Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



Atlantis Bd_09-0004 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

96. Hausbau

Die Hyäne fand im Busch einen schönen Platz, um sich ein Haus zu bauen. Kurz darauf kam der Affe und meinte zu sich selbst: "Dieser Platz wäre gut, um ein Haus zu bauen." Inzwischen reinigte die Hyäne den Platz von Holz und Fraß. Dann kam der Affe und



Atlantis Bd_09-375 Flip arpa

fragte sich: "Wer hilft mir hier mein Haus bereiten?" und legte das Gras nieder, das er zum Dachbau mitgebracht hatte. Kurz darauf kam die Hyäne mit einer Last Stangen und rief verwundert: "Wer hilft mir hier beim Hausbau und bringt mir Gras für mein Dach?" Wieder kam der Affe mit Strick zum Dachbau und dachte: "Wer mag das nur sein, der mir hilft? Jetzt ist auch schon Holz da!" Er legte den Strick beiseite und begann Löcher für die Pfähle zu machen. Dann ging er, um Ruten zur Verbindung der Pfähle zu machen. Als der Affe weg war, kam die Hyäne, freute sich über die abermalige Hilfe und begann die Pfähle einzusetzen und zu verbinden. Dann ging sie, um Bambus für das Dach zu holen. Als der Affe zurückkam, sah er die Hauswand fertig und machte sich, erfreut über die Hilfe, daran, das Gras fürs Dach zusammenzubinden. Die Hyäne kam, sah die fertigen Grasbündel, stellte das Gerüst aus Bambus her und ging wieder, um noch mehr Gras zu holen. Als der Affe wiederkam, freute er sich über das fertige Dachgestell, legte seine Grasbündel darauf und eilte fort, noch mehr zu holen. Die Hyäne fand das Dach halb fertig, legte noch ihr Gras auf die Dachspitze, die sie gut mit Strick verschnürte, und ging in den Busch, Freunde zu rufen, die ihr helfen sollten, das Dach aufs Haus zu setzen. Der Affe fand bei seiner Rückkehr das Dach fertig. Er dankte seinem unbekannten Helfer und lief in den Wald, seine Freunde zu holen, die das Dach aufsetzen helfen sollten. Inzwischen kam die Hyäne und setzte mit ihren Freunden das Dach aufs Haus. Der Elefant und der Löwe waren auch dabei. Zu denen sagte die Hyäne: "Dieses Haus habe ich gebaut; ein Unbekannter hat mir geholfen; aber es ist mein Haus. Sollte er kommen und hier herein wollen, so werde ich ihn fressen, wenn ich gerade Hunger habe. Ich sage euch das jetzt gleich, damit ihr Bescheid wißt, wenn eine Klage kommt; denn ihr seid unsere Herrscher!"

Dann kam der Affe mit seinen Leuten und sagte: "Seht, da hat der unbekannte Helfer mir das Dach aufs Haus gesetzt. Aber es ist mein Haus und ich werde heute nacht schon darin schlafen. Sollte der andere kommen, wenn es regnet, oder um Mitternacht, wenn es kalt ist, so werde ich ihn rausschmeißen; damit ihr es alle wißt! Jetzt gehe ich, um Stangen für mein Bett zu schlagen." Darauf kam die Hyäne zurück vom Busch und machte sich aus den mitgebrachten Stangen ein Bett.

Als der Affe zurückkam, fand er das fertige Bett und machte selbst eine Matte aus Gras, das Bett zu bedecken; dann ging der



Atlantis Bd_09-376 Flip arpa

Affe, Essen zu suchen. Da begann es zu regnen, und eine alte Frau, die auf dem Markte Murutshi verkauft hatte (Murutshi Wurzel von junger Fächerpalme), kam des Weges und war froh, das Haus zu finden. Sie ging hinein mit ihrem letzten Stück Murutshi und ihrem Messer. Sie fand in dem Hause das Bett und kroch darunter. Dann kam der Affe und dachte: "Wenn es regnet, kommt vielleicht der Helfer und will herein; ich werde mich aufs Bett setzen und auf ihn losspringen, wenn er hinein will." Bald kam die Hyäne, glücklich, ihr Haus zu haben, mit einem fetten Schaf zurück, um es im Hause zu verzehren. Der Affe hörte das Geräusch draußen und dachte: "Jetzt kommt er", und rückte unruhig auf dem Bett hin und her. Die Alte unter dem Bett merkte das und guckte unter dem Bett hervor, um die Ursache zu sehen, und sah den Affen. Da dachte sie: "Ich will ihm das Stück Murutshi geben." Sie holte es hervor und stieß den Affen dabei in sein Hinterteil. Der Affe war so erschreckt, daß er in einem großen Sprung zur Tür setzte und dort mit der Hyäne zusammenstieß. Die ließ vor Schreck ihr Schaf fallen, und beide rannten hinaus in den Regen. Bei einem Blitz sah die Alte das Schaf draußen liegen und holte es herein. Die Hyäne lief zum Elefanten und bat, ihr gegen den Eindringling zu helfen. Am nächsten Morgen machten sich alle zu dem Hause auf. Als sie gingen, erbot sich der Strauß freiwillig, als erster in das Haus zu sehen. Der Strauß steckte den Kopf zur Türe hinein, und die Frau in ihrer Angst schnitt ihm den Hals ab. Da rannten alle Tiere fort. Vorweg der Elefant, der so tiefe Spuren hinterließ, daß das Kaninchen und die Ratte hineinstürzten und riefen: "Elefant, warum trittst du so tiefe Spuren? Da fallen wir hinein und unsere Verfolger fangen uns."

Darum halten sich Ratten und Kaninchen lieber in der Nähe der Stadt auf; die großen Tiere aber meiden die Häuser.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt