diese beiden gemeinsam auf eine Matte. Es herrscht dann Dunkelheit; denn das Fest wird immer in die Zeit absoluter Dunkelheit verlegt. Im übrigen begnügen sich die Leutchen nicht mit diesem einmaligen Genuß; vielmehr vermischen sie sich nachher und bis zum Morgen nach allem Vermögen, aber anscheinend immer so, daß die Priester darum wissen.



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Dieses höchst eigentümliche Fest, das im Sudan durchaus nicht vereinzelt ist, soll, wie gesagt, in einem ganz unklaren Zusammenhang mit dem Okodienste stehen. Daß die Periode im Jahre, in die es fällt, eine allgemeine Beziehung zum Ackerbau und der Fruchtbarkeitsförderung anzeigt, ist ziemlich selbstverständlich. Noch bedeutungsvoller wird die Zeremonie durch zwei Angaben, die ich kurz vor Abschluß meines Aufenthalts im Jorubalande erhielt. Erstens sagte mir nämlich ein alter Mann: "Das Fest wird zum Andenken an die Verehelichung Oranjas mit Jemaja gefeiert, aus welcher Verbindung der Hauptgott Schango hervorgegangen ist". Diese Erklärung könnte zunächst als volksetymologische Auslegung der Ähnlichkeit der beiden Namen Oranja und Arugu einerseits, Jemo und Jemaja anderseits angesehen werden.

Größere und gewissermaßen ältere Perspektive gewinnt diese Erklärung aber, wenn man hört, was mir eine alte Jemopriesterin dazu gesagt hat: "Wenn das Fest Osa Arugu nicht gefeiert wird, wird die Ernte ausbleiben, weil es nicht regnen kann". Ich entgegnete ihr, daß doch wahrscheinlich genügend ehelicher Beischlaf geübt würde, um den Ansprüchen der Orischa zu genügen. Da antwortete sie prompt: "Die Göttin Jemaja wurde im Busch unehelich beschlafen; so wurde Schango geboren". Mehr erfuhr ich nicht. Aber im Süden existiert allerdings die Legende, daß Oranja oder Orungan seine Schwester Jemoja oder Jemaja vergewaltigt habe, worauf Schango und die andern Götter geboren wurden. Es scheint mir aus diesem Bruchstück doch die eine Tatsache sich klar erweisen zu lassen, daß ursprünglich zwischen alledem ein fester Zusammenhang bestanden hat, ein so klares Bild, wie es überhaupt von einer Mythologie in unseren Zeiten nur zu erwarten ist. Solch wilder Befruchtungsdienst erinnert stark an die Sitten und Zeremonien, die ich bei den Mmianka und andern Stämmen am oberen Niger kennen lernte.

Nun die Nordjoruben. Bei ihnen wird diese Gottheit als Orisch-Oko oder gar als Oroko angeredet, und hat einen Oberpriester, der als Ja-Osa bezeichnet wird und im Haupttempel zu Rawo nahe Ojo dem Kultus obliegt. Von einem Mitgliede dieser Ja-Osa-Familie erhielt ich folgende Erklärung: "Orischoko war vordem in einem Eialate (d. I ein Pilztermitenhaufen). Es war ein Mann in der Stadt Rawo, der hatte viele Schulden, aber kein Kleid. Er hatte viel verpfändet, aber keinen Wohnraum, er hatte vieles vertan, aber nichts zu essen. Er hatte zuletzt nur noch eine Hacke und ein Grasschneidemesser, und damit ging er in den Busch, weit, weit und immer weiter. Da schlug er an einer Stelle alles Gras ab. Als er das getan hatte, stand in der Mitte nur noch ein Pilztermitenhaufen, in dem Öko lebte. Abends legte der Mann sich zum Schlafen nieder. Als der Mann eingeschlafen war, hörte er jemand sprechen. Der Termitenhaufen



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sagte: "Wer ist denn der Mann"? Der Mann richtete sich auf. Er sah niemand. Er sah sich um, aber er sah nichts. Nach einiger Zeit sprach der Eialate wieder. Die Stimme aus dem Eialate sprach: "Komm näher"! Der Mann stand auf und ging näher auf den Eialate zu. Der Eialate sagte: "Was ist dir"? Der Mann sagte: "Ich bin ein Mann aus der Stadt. Ich habe viel Schulden, aber ich habe kein Kleid. Ich habe viele verpfändet, aber ich habe keinen Wohnraum. Ich habe vieles vertan, aber ich habe nichts zu essen. Ich habe nur noch eine Hacke und ein Grasschneidemesser. Damit bin ich hierhergekommen, um hier zu arbeiten". Der Eialate sagte: "Du sollst ein reicher Mann werden". Der Mann sah den Eialate an und dachte: "Wie kann dieser Mann etwas geben, und hat selbst nicht einmal Hände"? (Mit dem Manne ist natürlich der Termitenhaufen gemeint.) Der Eialate sagte: "Ich sehe, was du denkst. Ja, ich will dich zu einem reichen Manne machen. Du darfst aber niemand sonst etwas davon erzählen". Der Mann sagte: "Nein, ich will es niemand sagen". Der Eialate sagte: "Säubere diesen Platz zuerst und dann wird alles andere kommen". Am andern Morgen machte der Mann den Platz sorgfältig sauber. Bei dieser Arbeit fand er einen Knochen, der war wie eine Pfeife (Signaipfeife) zugeschnitten. Es war ein Gesicht darauf. Als es aber Mittag war, stand oben auf dem Eialate eine Schüssel mit Speise. Und als es Abend war, stand wieder eine Schüssel mit Speise darauf. Der Mann aß die Speisen, ohne zu wissen, von wo sie kamen. Am andern Tage war es ebenso. Der Mann arbeitete. Als es Mittag war, stand auf dem Eialate wieder eine Schüssel mit Speise. Und als es Abend war, stand wieder eine Schüssel mit Speise darauf. Der Mann aß die Speise, ohne zu wissen, woher sie kam. Das ging alle Tage so, und dem Manne erging es sehr gut.

Als der Mann drei Jahre lang seine Farm um den Eialate gebaut hatte, nahm er eines Tages den Knochen, der wie eine Pfeife geschnitten und auf dem ein Gesicht abgebildet war, und ging damit in eine andere Stadt. In der Stadt suchte er einen Babalawo auf und fragte ihn: "Hier ist ein Knochen; ich weiß nicht, was es mit diesem Knochen ist, kannst du es mir vielleicht sagen"? Der Babalawo sagte: "Ich will einmal sehen". Der Babalawo warf sein Oquelle und sagte: "Der kleine Knochen gehört deinem Farmherrn. Auf deiner Farm muß ein Eialate stehen, lege den Knochen auf den Eialate. Auf dieser Farm pflanze aber alles Gute, was du nur kannst - es wird dir alles geraten. Wenn du deine Farm sonst gut bestellst, wirst du mit Hilfe des Knochens ein reicher Mann werden". Der Mann nahm den Knochen zurück und sagte: "Wie heißt der Knochen, den ich hier habe"? Der Babalawo sagte: "Der Knochen gehört einem Orischa". Der Mann fragte: "Wie heißt denn dieser Orischa"? Der Babalawo sagte: "Der Orischa heißt Orischa Öko". Der Mann ging.



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Der Mann ging an seinen Ort zurück. Der Mann bestellte seine Farm und pflanzte soviel er nur konnte. Im nächsten Jahre hatten aber alle Menschen großen Hunger. Auf den meisten Farmen war nichts gewachsen. Daher hatten die meisten Menschen nichts zu essen. Der Jams des Mannes, der seine Farm um den Eialate angelegt hatte, war aber sehr gut geraten. Der Mann hatte sehr vielen und sehr guten Jams. Der Mann ging nun zu dem Eialate, aus dem der Orischa immer zu ihm sprach, und sagte: "Alles, was ich pflanze, ist gut geraten. Was soll ich nun tun? Ich bitte dich, mir das zu sagen". Der Orischa sagte: "Nimm deinen Jams, nimm viel davon, und trage ihn in deine Stadt. Frage dort nach einem Manne, der ihn kaufen kann. Es ist großer Hunger in der Stadt, aus der du kommst". Der Mann packte am andern Tage vielen Jams auf. Der Mann trug ihn in seine Stadt. Der Mann sagte: "Ich habe viel Jams. Ist jemand hier, der meinen Jams kaufen will? Wer will meinen Jams kaufen"? Die Leute kamen sogleich aus den Häusern. Die Leute kauften den Jams. Die Leute bezahlten viel Geld. Die Leute sagten: "Wenn du noch mehr Jams hast, so wollen wir zu deiner Farm kommen und von dort kaufen". Der Mann sagte: "Kommt nur mit mir hinaus". Die Leute kamen mit hinaus zu der Farm des Mannes. Die Leute sagten, als sie ankamen: "Ach, was sind das für Farmen"! Die Leute betrachteten die Farmen. Die Leute sagten: "Wir wollen auch an dem Platze bleiben, wo ein so guter Orischa ist wie der Orischa Öko. Wir wollen auch unsere Farm hier bauen". Viele Leute kamen heraus und legten ihre Farmen um die des Mannes an.

Der Mann verkaufte Saat und Steckfrucht an die Leute. Der Mann ward sehr reich. Der Mann konnte nun in der Stadt alle seine Schulden bezahlen. Der Mann konnte sich schöne Kleider kaufen. Der Mann konnte sich eine schöne, junge Frau kaufen. Nach einiger Zeit schenkte die Frau ihm ein Kind. Das Kind war ein Knabe. Der Knabe konnte aber lange Zeit nicht gehen. Es war ein Kind, das nicht aufstehen konnte. Der Mann ging aber wieder in die Stadt, in der der Babalawo war. Der Mann fragte den Babalawo: "Was soll ich machen? Ich habe ein Kind geboren, aber das Kind kann nicht aufstehen. Was soll ich tun"? Der Babalawo warf sein Oquelle und sagte: "Mache dir einen eisernen Stock (dieser wird Oqua Osoko genannt) und gehe mit dem Stock zum Orischa Öko. Frage Orischa Öko, was es damit sei, daß der Knabe nicht gehen kann". Der Mann ging wieder zurück. Der Mann ließ sich vom Schmiede einen eisernen Stock machen und sagte: "Ich will nun zu meinem Alledjennu gehen". Der Mann ging nun zu dem Eialate und sagte: "Mein Alledjennu! Mein Knabe ist nun schon lange geboren. Aber mein Knabe kann nicht gehen. Was soll ich tun"? Der Orischa antwortete aus dem Eialate: "Gib dem Knaben den eisernen Stock in die Hand.



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Wenn der Knabe ihn acht Tage in der Hand hat, wird er gehen können". Der Mann tat es. Der Mann gab dem Knaben den eisernen Stock in die Hand. Nachdem der Junge den Stock acht Tage in der Hand gehabt hatte, konnte er gehen.

Da ging der Mann wieder zu dem Eialate und sagte: "Mein Alled. jennu! Du hast mich zu einem reichen Manne gemacht. Ich möchte nun aber in die Stadt gehen". Der Orischa sagte: "Gut, gehe in die Stadt zurück. Ich will dir aber etwas geben, damit du mich nicht vergessen kannst". Der Orischa gab dem Manne darauf Kola (d. h. Bitterkola!). Der Orischa sagte: "Schneide die Kola zurecht. Iß sie aber nicht. Hebe die vier Stücke wohl auf. (Die Kola wird zu diesem Zwecke so geschnitten, daß zuerst winkeirecht zur Längsachse die beiden Enden abgeschnitten und entfernt, der Rest der Nuß danach ihrer natürlichen Beschaffenheit zufolge in zwei Teile gespaltet wird.) Wenn du nun mit mir zu sprechen wünschest, kannst du mich stets finden. Ich will aber nicht, daß du mich als Alledjennu verehrst. Rede mich nur mit meinem Namen ,Osoko' an"! — Der Mann nahm den Knochen, der wie eine Pfeife war und ein Gesicht hatte. Der Mann nahm den Stock aus Eisen und die vier Kolastücke und ging damit in die Stadt zurück. In der Stadt machte der Mann sein Haus zurecht. Dann rief er Osoko und fragte: "Was soll ich denn jetzt tun"? Osoko sagte: "Binde an den Knochen lange Schnüre aus Kaurimuscheln, bringe dann den Knochen an der Wand an, so daß die Kaurischnüre herabfallen. Lege die vier Kolastücke in eine Kalebasse und stelle den Eisenstab an die Wand. Wenn du nun etwas wissen willst, so wirf die vier Kolastücke. Jedesmal, wenn der Jams reif ist, gehe in den Busch und fange ein lebendiges Perihuhn. Dieses Perlhuhn mitsamt Palmöl und einem Jamsknollen bringe dann zu mir. Du selbst darfst aber in keinem Falle von den Jamsknollen eher essen, als die andern Leute, die nichts mit mir zu tun gehabt haben, davon genießen werden. Wenn die andern Leute, die nichts mit mir zu tun haben (die also keine Omoschoko sind), schon drei Monate lang von dem neuen Jams essen, erst dann darfst du und dürfen deine Nachkommen etwas davon essen. Nach Ablauf dieser drei Monate sollst du aber mit deiner Familie von meinem neuen Jams genießen. Mit dem Ebo (Opfer) verfahre aber so: Schneide den Jamsknollen ebenso zurecht, wie du die beiden Bitterkola für mich hergerichtet hast. Schneide ihm also oben und unten die Spitze ab und schneide den Rest der Länge nach in zwei Stücke, so daß alles zusammen vier Stücke sind. Nimm die beiden Mittelstücke, nimm Öl und lege sie mit in die Kalebasse, in der die vier Kolastücke aufbewahrt werden. Dann erbitte dir von mir, was du dir in diesem Jahre wünschest, und was dir in diesem Jahr notwendig erscheint. Nachdem nimm die beiden Spitzenstücke, die du oben und unten von



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dem Jams abgeschnitten hast, und koche diese in Öl. Du sollst nun in Zukunft mein Ja-Osa sein, und nach dir sollen es deine Kinder werden. Jeder Mann aber, der mir zu opfern gedenkt und mein Nachkomme werden will, soll dieses Jamsopfer verrichten und soll die in Öl getauchte Jamsspitze in das Haus des Ja-Osa bringen. Einen Teil von jedem solchen Opfer soll der Ja-Osa auf die Schale legen, in der schon die vier Kolastücke liegen. Einen Teil (von diesem Jamsopfer, aber von sonst keinem jungen Jams) soll die Ja-Osa-Familie verzehren. Alle aber, die mir opfern, sollen erst drei Monate, nachdem sie diese Gaben im Hause des Ja-Osa niedergelegt haben, mit ihrer Familie von dem neuen Jams essen. Der Ja-Osa soll das Perihuhn am Erstlingsopfertage über der Kalebasse mit der Kola richten, das Blut über die Kolastücke fließen lassen und die Kolastücke mit dem Blute mischen. Der Ja-Osa soll eine Feder aus dem geschlachteten Perihuhn ziehen und soll sie in den Mund der Knochenfigur, von der die Kaurimuscheln herabhängen, stecken. Danach soll alles trommeln und tanzen. Jeder aber, der ein Kind wünscht, ob er nun mein Kind (Nachkomme) ist oder nicht, der kann an diesem Opfertage zu dem Ja-Osa nach Rawo kommen und mich in dieser Zeit mit Opfern um Kinder bitten. Jedes Kind aber, das nach solchen Opfern und Bitten geboren wird, muß dann jedes Jahr sein Ebo (gleich Opfer, in diesem Falle das Jahresopfer) mir darbringen, denn es ist mein Kind, ganz gleichgültig, ob der Vater schon mein Kind war oder nicht".

Hiermit schließt die Tradition. Zu dieser Erzählung des Mannes, des derzeitigen Ja-Osa von Rawo, ist nun noch folgendes zu bemerken:

Wer nach Rawo zum Opfern geht, dem werden mit einem Tuche die Augen verbunden. Das Ewuo, das Enthaltungsgebot dieser Anhänger des Ackergottes besteht darin, daß die Leute die ersten drei Monate hindurch keinen jungen Jams essen dürfen. Das Ewuo soll so streng durchgeführt werden, daß es den Anhängern dieses Kultes überhaupt verboten ist, den jungen Jams zu brechen oder zu sehen. Andere Leute müssen für die Okoanhänger den Jams aus den Farmen nehmen. Im allgemeinen nähren die Okoanhänger sich in den drei Monaten der Enthaltungszeit von Sorghum. Sollte es nun aber doch geschehen, daß ein Nachkomme Okos durch Zufall jungen Jams sieht, so muß er schnell in das Heiligtum des Gottes gehen, muß über die vier Kolastücke Wasser gießen, muß mit diesem Wasser sich die Augen waschen und den Gott bitten, ihm diesen Anblick zu verzeihen und ihn nicht blind zu machen.

Anders aber ist der Okodienst bei den Joruben nahe Jebba. Dort gilt Öko nicht als großer Orischa, wenn er auch eine sehr zahlreiche Anhängerschaft hat und sich auch viel Leute als seine Kinder (Nachkommen)



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betrachten. Im allgemeinen haben diese Nordjoruben für das Jamsopfer am Wege zur Farm (Farm =Öko) unter den großen Bäumen ihre Opferstelle. Um den Stamm des alten Baumes ist dann ein Band geschlungen, so wie man es im Sudan, zumal im Mossilande, häufig sieht. Unter diesem Baume wird dann das Aquako genannte Opfer dargebracht, und zwar auch hier zur Zeit, wenn der neue Jams aufgenommen wird. Dann zieht die Anhängerschaft mit einem Trommler, der die drei- bis vierfüßige Ageretrommel schlägt, und mit sechs Früchten des Agaubaumes, die als Würfel dienen, auf den Aquakoplatz. Es wird geopfert und durch Würfeln die Prognose vom glücklichen oder schlechten Verlauf des nächsten Jahres gewonnen. Wie sonst kommt es auch hierbei darauf an, ob die Frucht mit der konvexen Seite (geschlossen =~) oder mit der konkaven Ausfiachung (offen =~) nach oben fallen. Es gilt:

wenn zwei geschlossen ~ vier offen ~ für gut und es
wird dann ein weißer Hahn und Wasser geopfert;
wenn drei geschlossen ~ und drei offen ~ für schlecht,
dann fragt der Priester, ob der Orischa einen Widder oder aber
einen Ziegenbock als Sühnopfer genießt;
wenn vier ~geschlossen und zwei offen ~für gut, dann
gibt man aber gern reiche Opfer;
wenn fünf geschlossen ~ und eine offen fur sehr
wenn eine geschlossen ~ und fünf offen ~ für sehr
schlecht, dann muß auf jede Weise eine Sühne mit der Gottheit
erreicht werden;
wenn sechs - _ _ _ ——geschlossen _____ __
> so gilt das aber für sehr gut,
wenn sechs ~
— — —offen
vielleicht das letztere noch besser als das erstere. Jedenfalls erkennt
man aus diesem Würfelfall, daß die Gottheit keinerlei
Opfer begehrt, und damit ist der Jorube natürlich sehr zufrieden.

Die Würfelablesung ist also hier eine andere als anderweitig. Bei schlechtem Falle sind Huhn oder Ziegenbock als Sühnopfer darzubringen. Nach dem Würfeln wird geschlachtet und gekocht und Bier getrunken. Für Sorghum wird kein Opfer bereitet.

In diesem Okokultus sehen wir offenbar eine Verehrungsform, die mit der Verbreitung der Jamsknollen in Verbindung steht und sich in keiner Weise um die Ernte der Körnerfrüchte, vor allen Dingen des Sorghums kümmert. Es ist also eine typische westafrikanische Verehrungsform. Sehr interessant ist gerade in der letzten Legende die scharf und klar ausgesprochene Kultusverordnung. Fast klingt es hier so, als ob einige Sätze des "Alten Testaments"umgeschrieben wären. Und zumal die Erklärung am Schlusse der Gesetzverordnung derzufolge sich ein jeder den Gott Öko als Stammvater erwählen



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kann, gemahnt außerordentlich an die Erzählungen des "Alten Testaments", in denen die Gotteskindschaft durch Kultus und Verehrung erworben werden kann.


Copyright: arpa, 2015.

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