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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

122. Spinne

Eines Tages traf die Spinne das Schaf und die Ziege, die beide ein Junges hatten, und fragte: "Wißt ihr nicht, daß befohlen ist, daß jedermann seine Kinder in die Schule senden soll ?" "Wir hörten davon," sagte die Ziege, "aber wir haben niemanden, der unsere Kinder dort hinbringt." "Gut," sagte die Spinne, "ich will morgen kommen und die Kinder zur Schule bringen." Früh am nächsten Morgen kam die Spinne wieder. "Seid ihr bereit?"fragte die Spinne. "Ja," antwortete die Ziege, "aber wie weit ist es denn bis zur Schule ?" "Nur einen Tag,"meinte die Spinne, "mach deinen Jungen bereit, ich will ihn zuerst hinbringen." Die Spinne machte sich mit dem Ziegenjungen auf den Weg, kaufte unterwegs einen Jams und sagte: "Trage es bis zum nächsten Fluß; dort wollen wir ihn rösten." Dann kamen sie an den großen Fluß und der Ziegenknabe fragte ängstlich: "Wie sollen wir da hinüberkommen?" "Nur keine Angst, wir machen zuerst ein großes Feuer, um den Jams zu rösten, inzwischen kommt ein Kanu." Die Spinne steckte den ganzen Busch an und sprach weiter: "Ich muß nun einmal verschwinden. Hier im Fluß ist aber ein böses Tier, das alles verschlingt, was in seine Nähe kommt. Wenn du es kommen hörst, springe in das Feuer, da kann dir nichts passieren, denn ich habe eine Medizin hineingeworfen."



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Und die Spinne ging, sprang ins Wasser, tat ein großes Tuch über ihren Kopf und kam grunzend damit aus dem Wasser. Das Ziegen junge sah sich erschreckt nach der Spinne um, konnte sie aber nicht erspähen, sprang ins Feuer und verbrannte. Da warf die Spinne das Tuch weg, holte das Junge aus dem Feuer und verzehrte es mit dem Jams. "Die Mutter hat gut für ihr Kind gesorgt", dachte sie, als sie fertig war; "es war schön fett. Nun kann der nächste dran kommen" und ging zurück. Nahe dem Platz, wo die Ziege war, fing die Spinne an zu schreien und zu klagen, und als die Ziege herbeikam, erzählte die Spinne: "An dem großen Fluß wurde dein Kind krank, und ehe wir die Schule erreichten, starb es und ich mußte es begraben. Nun bin ich traurig und fürchte, daß du sagen könntest, ich hätte nicht gut auf dein Kind geachtet und es wäre gestohlen oder ich hätte es verkauft." "Nein, das glaube ich nicht,"gab die Ziege zurück, "das hat Gott gemacht; wir können's nicht ändern; vielleicht gibt mir Gott ein anderes." Die Spinne lief nun zum Schaf und sagte: "Morgen früh will ich nun dein Junges zur Schule bringen." Das Schaf war etwas ängstlich und ging daher erst zum Fuchs, dem Orakelmann. Der legte ein Orakel und sagte: "Dein Junges wird zur Schule gehen und wird wiederkommen. Aber du mußt ein Stück Kuhhaut nehmen und es ins Feuer werfen, bis es sich krümmt, dann es herausnehmen und deinem Jungen in einer Tasche mitgeben; dann wird er wissen, was er damit zu tun hat." Am nächsten Morgen kam die Spinne und fragte: "Ist dein Junge fertig?" "Ja," sagte das Schaf, "ich habe ihm alles eingepackt, was er braucht." Die Spinne ging mit dem Jungen los und kaufte unterwegs wieder einen Jams. "Diesen wirst du tragen, bis wir an den Fluß kommen," sagte sie zu dem Jungen; "dort wollen wir ihn rösten und essen." Als sie in die Nähe des Flusses kamen, fragte die Spinne: "Kannst du denn auch schwimmen?" Der Junge bejahte es. "Nun, das ist gut. Aber dies ist nicht der richtige Weg hier; wir müssen etwas mehr aufwärts gehen." Denn die Spinne wollte nicht an die Stelle kommen, wo sie vorher das Ziegenjunge verspeist hatte. Am Flusse sagte die Spinne: "Nun müssen wir Holz herbeitragen zum Jams rösten."Als sie einen großen Haufen Holz zusammen hatten, warf die Spinne den Jams darauf und erzählte wieder die Geschichte von dem bösen Tier und daß der Junge in das unschädliche Feuer springen sollte, wenn es käme. Dann ging sie in den Busch, sprang ins Wasser, bedeckte sich mit dem Tuch und kam langsam hervor. Als das der Junge sah, warf er rasch seine Tasche ins Feuer und lief davon, SO



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schnell ihn seine Füße tragen wollten. Die Spinne sah etwas ins Feuer fliegen, kam hervor und holte es heraus; es war zäh und trocken. "Diese Mutter hat nicht gut für ihr Kind gesorgt," dachte die Spinne, die Kuhhaut als das vermeintliche Junge verzehrend, und warf die Hälfte weg, um sich auf den Heimweg zu begeben. Als sie in die Nähe des Schafes kam, fing sie wieder an zu klagen und erzählte die gleiche Lüge wie vorher. Das Schaf tröstete sich mit dem Gedanken, daß es nichts dagegen machen könne, und die Spinne wollte sich auf den Heimweg machen. Da kam das Schafjunge gesund und vergnügt und erzählte die Geschichte. Das Schaf lief zur Ziege und sie schwuren Rache. Schnell schlossen sie die Türen des Gehöfts, fingen die Spinne, warfen sie in einen Mörser, zerstampften sie, kochten sie in einer Suppe und verzehrten sie.



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ANHANG VERZEICHNIS DER TIERNAMEN


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