Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



Atlantis Bd_09-0004 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

98. Elefant und Kamel

Der Elefant sagte zum Kamel: "Ich bin doch stärker als du!" Das Kamel sagte: "Ich bin aber länger!" "Ich kann dich aber zu dem Platze tragen, wo ich dich töten will !" "Nun,"erwiderte das Kamel, "wenn du mich zu dem Platze trägst, wo du mich töten willst, dann werde ich dich dort auch töten." Inzwischen kamen die Jäger zusammen, um gemeinschaftlich einen Elefanten und ein Kamel zu erlegen. Diese Unterredung hörte ein Perlhuhn und hinterbrachte sie dem Elefanten. Als aber das Kamel zum Elefanten kam, sagte der: "Ich hörte ein Gerücht, daß die Jäger uns töten wollen. Wir wollen uns verstecken." "Gut,"sagte das Kamel, "dann werde ich heute nacht noch zu Hause schlafen, morgen früh um vier Uhr komme ich zu dir, dann wollen wir uns verstecken." "Nein," antwortete der Elefant, "das geht nicht. Ich habe das Perihuhn auf die Lauer gesandt; es ist besser, wenn du hier schläfst." Das Kamel blieb also beim Elefanten, und das Perlhuhn hielt nicht weit davon



Atlantis Bd_09-378 Flip arpa

auf einem hohen Baume Wache. Morgens um sechs Uhr endlich kamen die Jäger. Das berichtete das Perlhuhn sofort, und der Elefant forderte das Kamel auf, sich nun zu verstecken. Sie gingen dichter in den Busch, und der Elefant sagte: "Du mußt dich nun auf die Erde legen und immer Umschau halten und die Ohren spitzen, ob jemand kommt." "Nein," sagte das Kamel, "ich stelle mich hin, dann kann ich alles übersehen." Das Kamel stellte sich hin, legte den Kopf auf einen hohen Baum und schlief bald ein. Der Elefant aber legte sich hin und wachte. Inzwischen fanden die Jäger die Fährte des Elefanten und des Kamels, verfolgten sie und kamen in die Nähe der Tiere. Der Elefant hörte das Knacken des Grases und lief hinweg; das Kamel aber wurde von den Jägern erschossen.

Der Elefant traf unterwegs den Leoparden, Löwen, Büffel, Antilope und viele kleine Tiere. Er erzählte, daß die Jäger kämen, daß sie das Kamel bereits erlegt hätten und daß die. Tiere ihm folgen sollten, sich zu verstecken. "Nein," meinte der Leopard, "wir wollen hierbleiben und sie angreifen." Die Tiere stimmten zu. "Nun eins," sagte der Leopard, "wenn die Jäger kommen, geht ihr alle etwas zurück, und ich greife zuerst an." Die Tiere gingen etwas zurück, und der Leopard legte sich platt auf die Erde neben dem Wege. Als nun die Jäger kamen, sahen sie schon von weitem den Elefanten und die anderen Tiere und gingen auf sie zu, ohne den-Leoparden zu bemerken. In einiger Entfernung blieben die Jäger stehen und der erste spannte den Bogen gegen den Elefanten. Da sprang von hinten der Leopard auf, schlug den Jäger nieder, und sofort griff auch der Büffel an, darauf der Elefant. Vier Jäger wurden getötet, die anderen entflohen. Da schlug der Elefant vor, daß alle Tiere sich in einer Stadt vereinigen sollten, um sich gemeinsam gegen die Jäger zu wehren, und Löwe und Büffel stimmten zu.

Als die Jäger nach Hause kamen, schickten sie in alle umliegenden Orte, riefen alle Jäger zusammen, um Rache zu nehmen. Und der Elefant und der Büffel sandten auch in den Busch, alle Tiere zusammenzurufen. Viele, viele Tiere kamen, und das Feldhuhn erbot sich, Wache zu stehen, während das Perihuhn zu den Jägern ging und sagte: "Ihr habt mich verschont, als ihr auf die Jagd nach dem Elefanten und dem Kamel gingt. Ich werde euer Wächter gegen die Tiere sein." Die Jäger begaben sich nun auf die Jagd. An ihrer Spitze das Perihuhn. Die Tiere hörten davon, und der Elefant schlug vor, den Jägern vor die Stadt entgegenzugehen. Die Wachen der beiden Parteien, Feldhuhn und Perihuhn, trafen sich, und das Feldhuhn



Atlantis Bd_09-379 Flip arpa

fragte: "Warum bist du zu den Jägern übergegangen ?" "Nun, sie haben mich bei ihrer Jagd verschont und dafür muß ich ihnen danken." "Da hast du recht,"gab das Feldhuhn zu, "ich bin ja auch nur Wächter hier, und wenn sie anfangen zu kämpfen, dann ziehe ich mich zurück.""Das werde ich auch tun", meinte das Perihuhn, und flog zurück zu den Jägern und berichtete, daß die Tiere noch nicht zu sehen seien. Auch das Feldhuhn flog zurück und meldete, daß die Jäger noch sehr weit seien. Mehrmals meldeten das Feldhuhn und das Perihuhn über die Bewegungen der anderen Partei, bis endlich der Elefant zum Angriff überging und eine Schlacht entstand bis zur Nacht. Endlich am nächsten Morgen schlugen die Tiere die Jäger zurück, die flohen in ihre Stadt. Der Elefant aber riet den Tieren, auseinanderzugehen, jeder an einen Platz für sich, da die Menschen alle vereint wiederkommen würden, um Rache zu nehmen. Wirklich riefen die Jäger alle Männer der Gegend zusammen und zogen aus in den Busch, um sich zu rächen. Aber sie fanden die Tiere nicht mehr zusammen, sondern verstreut. Seitdem gehen die Jäger wieder einzeln oder zu zweit zum Jagen.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt