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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

89. Gisu und Koki (seine Frau*)

Koki sagte zu Gisu: "Nun sind wir verheiratet, nun wollen wir einen guten Platz im Busch suchen, wo wir zur Regenzeit unsere Farm bauen."Sie gingen also, suchten einen Platz, brannten das Gras ab und rodeten die Bäume aus. Dann sagte Koki wieder: "Nun müssen wir aber auch Saat suchen, Sorghum, Massara, Jeero, Erdnüsse und Erbsen (baruru).""Gut,"sagte Gisu, "geh zum Markt und kaufe alles; ich gehe unterdessen in die Farm." Als Gisu aus der Farm zurückkam, traf er sein Weib, die die Saat gekauft hatte: "Unsere erste Farm gefiel mir nicht mehr. Ich habe eine andere zurechtgemacht. Nun mußt du die Erbsen und Erdnüsse mit Salz rösten und sie aufbewahren bis zum nächsten Regen." Koki röstete die Früchte. Da begann auch der erste Regen zu fallen und Koki sagte zu Gisu: "Ich röstete die Früchte, der erste Regen ist gefallen, willst du nun in die Farm gehen ?" "Ja," antwortete Gisu, "das werde ich tun." "Soll ich dir dein Essen bringen?"fragte die Frau. "Nein, das ist nicht nötig. Du kennst auch den Platz der neuen Farm nicht. Wenn ich hungrig bin, komme ich nach Hause." Gisu ging, rief alle seine Freunde zusammen im Busch und verzehrte mit ihnen die Früchte. Dann legte er sich in den Sand, ließ sich von der Sonne bescheinen, bis der Schweiß ihm am ganzen Körper herunterlief, ging nach Hause und sagte: "Das war ein schwerer Tag, sieh, wie ich schwitze."Da gab ihm seine Frau gut zu essen. Das machte er so vier Tage lang, bis alle Erdnüsse und Erbsen "gepflanzt" waren. Dann sagte er: "Die Erbsen und Erdnüsse kommen schon sehr schön heraus. Ich will nun gehen und die Farm von Unkraut reinigen!""Kann ich nicht die Farm auch sehen?"fragte Koki. "Ach, es ist so weit, warte nur bis zur Ernte!" So ging Gisu jeden Tag in den Busch, bummelte herum, ließ sich von der Sonne bescheinen, bis er schwitzte und bekam daraufhin gutes Essen von seiner Frau. Als nun die Ernte kam, sagte die Frau: "Alle Leute bringen schon Erdnüsse von der Farm, kannst du nicht auch welche bringen?" "Selbstverständlich", antwortete Gisu, ging ins Feld und stahl von einer anderen Farm einen



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Korb voll Erdnüsse. Als nun der Besitzer der Farm dies merkte, baute er in der Farm ein kleines Haus, formte eine Figur wie ein Mädchen aus Gummi, kleidete sie an und dachte: "Damit werde ich den Dieb schon fangen!" Als Koki alle Erdnüsse verbraucht hatte, sagte sie zu Gisu: "Ich brauche neue Erdnüsse, wir wollen in die Farm gehen und welche holen. Ich möchte auch einmal sehen, wieviel Erdnüsse wir haben, denn es war doch sehr viel Saat." "Ach bleib nur hier und mache deine Arbeit; ich will die Erdnüsse holen. Wir haben für viele Monate Vorrat." Gisu nahm seinen Korb und betrat singend die Farm, damit er herausfände, ob noch Leute da wären; aber keiner kam. Da sah er das kleine Haus und ging hinein: "Was lachst du mich an?"fragte er die Gummifigur, "du warst doch gestern nicht hier ?" Sie gefiel ihm, er legte seinen Korb beiseite und begann mit ihr zu spielen. Aber, o weh! Schon klebte er fest an dem Gummi und kam nicht wieder los. So fanden ihn die Leute und sagten: "Aha! Nun wollen wir ihn am nächsten Baum anbinden, heute abend alle Leute zusammenrufen und ihn ordentlich verhauen." Sie banden ihn und gingen weg. Bald kam die Hyäne und fragte: "Was machst du denn hier, Gisu ?" "Ach,"sagte Gisu, "ich habe hier einen König begrüßt, der hat mich gern und will mir eine Kuh bringen, daher hat man mich hier festgebunden, damit ich mich nicht verirre." "Eigentlich könntest du mich dafür anbinden", meinte die Hyäne. "Nein, ich will meine Kuh alleine haben." "Aber du könntest mir doch auch einmal einen Gefallen tun, ich habe solange kein Kuhfleisch gehabt." Endlich willigte Gisu ein und band die Hyäne fest. "Schüttle dich mal", forderte Gisu auf. Die Hyäne konnte sich noch schütteln, darum band Gisu noch einen Strick herum und sagte: "Ich gehe jetzt, dir Wasser holen. Wenn die Leute mit der Kuh kommen, rufst du mich, damit ich das versprochene Stück Fleisch bekomme." Dann verschwand Gisu im Busch und versteckte sich auf einem hohen Baum. Als die Leute nun kamen, jung und alt, mit Knüppeln bewaffnet, fanden sie zu ihrem Erstaunen die Hyäne und ließen an ihr ihre Wut aus. Gisu aber saß auf dem Baum, sah es und lachte sich ins Fäustchen. Währenddessen vermißte Koki ihren Mann und fragte Leute, ob sie ihn gesehen hätten. Die antworteten: "Wir haben nur gehört, daß man ihn in einer Farm angebunden hat." Die Frau ahnte den Zusammenhang und dachte: "Mag er sich selbst herausfinden." Inzwischen hatte sich die Hyäne von ihren Schlingen losgerissen und flüchtete unter den Baum, auf dem Gisu saß, und wollte sich dort verschnaufen. Gisu brach einen Ast ab und warf ihn 365



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hinab. Die Hyäne sah nach oben und bemerkte Gisu. "Na, du hast mir ja was Schönes eingebrockt. Wenn du herunterkommst, werde ich dich fressen.""Ich komme gleich, ich will nur noch einmal pinkeln." Gisu kam den Stamm herunter und begann auf einmal zu schreien. "Was schreist du denn da ?"sagte die Hyäne. "Ach, ich antworte nur ein paar Leuten, die mich fragten, ob ich nicht eine Hyäne mit einem Strick um den Hals gesehen hätte, sie wollten sie fangen und mir schenken." Als die Hyäne das hörte, rannte sie aus Angst hinweg. Dann ging Gisu befriedigt nach Hause. Dort fragte seine Frau: "Na, wo hast du denn gesteckt die anderthalb Tage?" Gisu erzählte alles. Da sagte Koki: "Ich habe ja gewußt, daß du keine Farm machen kannst und alles gestohlen war. Haben sie dich denn ordentlich verhauen?" "Ja", meinte Gisu. "Na, wann wirst du denn wieder stehlen?""Fürs erste habe ich genug", meinte Gisu.


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