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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

101. Katze und Ratte

Die Katze (kengwoa oder inururu oder mage oder mursa) war seit zwei Jahren krank und hatte nichts zu essen. Da ging sie in die Moschee des Rattenkönigs und legte sich auf den Boden, als ob sie gestorben wäre. Da kam die Ratte (Gafiga), sah die Katze, lief zum König und rief: "Die Katze stirbt in unserer Moschee." Der Herrscher der Ratten kaufte Kolanüsse, rief seine Trommler und sagte: "Geht hinaus in mein Land, trommelt alle Leute zusammen, morgen ist ein großes Fest, denn die Katze ist gestorben." Die Trommler riefen die Leute zusammen, und am nächsten Tage begann auf dem Platze vor der Moschee ein großes Tanzen. Wenn einige müde waren, gingen sie in die Moschee, gaben der da liegenden Katze einen Tritt und riefen: "Nun ist sie tot, nun wird sie unsere Kinder nicht mehr fressen." So tanzten und tanzten sie, bis sie müde waren. Da sagte der König: "Nun ist's genug. Nun laßt uns nach Hause gehen." Das hörte die Katze, stand vorsichtig auf, sprang heraus, tötete den König, den Galadima, und einige Große. Die anderen fanden Zeit, in ihre Häuser zu flüchten. Noch viele Ratten tötete die Katze, brachte sie alle auf den Platz und begann zu schmausen. Da kam Gisu, die Spinne, und fragte: "Na, du hast wohl heute genug zu essen?""Ja, das habe ich", sagte die Katze und fraß weiter. Gisu lief zum Schakal (Dila) und verklagte die Katze, daß sie alles allein äße. Da kam der Schakal und fragte die Katze: "Nun, zwei Jahre bist du krank gewesen, hast soviel zu essen und lädst uns nicht einmal ein." Da nahm er der Katze alles Fleisch weg, machte sich mit Gisu darüber her, während die Katze von weitem zuschauen mußte. Als sie die Hälfte aufgefressen hatten, ging Gisu. "Wohin willst du?" rief der Schakal. "Oh, ich will nur einmal in



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den Busch", verschwand und lief zum Löwen. "Immer, wenn du Fleisch hast, lädst du den Schakal ein, heute hat der Schakal Fleisch, aber er frißt alles allein", verklagte Gisu den Schakal. Der Löwe sagte: "Es ist gut." Gisu kehrte zum Schakal zurück, um mit diesem das Mahl zu beenden. Als sie fertig waren, ging Gisu wieder zum Löwen, schlief in seiner Nähe, und als der Löwe am anderen Morgen eine Antilope erlegt hatte, aßen sie sie zusammen. Der Löwe stillte seinen Hunger und legte sich dann schlafen. Da rannte Gisu zum Schakal und sagte: "Der Löwe hat heute früh eine Antilope geschlagen, aber dich nicht eingeladen, komm, ich will dir den Platz zeigen." Sie gingen zusammen, und der Schakal verzehrte alles Fleisch, welches übrig war. Als nun der Löwe aufwachte, merkte er, daß der Schakal alles Fleisch aufgefressen hatte. Darüber ward er ärgerlich, ging an eine Wasserstelle und versteckte sich dort, bis drei Antilopen kamen. Die schlug er und begann zu essen, und Gisu, der ihm gefolgt war, half dabei. Da kam auch der Schakal und bettelte um Fleisch. Der Löwe sagte: "Du hast mir zwar gestern mein Fleisch aufgegessen, als ich schlief, aber ich will dir doch etwas geben", und gab ihm eine Antilope. Als der Schakal fertig war, bat er den Löwen: "Gib mir doch noch etwas Fleisch, ich bin noch nicht satt." Da gab ihm der Löwe auch die zweite Antilope, und der Schakal verzehrte sie, während der Löwe mit dem Rest der dritten heimzog. Der Schakal aber lief durch den Busch und überholte den Löwen, und als dieser vorbeikam, raschelte der Schakal mit den Blättern, so daß der Löwe Angst bekam, das Fleisch wegwarf und davonlief. Zu Hause fragte die Frau des Löwen, Maria, die Pferdeantilope: "Nun, wo hast du heute mein Fleisch?" "Ach," antwortete der Löwe, "ich hatte drei Antilopen, aber alle nahm mir der Schakal ab." "Was, du willst ein Mann sein und läßt dir alles Fleisch abnehmen? Ich will dich nicht mehr. Ich gehe und suche mir einen anderen Mann." Da ging die Maria und verwandelte sich in ein schönes Weib mit schönen Kleidern und begab sich in die Stadt. Auf dem Markte liefen die jungen Leute zusammen und jeder kam zu fragen, ob sie ihn heiraten wolle. Doch sie antwortete: "Wer mit einem Steinwurf diesen meinen Korb (kolaschi) öffnet, den werde ich heiraten." Alle Jünglinge versuchten es, aber keiner brachte es fertig. Da verließ die Maria die Stadt und ging in die nächste. Auf dem Markte wurde sie wieder angestaunt, und wieder versprach sie den zu heiraten, der durch einen Steinwurf den Korb öffnete. Viele Männer versuchten es, bis es endlich einem jungen Manne gelang,



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den Korb durch einen Steinwurf zu öffnen. Diesen Mann, der schon eine junge Frau hatte, hielt das Weib fest und rief: "Den will ich heiraten." So heirateten sie unter Spiel und Tanz, und als die Regenzeit kam, machte der Mann zwei Okrofarmen für seine Frauen. Dann zeigte er seine Farmen den Frauen und sagte: "Das ist deine, dies deine Farm; achtet darauf, bis der Okro reif ist." Als der Okro reif war, gingen die Frauen mit zwei Körben zur Farm, um Okro zu holen. Als Maria in ihre Farm kam, verwandelte sie sich schnell wieder in ihre Gestalt als Maria, fraß allen Okro auf, verwandelte sich dann wieder in eine Frau und begann zu rufen, bis die andere Frau ihres Mannes kam und fragte: "Wo ist all dein Okro ?""Maria hat alles gefressen." "So komm, ich gebe dir von meinem Okro." Ein Freund des Ehemannes hatte den ganzen Vorgang von einem Baume aus beobachtet, und als er nach Hause kam, sagte er zu dem Ehemann: "Weißt du, daß deine zweite Frau eine Maria ist?" "Das ist nicht wahr", gab der Freund zurück. "Nun, ich werde es dir zeigen, wenn deine Frauen wieder zum Okroschneiden gehen." Einige Tage später sagte die erste Frau zur Maria-Frau: "Komm, wir wollen wieder Okro holen aus der Farm." Als der Mann das hörte, lief er zu seinem Freund und erzählte es ihm. Beide liefen in die Farm und setzten sich auf einen großen Baum. Von dort oben konnten sie sehen, wie sich die zweite Frau wieder in eine Maria verwandelte, Okro fraß und dann wieder als Frau erschien. Des Nachts schlief der Mann bei seiner Maria-Frau, fing Streit mit ihr an und beschwerte sich am anderen Morgen beim Könige, sagte, daß er eine Maria-Frau hätte, daß alle Leute mit Hunden und Waffen kommen sollten, um sie zu vertreiben. Und alle kamen mit Hunden, Speeren und Bogen. Da ging der Mann ins Haus seiner Frau und begann sie zu schlagen. Da verwandelte sie sich in eine Maria, rannte in den Hof und in den Busch, gefolgt von den Leuten, aber sie konnten die Maria nicht erreichen und kehrten erfolglos heim. Der König aber sagte: "Heiratet nicht Mädchen aus der Fremde, die ohne Familie hierher kommen."


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