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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

85. Die Karua

In den kleinen Höfen in den Städten pflanzen die Leute Tabak. Die Blätter pflücken sie ab und rauchen sie. An den Blüten riechen sie immer nur etwas und benützen sie nur, um die Zähne ein wenig zu färben. Die Tabakblätter wachsen langsam, bleiben lange grün und werden dann noch aufbewahrt. Die Tabakblüte kommt an einem Tag heraus und duftet, und wenn man nach einigen Tagen sie noch einmal sehen will, ist sie schon lange gestorben, ist abgefallen



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und vom Wind hinausgeweht. Wenn ein Mann heiratet, so gewinnt er Blatt und Blätter für seine Familie. Wenn ein Mann zu einer Karua (Freudenmädchen) geht, so ist das für wenige Stunden und dann ist es vorüber. Wenn der Mann aber bei seinem Weibe nachher wieder schläft, so denkt er an die Karua und umfaßt die Frau fester, und nachher wird die Frau schwanger. Man kann keine Tabakpflanze ohne eine Blüte haben. Man kann keine Stadt ohne Karua finden. Wenn aber eine Tabakpflanze zu viele Blüten hat, werden die Blätter schlecht. So sagen die Farmleute.

Allah hat allerhand große und kleine Tiere gemacht. Allah schuf die Ameisen. Sie bauen ihre Häuser und bringen Korn herein, sorgen für ihre Kinder und laufen den Tag über hin und her. Wenn der Mann ihnen aber zu nahe kommt, dann wird er von den Ameisen gebissen und er erleidet Schmerzen. Allah machte die Schmetterlinge. Die Schmetterlinge sind bunt und fliegen hierhin und fliegen dorthin. Wenn sie sich aber anbauen, dann kommen häßliche Raupen heraus, die zerfressen alle Blätter. Eine Ameise ist ein häßliches Tier, und wenn man die Ameise in ihrer Arbeit stört, dann beißt sie den Menschen. Ein Schmetterling ist ein buntes, schönes Tier. Wenn der Mann aber mit den Fingern über die Flügel hingleitet, nicht stärker als er den Busen seiner Karua (Buhlin) betastet, dann geht aller Schimmer weg, und der Schmetterling wird häßlich. —Wenn der Mann Frauen vom Lande heiratet, so sind sie emsig und arbeiten und gebären Kinder und bereiten dem Mann ein schönes und großes Haus. Aber wenn der Mann sie falsch anfaßt, dann werden sie böse und verwunden den Mann. Wenn der Mann eine Karua sieht, findet er sie schön. Wenn er zu ihr geht und bei ihr gelegen hat, sieht er aber, daß sie häßlich ist, und wenn er allzuoft den Karuas nachgeht, dann zerstört er sein Haus. Denn die Karuas fressen gieriger an den Zweigen, als die Raupen an den Bäumen.

Die Karuas sind die Hyänen der Städte. Wenn die Frauen nachts die Türe nicht schließen, kommen die Karuas herein und rauben die Kinder. Die Karuas aber schleppen die Väter und die ganzen Häuser weg und treiben sich umher, sich immer gierig nach anderem Fleisch umsehend. Die Karuas sind nur Fleisch und Knochen und Tiere. Sie sind keine Menschen mehr, denn sie sehen nicht darauf, daß sie andere zerstören, sondern nur, daß sie den Wanst und die Eisenkoffer füllen. Die Karua sind schlimm von klein auf, aber sie werden erst ganz wie die Tiere, wenn sie alt sind. Wenn der Mann bei seiner Frau schläft, denkt sie an ihre Kinder. Wenn der Mann bei seiner



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Karfa schläft, denkt sie nur an ihren Karfa (also ihren Buhlen). Wenn der Mann mit einer Karua schläft, denkt die Karua nur an sein Geld. Die Frau ist glücklich, wenn sie schwanger wird. Die Karfa ist glücklich, wenn sie bei dem Manne liegt. Die Karua ist glücklich, wenn sie Geld sieht. Und wenn sie dem Manne, der zu ihr kommt, alles Geld wegnehmen kann, ehe er den Bante (das Unterkleid) ablegt, so stößt sie ihn von sich, ohne ihn bei sich schlafen zu lassen.

Die Frauen sind wie die Anabi (Propheten) Allahs. Sie bringen das Gute in das Haus. Die Karfa sind wie die Malaiki (die Engel) Sie machen den Mann froh. Die Karuas aber sind wie die Maji (oder Mai; Subachen). Sie saugen das Blut aus den Männern und Häusern und lassen die Männer dann sterben und sehen gar nicht hin, wenn die Männer sterben, denn sie hocken dann an ihren Töpfen und trinken sich voll.

Wenn eine Karua klein ist, geht sie hin und ißt das Geld der jungen Burschen. Wenn die Karua älter wird, sieht sie sich um nach wohlgekleideten Männern; dann ißt sie deren Geld, so daß die nachher weglaufen müssen in Lumpen. Die Karua rüstet sich zum Arbeiten wie ein Mann sich zum Kriege rüstet. Die Karua nimmt Katambirifrüchte, brennt sie und malt dann schwarze Linien in ihr Gesicht, auf die Stirn und auf die Wangen. Die Karua färbt ihre Zähne mit Tabakplättern und Kolanüssen. Sie trägt an den Armen Glasringe. Nirgends sind aber die Karuas so geschickt und so schlimm als in Kano.

Ich spreche nur von einer Karua, die lebte in Kano an der großen Straße. Die war ein kleines Mädchen gewesen, da hatte sie schon auf dem Songo bei den Fremden geschlafen. Sie hatte erst alles Geld ausgegeben für süße Speisen und Kleider und Perlen und Silberschmuck; die war dann älter geworden und hatte ihr Geld nicht mehr für süße Speisen und Kleider ausgegeben; sie hatte auch nicht mehr den Songo aufgesucht um zu essen, zu tanzen, bei den Männern zu schlafen und einige Kauri mit zurückzubringen; sie hatte ein Haus und für ihr Geld hatte sie sich vier Skiavinnen gekauft, die mußten ihr, jede nach ihrer Art, bei dem Geldsammeln helfen.

Jede dieser jungen Sklavinnen hatte ihren eigenen Namen und hatte ihr eigenes Geschäft. Dies aber waren ihre Namen: (Es war nicht möglich, diese Namen linguistisch zu zergliedern; ich gebe deshalb die Erklärungen wieder, die ich von dem Erzähler, und zwar hier von Makapho Birni erhielt)



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Die erste Sklavin hieß "Folge ihm und sieh ihn an."(in Haussa Bissudegani)

Die zweite Sklavin hieß: "Sieh, was einer an Schönem sich wünscht." (NB. von der Karua; in Haussa = Ke-ao-nema)

Die dritte Sklavin hieß: "Was einer in der Nacht Schönes schenkt." (Asikin Sakandere)

Die vierte Sklavin hieß: "Kehre ihm die Taschen um und sieh, daß nichts mehr darin bleibt." (Karkadakjaka)

Die Karua saß in ihrem Hause und sang. Die vier Sklavinnen taten ihre Arbeit. Wenn die Karua fröhlich war, sang sie: "Ich bin das Huhn der ganzen Stadt, aber ich lege keine Eier. Ich bin die Nakia, der süße Kuchen, von dem jeder ein wenig ißt, aber keiner wird ganz davon satt. Ich bin die Kalebasse, die leicht zerbricht. Jeder kann mich erhalten, aber keiner behalten. Ich gehe dahin, wo Prinzen wohnen, aber der Platz, an dem ich schlafe, ist so schlecht daß kein Hund sich da niederlegen möchte" (weil die Hure so verachtet ist).

Die Karua wohnte an der großen Straße in Kano. —

Ein blinder Mann ging umher und bettelte. Der Blinde kam zum Galadima von Mbaina. Der schenkte ihm 400000 Kauri. Der Blinde kam zum Tafida. Der Tafida schenkte ihm 400000 Kauri. Der Blinde kam zum Dalaua. Der Dalaua schenkte ihm 400000 Kauri. Der Blinde kam zum Kileschi; der Kileschi war nur ein Sklave. Der Serki des Kileschis aber schenkte dem Blinden 400000 Kauri. Der Blinde kam zum Limam von Mbaina. Der Limam schenkte ihm 400000 Kauri. Der Blinde kam zum Alkali. Der Alkali schenkte ihm 400000 Kauri. Der Blinde kam zum Serki von Mbaina. Der Serki von Mbaina empfing ihn selbst. Der Serki schenkte ihm 400000 Kauri und ein Kamel, damit er darauf in seine Heimat reiten könne.

Als der Blinde vom Serki das Kamel erhalten hatte, packte er alle Kauri, die er bekommen hatte, zusammen, legte alles Silber, das er gewonnen hatte, zueinander, lud alles auf sein Kamel, bestieg es und ritt nach Kano zu. Der Blinde ritt auf seinem Kamel mit seinen Säcken nach Kano hinein und an dem Hause der Karua vorbei. Die Karua sah den Blinden auf seinen Kamel. Die Karua sagte zu ihrer Sklavin Bissudegani: "Meine Bissudegani, sieh den Mann. Tue deine Arbeit!" Bissudegani ging. Bissudegani folgte dem Blinden. Der Blinde ritt zu einem Hause. Der Blinde stieg von seinem Kamel. Der Blinde nahm seine Säcke mit Kauri und Silber herunter



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und trug sie in das Haus. Bissudegani sah es. Bissudegani hörte das Geld klirren. Bissudegani lief nach Hause.

Bissudegani sagte zur Karua: "Heute werden wir einen reichen Fremden haben." Die Karua fragte: "Wen werden wir haben?" Bissudegani sagte: "Wir werden ein gutes Gericht essen."Die Karua sagte: "Welche Art von Fleisch ist es?" Die Sklavin sagte: "Es ist ein großer Mann."Die Karua sagte: "Es wird Jalioka (d. h. trockenes Fleisch, soll soviel heißen als der Fremde wird beim "Schröpfen" nicht viel hergeben) sein."Bissudegani sagte: "Nein, es ist kein Jalioka. Der Mann muß nur auf das Feuer gesetzt werden." Die Karua fragte: "Ist es denn Kissakissa (d. h. sehr fettes Fleisch)?"Bissudegani sagte: "Nein, Kissakissa ist es nicht. Man wird ihn mit etwas Öl aufsetzen müssen." Die Karua sagte: "Ist es denn Krigi (altes Leder)?"Bissudegani sagte: "Nein, Leder ist es nicht. Aber man muß ihn ein wenig kochen." Die Karua fragte: "Ist es denn Saeifa (d. i. geronnenes Blut)?"Bissudegani sagte: "Ich weiß nicht, was du damit meinst." Die Karua sagte: "Ich sehe, du weißt noch nicht alles, Saeifa ist ein blinder Mann. Das ist ein Mann, der sein Geld nicht sieht, wenn Asikikin Sakandore vor ihm tanzt."Bissudegani sagte: "Ja das ist es. Es ist Saeifa."

Die Karua sagte: "Warum hast du den Mann nicht hergebracht?" Bissudegani sagte: "Ich habe nicht dein Kleid. Ich habe nicht deinen großen Namen. Ich bin nicht die Herrin. Du bist die Herrin. Es ist nicht meine Arbeit. Auch ist der Fremde kein Makapho (Blinder), sondern nur ein Homoderi (d. i. ein Mann mit kranken Augen, der nicht nichts, sondern nur wenig sehen kann)."Die Karua legte ein neues Kleid an. Die Karua ging zu dem Hause, in dem der Fremde abgestiegen war.

Die Karua trat zu dem Fremden. Die Karua fragte: "Sei gegrüßt! Bist du ein Sohn Dan-bature-Gonjas? (Gonja an der Goldküste, das als Land der sehr reichen Leute gilt!)" Der Fremde sagte: "Das bin ich nicht." Die Karua fragte: "Bist du der Sohn eines Madugu Adamauas (auch die Kauffahrer -Madugu, die in Adamau handelten, galten früher als sehr wohlhabend)."Der Fremde sagte: "Nein das bin ich nicht."Die Karua fragte: "Du hast einen großen Turban. Du reitest ein schönes Kamel. Du hast viel Gepäck. Du siehst aus wie ein großer Mallem. Bist du der Mallem Issa oder der Mauern Soheibu?"Der Fremde sagte: "Nein, das bin ich nicht!" Die Karua sagte: "Bist du der Mauern Muhu oder der Mauern Adamu ?"Der Fremde sagte: "Nein, das bin ich nicht."Die Karua sagte: "Bist du



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etwa Djiberri (oder Gabrielu) oder bist du Senussi ?" Der Fremde sagte: "Nein, ich bin keiner von diesen."

Die Karua sagte: "Dann bist du aber doch ein Sarakuna (ein großer Mann), das sieht ein jeder. Bist du etwa der König von Baudu?" Der Fremde sagte: "Nein, das bin ich nicht." Die Karua fragte: "Bist du etwa der König von Gorom oder der König von Lingi, der Sohn Laias?" Der Fremde sagte: "Nein, ich bin keiner von beiden." Die Karua sagte: "Bist du Umoru, der König von Bautschi ?" Der Fremde sagte: "Nein, das bin ich nicht." Die Karua sagte: "Bist du der König der Harda?" Der Fremde sagte: "Nein, der bin ich nicht."Die Karua fragte: "Bist du etwa der König von Kano?" Der Fremde sagte: "Nein, der bin ich nicht." Karua sagte: "Bist du denn Makapho Birni Kano (d. i. der bekannte Blinde (Makapho) der Stadt (Birni) Kano) ?" Der Mann sagte: "Jetzt hast du meinen Namen."

Die Karua sagte: "Weshalb eilst du so ?" Der Fremde sagte :"Ich laufe nicht weg." Die Karua sagte: "Dann will ich dir Wasser (zum Trinken) reichen." Der Fremde sagte: "Geh in dein Haus zurück. Ich werde dann alsbald kommen und einen Trunk Wasser bei dir nehmen." Die Karua sagte: "Du weißt, wo ich wohne. Ich sende meine Sklavin Ke-ao-nema. Sie wird vor dem Hause stehen und dir den Weg zeigen." Die Karua ging. Die Karua rief ihre zweite Sklavin und sagte: "Ke-ao-nema, geh zu dem Hause, in dem Makapho Birni wohnt. Warte vor dem Hause und bringe ihn hierher." Ke-aonema ging. Ke-ao-nema ging zu dem Hause des Blinden und setzte sich vor der Türe auf die Straße.

Der Blinde ging in sein Haus hinein. Der Blinde sagte: "Ich bin mit viel Geld wieder nach Hause gekommen. Ich will mein Geld nicht dieser Karua schenken." Der Blinde nahm sein Geld. Der Blinde füllte sein Geld in einen Stoff. Er hob den gefüllten Stoff auf und wickelte ihn in sein Kleid. Er hob das gefüllte Bündel auf und steckte es in einen Kendi-Kendi (d. i. ein Sack aus Eingeborenenstoff). Den Kendi-Kendi stopfte er in einen Sack. Den gefüllten Sack legte er in einen Waga (d. i. ein Eseltragkorb). Den vollen Waga hob er auf und presste ihn in einen Sonducki (d. i. ein Koffer aus Eisen). Den gefüllten schweren Sonducki nahm er auf seine Schulter. Den Sonducki trug er aus dem Hause in den Hinterhof. Im Hinterhof stand ein Rumbu (Speicher). Der Blinde nahm den Sonducki und versteckte ihn in dem Rumbu. Er schloß die Öffnung und strich Erde vor die Öffnung, so daß man sie nicht sehen konnte. Der Blinde ging über den Hof in das Vorderhaus zurück und sagte: "Ich gehe nicht zu der Karua."



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Der Blinde ging in das Vorderhaus zurück. Er setzte sich im Vorderhaus hin und sagte: "Ich gehe nicht zu der Karua." Der Blinde saß im Vorderhaus. Es war aber etwas in seinem Bante, das schwoll an. Der Blinde sagte: "Nein, ich gehe nicht zu der Karua." Das Ding im Bante schwoll an und sagte: "Steh auf! Wir gehen. Wir wollen nur einen Trunk Wasser bei der Karua nehmen! Steh auf! Wir gehen!" Der Blinde sagte: "Ich gehe nicht zur Karua. Ich gehe nicht zur Karua!" Das Ding im Bante schwoll und schwoll. Das Ding im Baute schwoll und schwoll. Das Ding im Bante sagte: "Steh auf, wir gehen! Wir gehen! Auf der Straße steht die Sklavin Ke-ao-nema. Sie führt uns den Weg! Steh auf, wir gehen!" Der Blinde sagte: "Ich gehe nicht zur Karua! Ich gehe nicht zur Karua!" Das Ding im Bante sagte: "Steh auf, wir gehen. Die Karua hatte duftende Kleider. Die Karua hatte eine warme Hand. Die Karua hatte einen wohlriechenden Atem. Die Karua hatte einen leichten Schritt. Steh auf, steh auf! Wir gehen!" Der Blinde sagte: "Ob ich gehe? Nein, ich gehe nicht!"

Das Ding im Bante schwoll. Das Ding sagte: "Steh auf!" Der Blinde sagte: "Ich stehe nicht auf." Aber das Ding im Bante hob den Blinden auf. Das Ding im Bante sagte: "Wir gehen!"Der Blinde sagte: "Ich gehe nicht." Aber das Ding im Bante schob den Blinden nach der Tür. Der Blinde sagte: "Nein, ich gehe aber nicht! Ich gehe nicht." Das Ding im Bante führte den Blinden aber zu der Tür der Karua und sagte: "Wir gehen, ja, wir gehen! Die Karua hatte duftende Kleider. Die Karua hatte eine warme Hand. Die Karua hatte einen wohlriechenden Atem. Die Karua hatte einen leichten Schritt. Vor der Türe sitzt Ke-ao-nema. Ke-ao-nema wird uns den Weg zeigen!"

Der Blinde sagte zu der Sklavin: "Ke-ao-nema! Zeige mir den Schritt zu deiner Herrin! Ich will bei ihr nur einen Trunk Wasser nehmen." Ke-ao-nema stand auf. Ke-ao-nema führte den Blinden nach dem Hause der Karua. Ke-ao-nema sagte: "Hier ist es." Der Blinde trat in das Haus der Karua. Der Blinde sagte: "Salem aleikum." Die Karua sagte: "Maraba Gassesse!" (Willkommen) Der Blinde trat in das Sauri. Der Blinde setzte sich im Sauri (Durchgangshaus) hin. Die Karua sagte: "So ist es gut, mein Blinder! Setze dich nieder. So ist es gut! Warte, bis wir dir einen Trank bereitet haben! Du kannst es nicht sehen. Aber du wirst es hören, mein Blinder, daß gut für dich gesorgt wird."

Der Blinde saß im Sauri und hörte zum Hof und Haus hinaus.



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Die Karua rief ihre vier Skiavinnen. Die Karua rief: "Bringt Geero! Stampft Mehl! Bereitet schnell einen Trank für Makapho Birni!" Die Mädchen liefen fort. Die Mädchen kamen wieder. Zwei Mädchen ergriffen die Mörserkeule. Makapho hörte die beiden Mörserkeulen. Makapho hörte die beiden Mörserkeulen spielen. Die eine Mörserkeule sagte: "Kaewoda!" Die andere Mörserkeule sagte: "Kaewoda." Die Mörserkeulen sagten: "Kaewoda, Kaewoda, Kaewoda, Kaewoda!" (d. h. Ein Fremder kam, Gott gibt Essen! Ein Fremder kam, Gott gibt Essen!) Makapho hörte, was die beiden Mörserkeulen sagten.

Ein drittes Mädchen trat mit einer dritten Mörserkeule hinzu. Das dritte Mädchen stieß seine Keule auch mit in den Mörser. Die drei Mörserkeulen sprachen miteinander. Die Mörserkeulen sagten untereinander: "Kaessamu! Mussamu! Kaessamu! Mussumu!"(d. h. Ich werde bekommen! Du wirst bekommen! Ich werde bekommen! Du wirst bekommen! usw.) Makapho hörte, was die drei Mörserkeulen sagten.

Das vierte Mädchen trat mit der vierten Mörserkeule hinzu. Das vierte Mädchen stieß seine Keule auch mit in den Mörser. Die vier Mörserkeulen sprachen miteinander. Die vier Mörserkeulen sprachen miteinander: "Tumunajara mukassawa daeabamu. Tumanajara mukassawa daeabamu!"(d. h. Seit wir kleine Mädchen sind, gab man uns Geschenke! Seit wir kleine Mädchen sind, gab man uns Geschenke!) Makapho hörte, was die vier Mörserkeulen sagten.

Danach nahmen die vier Mädchen das Mehl aus den Mörsern. Sie wuschen das Mehl. Sie schüttelten das Mehl in einem Schüttelsieb (Tefe) trocken. Das trockene Mehl fiel in eine Kalebasse (Koria) hinab. Die Tefe und die Koria sprachen miteinander. Die Tefe sagte zur Koria: "Laß ihn, er kann nicht sehen! Laß ihn; er kann nicht sehen!" Die Koria sagte zur Tefe: "Was willst du essen, wenn du ihn läßt? Was willst du essen, wenn du ihn läßt?"Makapho hörte, was das Schüttelsieb und die Kalebasse miteinander sprachen.

Die Karua trat zu dem Mädchen. Sie prüfte das Mehl und sagte: "Ich werde das Mehl selbst noch einmal stampfen!" Die Karua nahm eine Keule und stampfte. Der Blinde hörte, wie die Glasringe am Arm der Karua zusammenschlugen. Die Glasringe sprachen untereinander. Die Glasringe sagten: "Der Mann wird heute gut essen. Der Mann wird aber all sein Geld verlieren! Der Mann wird heute gut essen, der Mann wird aber all sein Geld verlieren!"Makapho hörte, was die Glasringe am Arm der Karua zueinander sprachen.



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Die Karua stampfte das Mehl noch einmal. Der Blinde hörte, wie die Tonringe am Arm der Karua zusammenschlugen. Die Tonringe sprachen untereinander. Die Tonringe sagten: "Du kommst mit Lachen! Du wirst aber gehen im Zorne! Du kommst mit Lachen Du wirst aber gehen im Zorne! (Hadjo de daria kokoma de fuschi)." Makapho hörte, was die Tonringe am Arm der Karua sprachen.

Die Karua stampfte das Mehl noch einmal. Die Karua trat dabei mit dem Fuße (im Takte) auf. Der Blinde hörte, wie ein Ring an der Zehe der Frau sprach: "Da ist einer, der hat keinen Verstand! Da ist einer, der hat keinen Verstand!"(Gauwenni marawajo! Gauwenni marawajo!) Makapho hörte, was der Ring an der Zehe der Karua sagte.

Die Karua stampfte das Mehl noch einmal! Die Glasringe an den Armen der Karua sprachen. Die Tonringe an den Armen der Karua sprachen. Der Fußring an der Zehe der Karua sprach. Makapho sagte (bei sich): "Die Glasringe sprechen! Die Tonringe sprechen! Der Zehring spricht! Sicher hat die Karua schwarze Linien auf der Stirn. Die schwarzen Linien werden auch sprechen. Sicherlich hat die Karua einen Pflock im Ohr. Der Ohrpflock (Kauwanja) wird auch sprechen!"Der Blinde horchte.

Das Zeichen auf der Stirn der Karua sagte: "Sieh, der Mann kann nicht sehen. Iß nicht alles, was er hat!" Der Ohrpflock antwortete: "Wenn der Mann nicht sehen kann, so kann sein Geld doch sehen!" Makapho hörte, was die Stirnstriche und der Ohrpflock miteinander sprachen. Der Blinde wollte aufstehen und (leise) wieder von dannen gehen. Die Karua sagte: "Jetzt ist es gut. Meine Sklavin Asikin Sakandere! Nun bereite das Bett, daß wir uns darauf setzen, wenn Makapho Birni seinen Trank genommen hat!"Makapho hörte, wie Asikin Sakandere über den Hof von dannen ging. Makapho setzte sich wieder breit hin.

Die Karua nahm das Mehl und mischte es mit Milch. Die Karua sagte zu Asikin Sakandere: "Nun führe den Makapho in mein Zimmer. Laß ihn sich niedersetzen und dies trinken."Asikin Sakandere kam zu Makapho. Asikin Sakandere führte den Blinden aus dem Sauri über den Hof in das kleine Zimmer der Karua. In dem Zimmer der Karua stand deren Bett. Auf dem Bett lagen viele Decken. Die Decken dufteten. Asikin Sakandere sagte: "Hier setze dich, Makapho. Hier wirst du alles haben, was du dir wünschest. Nimm dies und trinke!"Der Blinde nahm die Schale. Asikin Sakandere ging. Der Blinde trank die Schale aus.



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Die Karua trat in das kleine Zimmer. Die Karua sagte: "Hast du getrunken?"Der Blinde sagte: "Ja, ich habe getrunken." Der Blinde setzte die Schale zur Seite. Makapho sagte: "Komm, setze dich zu mir!" Die Karua setzte sich zu dem Blinden auf das Bett. Die Karua sagte: "Du bist ein Blinder! Womit siehst du nun, was schön und häßlich ist?" Der Blinde sagte: "Ich sehe es mit der Hand!" Die Karua nahm die Hand des Blinden und legte sie auf ihre Stirn. Die Hand des Blinden glitt über die Stirn der Karua hin. Der Blinde sagte: "Hierfür schenke ich dir zwanzigtausend Kauri !" Die Karua führte die Hand des Blinden über ihr Gesicht. Die Hand des Blinden glitt über ihre Lippen. Der Blinde sagte: "Hierfür schenke ich dir zwanzigtausend Kauri!" Die Karua führte die Hand des Blinden über ihren Busen. Die Hand des Blinden glitt über deren Busen. Der Blinde sagte: "Hierfür schenke ich dir zwanzigtausend Kauri!" Die Karua führte die Hand des Blinden über ihre Lenden. Die Hand des Blinden glitt über ihre Lenden. Der Blinde sagte: "Hierfür schenke ich dir achtzigtausend Kauri!" Die Karua ließ die Hand des Blinden frei. Die Hand des Blinden glitt über den Nabel (Silia) der Karua. Der Blinde sagte: "Hierfür schenke ich dir zweihunderttausend Kauri!'

Der Blinde tastete mit seiner Hand. Die Karua hielt seine Hand auf. Der Blinde stieß die Hand der Karua beiseite. Der Blinde strich über die Geschlechtsteile der Karua hin und her. Der Blinde sagte: "Hierfür gebe ich dir alles, was ich habe!" Die Karua sagte: "Wenn du mich beschlafen willst, so ist mir das recht! Bring mir aber dann das her, was du hast!" Der Blinde sagte: "Das will ich tun!" Der Blinde drückte seine Hand noch einmal auf die Geschlechtsteile der Karua. Die Karua stieß ihn zurück. Der Blinde stand auf. Die Karua sagte: "Meine Sklavin Karkada Kjaka wird dich hin- und zurückführen! Meine Karkada Kjaka, tu deine Arbeit!"

Die Sklavin kam. Die Sklavin führte den Blinden zu seinem Hause Der Blinde sagte: "Geh nur schneller! Wenn ich auch blind bin, kann ich doch schnell gehen!" Der Blinde kam in sein Gehöft. Der Blinde lief über seinen Hof. Der Blinde trat gegen einen Stampfmörser, der auf seinem Hofe lag. Der Blinde nahm den Stampfmörser auf. Er lief auf den Rumbu zu, in dem der Sonducki mit seinem Gelde war. Er zerschlug mit dem Stampfmörser die Lehmwand des Rumbus. Er packte den Sonducki. Er hob den schweren Sonducki auf seine Schulter. Er trug den Sonducki heraus. Karkada Kjaka sagte: "Komm schnell! Die Karua wartet!" Der Blinde sagte: "Laufe nur schnell, ich komme schon mit, wenn der Sonducki auch schwer ist!" 48



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Karkada Kjaka brachte den Blinden zurück. Karkada Kjaka sagte: "Hier ist er mit seinem Gelde." Die Karua sagte: "Hilf ihm!" Karkada Kjaka sagte: "Mein Blinder, lege deinen Riga (Kleid) und deine Hosen ab!" Karkada Kjaka nahm dem Blinden das Oberkleid ab. Karkada Kjaka zog dem Blinden die Hosen ab. Karkada Kjaka sagte: "Meine Herrin, nun habe ich ihm alles abgenommen!" Die Karua sagte: "Dann führe ihn hinaus, gib ihm Wasser und laß ihn sich hinter dem Hause waschen!"

Karkada Kjaka führte den entblößten Blinden hinaus. Der Blinde wusch sich. Die Sklavin ging. Die Karua schloß die Türe. Die Karua legte Steine vor die Türe, so daß sie von außen nicht zu öffnen war. Die Karua packte die Säcke und Körbe aus. Die Karua nahm die Säcke mit Kauri und Silber heraus. Die Karua zählte das Geld des Blinden. —Als der Blinde sich gewaschen hatte, kam er zurück. Der Blinde kam an die Tür der Karua und wollte sie öffnen. Der Blinde erkannte, daß die Türe von innen verschlossen war.

Der Blinde schrie: "Karua! Karua! Mach mir auf!" Die Karua zählte ihr Geld. Der Blinde schrie: "Karua! Karua! Mach mir auf! Ich bin nackt. Karkada Kjaka hat mir alles genommen, was ich hatte!" Die Karua zählte das Geld. Die Karua fragte: "Wer ist denn da?" Der Blinde rief: "Ich bin da! Ich bin es, Makapho Birni." Die Karua zählte das Geld. Die Karua sagte: "Makapho Birni? Mit einem Makapho Birni habe ich nichts mehr zu tun!" Der Blinde schrie "Wenn das Geld auch weg ist, so sind doch die Worte nicht zu Ende! (d. h. wenn ich nun auch nichts mehr habe, so mußt du doch das erfüllen, wofür ich dir alles versprochen habe) Karua öffne!" Die Karua zählte das Geld. Die Karua antwortete nicht mehr. Der Blinde ging entblößt nach Hause. Der Blinde hatte sein Geld verloren.

So sind diese Karua. —


Copyright: arpa, 2015.

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