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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

121. Jäger und Hyäne

Es war einmal ein Jäger, ein starker, starker Mann, der einen Elefanten allein essen konnte. Seine Nahrung war nur Wildbret und Wasser. Der baute für sich und seine Frau mitten im dichten Busch ein Haus, ganz aus den Knochen des erlegten Wildes. Eines Tages kam die Hyäne an dem Haus vorbei, sah die vielen Knochen, zog sich einen heraus und zerbiß ihn. Der Jäger drinnen hörte das Knacken und meinte: "Wer kommt hierher in den Busch, wo sonst noch niemand war, und zerstört mir mein Haus? Wenn der da draußen Hunger hat, soll er doch hereinkommen und sich von mir etwas zu essen holen. Da kam die Hyäne herein und erhielt viel Fleisch, über das sie sich gleich hermachte. Als sie fertig war, wollte sie gehen: "Du kannst noch mehr bekommen," sagte der Jäger. "Vielleicht bleibst du auch die Nacht hier, damit wir morgen früh zusammen jagen gehen. Ich gebe dir die Hälfte der Beute." Die Hyäne blieb. Ganz früh, bei Sonnenaufgang gingen sie los. Bald zeigte die Hyäne dem Jäger einen Riedbock. "Das ist kein Fleisch für mich," sagte der Jäger und ging weiter. Auch die großen Antilopen ließ er unbeachtet. Endlich kamen sie an eine Stelle, wo viele Elefanten waren. Der Jäger forderte die Hyäne auf: "Du gehst und reizt sie durch Reden, besonders den Leitbullen. Wenn sie dann ärgerlich werden und dich anfallen wollen, flüchtest du in meine Nase." Die Hyäne tat, wie ihr befohlen, und als die Elefanten sie angreifen wollten, rettete sie sich in die Nase des Jägers, der fünf Elefanten schoß, worauf die übrigen die Flucht ergriffen. Die Hyäne kam aus ihrem Versteck heraus und beide machten zwei Elefanten zum Essen zurecht. Als die Elefanten geröstet waren, rief der Jäger: "So, nun iß! Einer für mich und einer für dich!" Die Hyäne hatte einen Schenkel noch nicht ganz gegessen, da war sie satt. "Das ist ja gar nichts", sagte der Jäger, der seinen Elefanten schon verzehrt hatte, und aß auch noch den der Hyäne auf. Dann band er die



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übrigen drei zusammen und trug sie auf dem Kopf nach Hause. Unterwegs kamen die beiden an einen Fluß. "Trink erst mal", sagte der Jäger zur Hyäne. Sie trank. "Das ist ja gar nichts", rief der Jäger, warf seine Last zur Seite und trank den ganzen Fluß aus, so daß nur noch eine kleine Rinne übrig blieb, voll von Alligatoren und großen Fischen. "Du bist ja leider schon satt," begann der Jäger wieder, "wir wollen daher erst nach Hause gehen; dann kehren wir zurück, einige Fische uns zu fangen." Zu Hause angekommen, sandte aber der Jäger die Hyäne an ihren Wohnort zurück.

Unterwegs traf die Hyäne einen Hund und sprach: "Wir wollen morgen früh zusammen jagen gehen. Wenn du willst, kannst du in meinem Hause schlafen." Ganz früh morgens zogen die beiden los. Sie begegneten einigen Riedböcken, die Hyäne achtete ihrer nicht; dann einigen Antilopen. Der Hund wollte auf diese losgehen. "Das ist kein Fleisch für mich," rief die Hyäne, "komm weiter." Als sie in die Nähe der Elefanten kamen, ließ die Hyäne einen Topf aus Lehm machen und sich auf die Nase stülpen und sagte: "Nun gehst du zu den Elefanten und reizt sie. Wenn sie dich dann angreifen, flüchtest du in den Topf auf meiner Nase, und ich schieße die Elefanten." Der Hund ging, und die Hyäne stand hinten und konnte den Kopf nicht bewegen, weil der Topf auf der Nase so schwer war. Als die Elefanten nun über den Hund ärgerlich wurden und ihn angriffen, flüchtete dieser in den Topf, der durch den plötzlichen Stoß zerbrach, und Hund und Hyäne mußten schleunigst fliehen. Als sie sich im Busch versteckt hatten, begann die Hyäne: "Heute war das noch nichts, aber morgen werden wir was fangen." Am nächsten Morgen fing die Hyäne zwei Ratten und röstete sie. "Iß dich satt," sagte die Hyäne zum Hund. Er aß eine Ratte. "Bist du nun satt?" fragte die Hyäne. "Nein", war die Antwort. "Dann iß die andere halb und laß mir die übrige Hälfte." Als der Hund die Hälfte gegessen hatte, fragte die Hyäne wieder: "Bist du nun satt?" "Nein", antwortete der Hund. "Dann iß auch noch die zweite Hälfte, damit du nachher nicht sagen kannst, du seist mit der Hyäne jagen gegangen und hättest nicht genug zu essen bekommen." Der Hund aß. Als er fertig war, fragte die Hyäne: "Was hast du gemacht? Du hast alles aufgegessen und mir nichts gelassen. Ich habe nichts gehabt, seit ich mit dir vor den Elefanten floh." "Aber du hast mich doch selbst aufgefordert," erwiderte der Hund. "Nun gut,"sagte die Hyäne, "komm, wir wollen Fische fangen gehen." Sie kamen an den Fluß und wieder wollte es die Hyäne wie der Jäger machen. Sie



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forderte daher den Hund auf, zu trinken. "Das ist ja gar nichts," rief sie dann und begann selbst zu trinken. "Schließ mir den Hintern mit Blättern, damit das Wasser drin bleibt," sagte sie zum Hund und trank weiter, bis ihr Bauch zum Platzen voll war, ohne daß das Wasser abgenommen hätte. "Mach nun einmal die Blätter etwas weg," bat sie den Hund. Als das Wasser sich in ihrem Bauch zu verringern begann, fühlte sich die Hyäne etwas besser. "Nun kannst du meinen Hintern wieder schließen", sagte sie zum Hund und begann noch einmal zu trinken, ohne daß das Wasser im Fluß sich verringerte. Bald war sie wieder zum Bersten voll. Der Hund mußte die Blätter etwas öffnen. Noch zum dritten Male versuchte es die Hyäne, dem großen Jäger nachzutun, aber es gelang ihr nicht. Ärgerlich ließ sie sich die Blätter aus dem Hintern reißen, und alles Wasser lief zurück in den Fluß. "Seitdem ich mit dir zusammen jage, habe ich nichts gegessen. Nun will ich dich als Braten nehmen," schrie die Hyäne den Hund an. Der aber riß schleunigst aus, und die Hyäne kehrte beschämt zu ihrer Wohnung zurück.


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