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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

84. Das alte Weib

Die alten Frauen (Tjatuma oder Jatuma) machen wohl den Markt gut, aber sie zerstören das Haus. Sie sind entweder trocken, dann ist ihre Haut wie Leder und ihr Herz ohne Blut, oder sie sind gequol.. len, dann ist ihr Fett übelriechend und ihr Kopf voll Gift. Ihre Haare sind borstig und weiß, und man kann keine Fäden daraus spinnen, sondern nur einen Strick daraus drehen, an dem sich die Menschen erhängen (Kogaua = Strick zum Erhängen). Ihre Brüste hängen lang und leer herab, weil die Kinder alles herausgesogen haben, was darin Gutes war. Nicht einmal der Teufel (Iblis) kann sie übertreffen.

Denn das erzähle ich hier.

Im Lande Matasu ging ein Mann, der nicht sehen konnte, ein Makapho (Blinder). Der Makapho trat durch die Birni in die Stadt.



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Der Makapho begegnete bald einem alten Weibe, die hatte ihr Haus nahe dem Stadtwall. Der Makapho ging die Straße entlang. Das alte Weib sah, daß der Mann blind war. Das alte Weib sagte: "So ist es gut."

Das alte Weib ging zu dem Makapho und sagte: "Du bist ein Blinder. Jederman tut den Blinden Gutes. Allah wird mir aber Gutes tun, wenn ich dich in meinem Hause aufnehme. Komm mit in mein Haus und wohne bei mir!" Der Makapho sagte: "Es ist gut, ich will bei dir wohnen. Ich habe nichts weiter bei mir als diesen Korb." Die Alte sagte: "Komm nur; ich will dir einen Raum zeigen!" Die Alte brachte den Makapho in den Raum.

Der Makapho sagte zu der Alten: "Ich will sogleich ausgehen und sehen, ob ich etwas gewinne. In diesem Korbe habe ich nun ein Huhn mitgebracht. Kannst du das Huhn herausnehmen, für das Huhn sorgen und sehen, ob es Eier legt?" Das alte Weib sagte: "Das soll geschehen, Allah wird mir Gutes tun, wenn ich für dich und dein Huhn sorge." Die Alte nahm das Huhn. Der Makapho ging. Als der Blinde gegangen war, nahm die Alte sogleich sein Huhn, schlachtete es und bereitete eine gute Speise. Dann aß sie das Huhn auf.

Als der Blinde den Tag über auf dem Markt gewesen war, kam er abends heim zu der alten Frau. Der Makapho fragte: "Wie geht es meinem Huhn?" Die Alte sagte: "Ach das Huhn! Das Huhn, das jämmerliche Huhn! Mein Makapho, Musurru (Schakal oder Katze) hat dein Huhn gefangen und gefressen." Der Blinde sagte: "Allah wird mir mit meinem Huhne helfen!"

Am andern Tage stand der Blinde früh auf. Er sagte zu dem alten Weibe: "Ich will sogleich ausgehen und sehen, ob ich etwas gewinne." Das alte Weib sagte: "Tue das, mein Makapho! Jeder gibt dem Blinden gerne! Geh hin! Man wird dir reichlich geben." Der Blinde ging. Der Blinde ging durch die Stadt. Der Blinde traf auf einen reichen Mann. Der reiche Mann hatte seinen Leuten gesagt, sie sollten seine Ziegen hereinbringen, damit er sie besichtige. Der reiche Mann besah seine Ziegen. Der reiche Mann sah den Blinden. Der reiche Mann schenkte dem Makapho eine Ziege und sagte: "Nimm diese Ziege. Allah wird mir dafür Gutes tun."Makapho nahm die Ziege. Makapho ging mit der Ziege nach Hause.

Der Makapho kam mit der Ziege in sein Haus und sagte zu dem alten Weibe: "Kannst du meine Ziege nehmen und für meine Ziege sorgen?" Das alte Weib sagte: "Das soll geschehen. Allah wird mir Gutes tun, wenn ich für dich und deine Ziege Sorge." Die Alte nahm



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die Ziege. Der Blinde ging wieder fort. Als der Blinde gegangen war, nahm das alte Weib sogleich die Ziege und brachte sie zu einem Schlächter. Sie verkaufte die Ziege an den Schlächter. Der Schlächter schlachtete das Tier und verkaufte das Fleisch.

Abends kam der Makapho wieder heim zu der alten Frau. Der Blinde fragte die Alte: "Wie geht es meiner Ziege?" Die alte Frau sagte: "Ach die Ziege, die Ziege! die jämerliche Ziege! Mein Makapho, Kurra (die Hyäne) hat die Ziege gefangen und zerrissen." Der Blinde sagte: "Allah wird mir und meiner Ziege helfen!"

Am andern Morgen stand der Blinde früh auf. Makapho sagte zu dem alten Weibe: "Ich will sogleich ausgehen und sehen, ob ich etwas gewinne." Das alte Weib sagte: "Tue das, mein Makapho! Jeder gibt dem Blinden gerne! Geh hin! Man wird dir reichlich geben." Der Blinde ging. Der Blinde ging durch die Stadt. Der Blinde traf einen Madugu. Der Madugu war mit vielen beladenen Eseln in die Stadt gekommen. Der Madugu hatte alles verkauft und war nun reich geworden. Der Madugu zählte nach, was er verdient hatte. Der Madugu sah den Blinden. Der Madugu nahm einen Esel, schenkte ihn dem Blinden und sagte: "Nimm diesen Esel! Allah wird mir dafür Gutes tun!"Makapho nahm den Esel. Makapho ging mit dem Esel nach Hause.

Makapho kam mit dem Esel in sein Haus und sagte zu dem alten Weibe: "Kannst du meinen Esel nehmen und für meinen Esel sorgen?" Das alte Weib sagte: "Das soll geschehen. Allah wird mir Gutes tun, wenn ich für dich und deinen Esel Sorge." Die Alte nahm den Esel. Der Blinde ging wieder fort. Als der Blinde gegangen war, nahm das alte Weib sogleich den Esel, und brachte ihn auf den Ssongo. Auf dem Ssongo fragte sie: "Ist hier nicht ein Mann, der einen guten Esel kaufen will ?" Die Leute kamen und betrachteten den Esel. Ein Mann kaufte den Esel. Die Frau nahm das Geld und kam wieder nach Hause.

Abends kam Makapho wieder heim zu der alten Frau. Der Blinde fragte die Alte: "Wie geht es meinem Esel?" Die Alte sagte: "Ach, der Esel, der Esel! Unglücklicher Esel! Ich gab ihm zu fressen. Ich gab ihm wohl zu viel zu fressen. Der Esel wurde sehr stark, riß die Schnur durch und lief davon."Makapho sagte: "Dann will ich wieder gehen und will den Esel suchen!" Das alte Weib sagte: "Mein armer Makapho! Bedenke, daß du blind bist. Ich bin herumgelaufen und habe den Esel gesucht. Ich kann sehen, aber ich habe den Esel nicht gefunden. Wie willst du, Makapho nun den Esel finden?" Der



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Blinde sagte: "Du hast recht. Ich bin blind. Aber Allah wird mir mit meinem Esel helfen!"

Am andern Tage stand der Blinde früh auf. Er sagte zu dem alten Weibe: "Ich will sogleich ausgehen und sehen, ob ich etwas gewinne Das alte Weib sagte: "Tue das, mein Makapho! Jeder gibt dem Blinden gerne! Geh hin! Man wird dir reichlich geben." Der Blinde ging durch die Stadt. Der Blinde traf auf den Galadima. Die erste Frau des Galadima hatte ein Kind geboren. Es war der erste Sohn des Galadima. Alle Leute kamen und entboten dem Galadima ihren Gruß. Der Galadima empfing alle reichen Leute. Der Galadima sah den Blinden. Der Galadima sagte: "Bringt mir ein Pferd!" Man brachte dem Galadima ein Pferd. Der Galadima sagte: "Gebt dem Blinden das Pferd. Ich schenke es ihm. Allah wird mir dafür Gutes tun." Makapho nahm das Pferd. Makapho ging mit dem Pferd nach Hause.

Der Makapho kam mit dem Pferd in sein Haus und sagte zu dem alten Weibe: "Kannst du wohl mein Pferd nehmen? Kannst du mein Pferd festbinden und für mein Pferd sorgen ?" Das alte Weib sagte: "Das soll geschehen. Allah wird mir Gutes tun ,wenn ich für dich und dein Pferd sorge." Die Alte nahm das Pferd. Der Blinde ging wieder fort. Als der Blinde gegangen war, nahm das alte Weib das Pferd und ging damit zum Serki Kassua. Die Alte sagte zum Serki Kassua: "Hier ist ein gutes Pferd. Ein Fremder hat es mir übergeben, daß ich es verkaufe." Der Serki Kassua besah das Pferd. Die alte Frau sagte: "Du siehst, daß das Pferd jung ist." Der Serki Kassua besah das Pferd. Die alte Frau sagte: "Du siehst, daß das Pferd groß ist." Der Serki besah das Pferd. Die alte Frau sagte: "Du siehst, daß das Pferd stark ist." Der Serki Kassua besah das Pferd. Der Serki Kassua kaufte das Pferd. Die alte Frau rief zwei Leute, die ihr das Geld nach Hause trugen.

Abends kam der Makapho wieder heim zu der alten Frau. Der Blinde fragte die Alte: "Wie geht es meinem Pferde ?" Die alte Frau sagte: "Sei still und sprich nicht so laut, daß die andern Leute es hören können." Der Blinde sagte: "Ich frage ja nur, wie es meinem Pferde geht. Was ist mit meinem Pferd ?" Die alte Frau sagte: "Sei still, Ich sage dir! sei still, daß die andern Leute dich nicht hören Ein großer Mann der Stadt kam vorbei. Der große Mann sah das Pferd. Der große Mann sagte: "Dies Pferd ist gut für mich!" Der große Mann der Stadt nahm das Pferd mit sich." Der Blinde sagte: "Ich will sogleich zu dem großen Manne gehen und ihn nach dem Pferd fragen, das mir der Galadima geschenkt hat." Das alte Weib



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sagte: "Mein armer Makapho! Bedenke, daß du blind bist. Bedenke, daß jener ein großer Mann der Stadt ist. Wenn du zu ihm kommst tut er dir noch mehr Schlechtes!" Der Blinde sagte: "Du hast recht. Ich bin blind. Aber Allah wird mir mit meinem Pferde helfen."

Am andern Morgen stand der Blinde früh auf. Makapho sagte zu dem alten Weibe: "Ich will sogleich ausgehen und sehen, ob ich etwas gewinne." Das alte Weib sagte: "Tue das, mein Makapho! Jeder gibt dem Blinden gern! Geh hin! Man wird dir reichlich geben." Der Blinde ging. Der Blinde ging über den Markt. Der Blinde ging weiter. Es kamen ihm Reiter und Soldaten entgegen. Es kam ihm der Jerima in der Mitte der Lifidi (Wattepanzerreiter), entgegen. Der Jerima kam aus dem Kriege. Der Jerima hatte eine Stadt zerstört und Pferde und Kamele erbeutet. Der Jerima sah den Blinden. Der Jerima winkte einem seiner Leute und sagte: "Bringt eines der guten Kamele her, die wir mitgebracht haben." Das Kamel wurde gebracht. Der Jerima schenkte das Kamel Makapho und sagte: "Nimm dies Kamel. Allah wird mir dafür Gutes tun."Makapho nahm das Kamel. Makapho ging mit dem Kamel nach Hause.

Der Makapho kam mit dem Kamel in sein Haus und sagte zu dem alten Weibe: "Ich habe von Jerima ein sehr gutes Kamel geschenkt erhalten. Kannst du dieses Kamel wohl versorgen, so daß es nicht weglaufen und nicht weggenommen werden kann?" Das alte Weib sagte: "Das kann ich tun. Du wirst dein Kamel hier vorfinden, wenn du wieder nach Hause kommst. Allah hört, was ich sage."Makapho gab dem alten Weibe das Kamel. Die alte Frau brachte das Kamel zur Seite und band es an. Der Blinde ging wieder fort.

Als der Blinde gegangen war, band die Alte das Kamel los und trieb es hinaus in den Bach, damit es dort trinke. Die alte Frau gab dann dem Kamel schlechte Medizin, damit es sterbe. Das Kamel starb aber nicht. Die Alte gab dem Kamel noch mehr Gift. Das Kamel wollte nicht sterben. Das alte Weib nahm viel Gift und schob es ihm durch den Hals. Das Kamel starb nicht, aber es legte sich hin und schrie. Als das Kamel sich hingelegt hatte, rief das alte Weib Männer herbei, die vorübergingen. Die Männer kamen. Das alte Weib sagte: "Kommt, kommt, das Kamel des blinden Mannes will sterben. Kommt her und stecht es tot, damit es nicht so stirbt!" Die Männer kamen dicht heran. Die Männer sahen, daß das Kamel des Blinden sehr krank war. Die Männer stachen das Kamel tot mit ihren Lanzen. Dann banden die Leute Stricke an die Beine des Kamels und schleiften es in die Stadt. Sie kamen an das Haus der Alten. Das alte



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Weib sagte: "Laßt das Kamel hier vor der Tür liegen." Das alte Weib sagte: "Allah wird euch für den Dienst, den ihr dem Blinden erwiesen habt, belohnen."

Abends kam Makapho wieder heim zu der alten Frau. Der Blinde kam auf das Haus zu. Der Blinde stieß mit dem Fuß gegen die Beine des toten Kamels. Der Blinde sagte: "Kai! Alte Frau! Du legst Brennholz vor die Türe deines Hauses, wenn ein Blinder bei dir wohnt? Soll der Blinde hinstürzen und sich die Glieder zerschlagen?" Das alte Weib sagte: "Hast du schon einmal Brennholz gesehen, das Beine und Kopf hat?" Der Blinde sagte: "Wie ist das?" Das alte Weib sagte: "Fühle es an. Du wirst finden, das Holz ist dein Kamel. Das Kamel ist gestorben. Man hat dir ein verwundetes Kamel gegeben. Hier an der Seite hat es im Kampf einen Lanzenstich bekommen." Der Blinde betastete das Kamel. Der Blinde nickte mit dem Kopf. Der Blinde sagte: "Allah wird mir mit meinem Kamel helfen."

Am andern Tage stand der Blinde früh auf. Er sagte zu dem alten Weibe: "Ich will sogleich ausgehen und sehen, ob ich etwas gewinne." Das alte Weib sagte: "Tue das mein Makapho! Jeder gibt dem Blinden gern! Geh hin! Man wird dir reichlich geben." Der Blinde ging. Der Blinde kam durch die Stadt. Der Blinde kam zu dem Hause des Königs.

Es war der Tag der großen Salla. Alle angesehenen und reichen Leute kamen zum König hinein und begrüßten ihn. Der König gab jedem sein Essen. Der König schenkte dem einen ein Kleid, dem andern ein Pferd. Makapho saß an der Torhalle. Der König sah Makapho. Der König sagte: "Ruft mir den Blinden." Die Leute brachten den Blinden herein. Der König sagte: "Es ist das große Salla. Ich will dem Blinden hier ein großes Geschenk machen." Der König sagte: "Bringt mir ein Mädchen. Bringt mir eines meiner schönen Mädchen." Die Leute gingen hin und brachten ein schönes Mädchen. Der König besah das Mädchen. Er sagte: "Ja, das ist, was ich haben wollte. Dies schöne Mädchen hier will ich dem Blinden schenken. Mein Blinder, nimm dieses Mädchen und heirate es. Ich schenke es dir. Allah wird mir dafür Gutes tun."Makapho nahm das Mädchen. Makapho nahm das Mädchen und ging mit ihm nach Hause.

Der Makapho kam mit dem Mädchen in sein Haus und sagte ZU dem alten Weibe: "Sieh dies Mädchen. Es ist ein schönes Mädchen. Es ist heute das große Salla. Der König hat es mir geschenkt, daß ich es heirate. Kannst du für das Mädchen sorgen?" Das alte Weib sagte: "Mein Makapho! Ich will für dein Mädchen sorgen, wie du es



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nicht besser denken kannst. Du wirst es sehen, wenn du wiederkommst! Allah hört mich!"Der Blinde sagte: "Du willst sorgen, daß kein Tier es nimmt. Du willst sorgen, daß es von keinem Manne weggenommen wird. Du willst sorgen, daß es mir nicht verloren geht." Das alte Weib sagte: "Kein Tier soll es wegnehmen, wenn du nicht mich als Tier ansiehst. Kein Mann soll es wegnehmen, dem ich es nicht selbst gebe. Ich müßte schlimmer sein als der Teufel (Iblis), wenn es verlorengehen soll." Der Blinde sagte: "Daß du schlimmer oder stärker als Iblis bist, kann noch niemand glauben. Hier nimm das Mädchen." Der Blinde gab dem alten Weibe das Mädchen. Die Alte nahm das Mädchen. Der Blinde ging wieder fort.

Als der Blinde weggegangen war, sagte das alte Weib zu dem Mädchen: "Du bist ein schönes Mädchen. Ich habe Makapho versprochen für dich zu sorgen. Willst du heute heiraten?" Das Mädchen sagte: "Der König hat gesagt, daß ich heute heiraten soll. Ich will heute heiraten." Die Alte sagte: "Dann warte hier ein wenig." Das alte Weib schloß das Mädchen in das Haus ein, das alte Weib lief zu einem jungen Manne, der hatte viel Geld und ging immer in schönen Kleidern und abends schlief er mit den schönen Mädchen. Das Haus des jungen Mannes roch, weil so viel Wuardi (Riechwasser) darin ausgegossen war, und es war geräuschvoll, weil viele andere junge Leute darin zusammenkamen. Das alte Weib lief zu diesem jungen Manne.

Das alte Weib sagte zu dem jungen Manne: "Hast du noch etwas von dem, was du von deinem Vater geerbt hast ?" Der junge Mann sagte: "Welches Mädchen willst du mir bringen? Ich kenne alle diese Karua (Freudenmädchen) der Stadt. Ich mag keine Karua mehr." Die Alte sagte: "Ich habe ein anderes Mädchen. Es ist keine Karua. Es ist ein Mädchen, das alle Mädchen der Stadt übertrifft." Der junge Mann sagte: "Was für ein Mädchen ist es?" Die alte Frau sagte: "Das Mädchen hat noch nie mit einem Manne zu tun gehabt." Der junge Mann sagte: "Ich habe noch ein gut Teil von dem, was mein Vater mir vererbte." Das alte Weib sagte: "Der König selbst hat das Mädchen, weil es das schönste ist, einem Manne gegeben, denn es ist heute das große Salla. Aber der Mann soll das Mädchen nicht haben." Der junge Mann sagte: "Ich gebe dir zweihunderttausend Kauri 1" Das alte Weib sagte: "Das Mädchen wird für den, der es erhält, die feinste Speise sein. Er wird sie jeden Tag wieder genießen können. Er wird sich nie an ihr überessen." Der junge Mann sagte: "Ich will bei meinen Freunden herumgehen und will mir noch Geld leihen.



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Ich will dir fünfhunderttausend Kauri schenken." Das alte Weib sagte: "Wirst du nachher das Geld bereit haben?" Der junge Mann sagte: "Ich werde Leute senden, die dir das Geld bringen." Die Alte sagte: "Das wird gut sein."

Das alte Weib ging heim. Das alte Weib öffnete ihr Haus. Das alte Weib setzte sich zu dem schönen Mädchen auf das Bett. Das alte Weib sagte zu dem Mädchen: "Du hast den Mann angesehen, den du heute heiraten sollst?" Das junge Mädchen sagte: "Ich habe den Makapho gesehen." Das alte Weib sagte: "Ich kenne einen jungen Mann, der ist groß und schön. Die Hände des Mannes sind weich. Sein Gesicht ist wie das einer Schuafrau (Araberin). Der junge Mann ist reich. Sein Haus duftet durch ein Viertel der Stadt, so viel Wuardi ist darin versprengt. Seine Leute essen jeden Tag gutes Fleisch und seinen Sklaven gibt er Frauen. Alle Frauen der Stadt sind dem jungen Manne nachgegangen und die Karua (Freudenmädchen) haben viel Geld geben wollen, wenn er sie zu sich kommen ließ. Der junge Mann hat aber von alledem genug genossen. Der junge Mann fragte mich, ob ich kein schönes, junges Mädchen als Frau für ihn wisse."

Das junge Mädchen sagte: "Wohnt der junge Mann in dieser Stadt?" Das alte Weib sagte: "Ja, dieser junge Mann wohnt in dieser Stadt, aber sage mir doch, mein schönes junges Mädchen: Weißt du, daß dieser dein Makapho nichts hat und täglich ausgeht, um zu sehen, ob er etwas erhält?" Das junge Mädchen sagte: "Ja, das weiß ich!" Das alte Weib sagte: "Dann weißt du, daß du ihn führen mußt. Du weißt, daß du in alten Kleidern gehen mußt, weil er arm ist." Das junge Mädchen sagte: "Ja, das weiß ich." Das alte Weib sagte: "Du hast den Makapho gesehen. Du weißt, daß seine Kleider alt und zerrissen sind. Du hast gesehen, daß er Narben an den Beinen und Füßen und Schultern hat, weil der Blinde auf der Straße über Steine stürzte und gegen Bäume und Mauern stieß." Das junge Mädchen sagte: "Das weiß ich!" Das alte Weib sagte: "Und wenn du einmal ein schönes Kleid gewinnst, wird er es nicht sehen! Wenn du deine Haare schön ordnen läßt, wird er es nicht sehen! Wenn du dir mit Mühe die Zähne feilst, wird er es nicht sehen! Wenn du deine Augen mit Antimon (Kolli) umrandest, wird er es nicht sehen! Wenn du deine Stirne mit Katambiri schminkst, wird er es nicht sehen! Wenn du lachst, wird er es nicht sehen und wird es auch nicht hören, denn er muß daran denken, daß die Leute ihm und dir Essen schenken. Wenn du weinst, wird er dich schlagen und dir sagen: ,Wie kannst



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du weinen, wenn du sehen kannst! Ich bin arm und blind und weine nicht!' Und wenn du Kinder gebierst, wird er weggehen und sagen: ,Wie soll ich noch mehr Essen erhalten?' Und deine Kinder wird er auf die Straße schicken, daß sie auch für ihn betteln. — Weißt du das?"

Das junge Mädchen warf sich auf die Erde und weinte und schrie: "Meine alte Mutter! Ich bitte dich! Ich bitte dich! Ich bitte dich! Bringe mich schnell fort. Bring mich schnell zu dem jungen Manne." Das alte Weib sagte: "Warte ein wenig". Das alte Weib ging hinaus. Das alte Weib brachte Katambiri. Damit schminkte sie dem jungen Mädchen die Stirne. Sie brachte Kolli, damit umrandete sie ihr die Augen. Sie brachte ein Kleid. Das legte sie dem jungen Mädchen um. Sie brachte ein Kopftuch, damit schmückte sie dem schönen jungen Mädchen den Kopf.

Der junge Mann lief in der Stadt herum. Er bat seine Freunde: "Leiht mir einige Tausend Kauri. Wir werden ein neues Mädchen bei mir haben." Die Freunde liehen ihm. Einige liehen ihm zweitausend Kauri; andere liehen ihm fünftausend Kauri, andere liehen ihm zehntausend Kauri. Der junge Mann ließ alles Geld zusammenlegen. Der junge Mann legte das Geld dazu, daß er von seinem Vater geerbt hatte. Es war nicht genug Geld. Der junge Mann rief einige Sklaven. Der junge Mann verkaufte noch einen Sklaven. Der junge Mann sandte das Geld zu dem alten Weib. Der junge Mann sandte es dem alten Weibe und vier Kleider und zwei Ketten Perlen. Das alte Weib nahm das Geld. Das alte Weib versteckte das Geld. Das alte Weib nahm die Kleider und die Perlen. Das alte Weib nahm ein Kleid und eine Kette Perlen und gab es dem jungen Mädchen. Das alte Weib sagte: "Dies schickt dir der junge Mann. Lege es an. Nun bist du sehr schön. Komm, wir wollen schnell zu dem jungen Mann gehen, ehe Makapho wiederkommt." Das alte Weib brachte das schöne junge Mädchen zu dem schönen jungen Manne. Der schöne junge Mann nahm das schöne junge Mädchen. Der junge Mann sagte zu seinen Leuten: "Werft dies alte Weib heraus." Das alte Weib sagte: "Du wirst mich ein anderes Mal wieder rufen!"Das alte Weib ging nach Hause.

Abends kam Makapho wieder heim zu der alten Frau. Makapho hatte ein Kleid erhalten und brachte Speise mit. Makapho trat in seinen Raum. Makapho sagte: "Mein Mädchen, wo bist du?" Makapho sagte: "Mein Mädchen, willst du mich nicht grüßen?" Makapho sagte: "Mein Mädchen, du schämst dich. Ich verlange nicht,



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daß du sprichst. Ich werde dich finden, wenn ich auch blind bin," Makapho ging zum Bette. Makapho tastete auf dem Bette hin. Makapho sagte: "Mein Mädchen, du bist nicht auf dem Bett. Mein Mädchen, du schämst dich! Du bist ein Mädchen. Ich werde dich finden, wenn ich auch blind bin." Makapho setzte sich auf das Bett. Makapho sagte: "Mein Mädchen, ich bin blind. Mein Mädchen, ich bin arm. Aber Allah segnet die Blinden, wenn sie nicht schlecht sind. Ich bin blind, aber ich habe noch nie eine Schlechtigkeit getan. Ich bin blind, aber ich habe noch nie betrogen. Ich bin blind, aber ich war nie Monaphiki (Hetzer, ein Mensch, der den Menschen von vorn freundlich und schmeichlerisch entgegenkommt und ihnen hinterrücks Schlechtes nachsagt). Ich war nicht schlecht. Deshalb hat Allah immer für mich gesorgt. Du wirst mich heiraten, aber du sollst nicht mit mir auf die Straße gehen, so daß die Hurer dich ansehen und die Huren Freundschaft mit dir schließen müssen. Du wirst meine Frau am Tage des großen Salla und deshalb wird Allah für dich und mich sorgen. Mein Mädchen schäme dich nicht. Mein Mädchen komm zu mir."

Makapho sagte: "Mein Mädchen, wo bist du? Mein Mädchen, weshalb kommst du nicht? Mein Mädchen, ich bin blind. Es ist nicht so, als ob andere Leute heiraten. Mein Mädchen komm zu mir!"

Makapho sagte: "Mein Mädchen, du willst, daß ich dich finde. Ich komme, mein Mädchen!" Der Blinde stand auf. Der Blinde ging an der Wand lang. Der Blinde tastete die Wand ab. Der Blinde ging zur andern Seite. Der Blinde tastete die andere Wand ab. Der Blinde tastete alle Wände ab und fand das Mädchen nicht. Makapho setzte sich auf das Bett. Makapho sagte: "Mein Mädchen ist hinausgegangen."

Makapho stand guf. Makapho ging auf den Hof. Auf dem Hofe wohnten noch andere Leute. Makapho fragte die Leute: "Ich kam heute morgen mit einem Mädchen. Der König schenkte mir das Mädchen. Ich brachte das Mädchen hierher und ging wieder, um ein Hochzeitskleid für mein Mädchen zu suchen. Ich bin wiedergekommen mit dem Hochzeitskleide. Nun kann ich mein Mädchen nicht finden. Könnt ihr mir sagen, wo mein Mädchen ist?"Einige Leute gingen und sagten: "Ich weiß nichts."Einige Leute sagten: "Das Mädchen wird weggegangen sein." Einige Leute sagten: "Das Mädchen wird weggenommen sein."Einige Leute sagten: "Es wird jemand mit dem Mädchen gesprochen haben."Einige Leute sagten: "Es wird ein Handel sein." Ein alter Mann sagte: "Ein Blinder ist



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leicht betrogen." Ein kleiner Bube sagte: "Man hat das Mädchen schön angezogen. Es war sehr schön!"Makapho sagte: "Kann mir einer einen starken Stock geben?" Der alte Mann sagte: "Nimm hier diesen Stock, aber sieh, daß du nichts mit dem Alkali (Richter) bekommst. Vielleicht ist das Holz des Stockes härter als die Knochen eines alten Weibes." Der Blinde sagte: "Es ist gut."

Der Blinde nahm den Stock. Makapho ging und sagte: "Nun kommt der Streit." Der alte Mann sagte: "Mein Makapho! Denke an den Alkali!" Der Blinde sagte: "Das ist keine Sache des Alkali! Das ist eine Sache Allahs!" Der Blinde ging zu dem alten Weibe. Der Blinde trat in das Haus der alten Frau. Die alte Frau sagte: "Mein Makapho, du bist lange weggeblieben." Der Blinde sagte: "Wo ist mein Mädchen? Wo ist mein schönes Mädchen?" Das alte Weib sagte: "Ach dieses Mädchen! Dieses Mädchen! Es war kein Mädchen! Es war eine Karua (Freudenmädchen)!" Der Blinde machte die Tür hinter sich zu und sagte: "Wo ist mein Mädchen! Wo ist mein schönes Mädchen?" Das alte Weib schrie: "Ach dies schlechte Mädchen. Es war ein sehr schlechtes Mädchen. Es hatte einen Facka (Buhlen). Der Facka kam nach dir. Das Mädchen wollte mit dem Facka in deinem Raum schlafen!" Der Blinde ging auf das alte Weib zu und sagte: "Mein Mädchen! Wo ist mein schönes Mädchen?" Das alte Weib schrie: "Ach dieses schlechte Mädchen! Wie konnte ich das schlechte Mädchen festhalten? Ihr Facka kam. Ihr Facka schlug mich. Sie gingen fort!" Der Blinde hob den Stock und sagte: "Mein Mädchen! Wo ist mein schönes Mädchen ?" Das alte Weib warf sich auf die Erde und schrie: "Ach dieses schlechte Mädchen! Sie beschimpfte mich! Sie beschimpfte mich. Sie nahm mir mein letztes Geld aus dem Hause! Ich konnte sie nicht zurückhalten." Der Blinde wollte auf das alte Weib schlagen. Das alte Weib beschmutzte in ihrer Furcht die Erde.

Der Blinde schlug nicht. Der Blinde sagte: "Es ist besser, ich fasse dich jetzt nicht an. Du sagtest: ,Kein Tier soll das Mädchen nehmen, wenn du mich nicht als Tier ansiehst.' Kai! Du bist ein Tier! Du sagtest: ,Kein Mann soll das Mädchen wegnehmen, dem ich es nicht gebe.' Du hast das Mädchen einem andern Mann gegeben. Du sagtest ,Ich müßte schlimmer sein als der Teufel, wenn das Mädchen verlorengehen soll!' Du bist schlimmer als der Teufel! Allah aber wird sehen, ob du auch mehr vermagst als der Teufel. Mit dem Diebstahl eines Huhnes fängt die Schlechtigkeit des Alters an und mit dem Tode vieler Menschen hört sie auf, wenn Allah nicht will, daß der



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Weg versperrt wird. Warte, ich will sehen ob Allah mich ersehen hat, dir den Weg zu versperren." Der Blinde ging hinaus.

Makapho ging hinaus. Er schloß hinter sich die Türe ab. Das alte Weib schrie im Hause. Der Blinde ging weg. Der Blinde ging zum König. Der Blinde sagte zu dem König: "Mein König, leihemirzehn starke Männer!" Der König sagte: "Wozu willst du die zehn starken Männer? Willst du ein neues Dach auf ein Haus setzen ?" Der Blinde sagte: "Nein, ich will kein Dach auf ein Haus setzen. Es ist nicht meine Sache. Es ist eine Sache Allahs. Allah hat mir ein altes Weib übergeben, die schlimmer ist als Iblis." Der König sagte: "Dann nimm die zehn starken Männer!" Der Blinde ging mit den zehn starken Männern fort. Der Blinde ging zum Zunftmeister der Schlächter (Serki Fauwa). Der Blinde sagte: "Gib mir zehn Kiri."(Zu Tauen gedrehte Felistreifen, mit denen die Bullen gefesselt werden, so daß sie sich beim Schlächter nicht rühren können). Der Obmann der Schlächter sagte: "Wozu brauchst du die zehn Kiri? Willst du eine Falle für Löwen aufrichten?" Der Blinde sagte: "Nein, ich will keine Falle für Löwen aufrichten. Es ist nicht meine Sache. Es ist eine Sache Allahs. Allah hat mir ein altes Weib übergeben, die schlimmer ist als Iblis. Der König lieh mir schon zehn starke Männer." Der Obmann der Schlächter sagte: "Dann nimm die zehn Kiri 1"

Der Blinde ging mit den zehn starken Männern und mit den zehn Felltauen zu dem Hause der Alten. Der Blinde schloß die Tür auf. Der Blinde sagte zu den zehn starken Männern: "Bindet diesem alten Weibe die Fellstücke um die Glieder und um den Kopf und um den Hals und um den Leib. Schlagt sie und stoßt sie. Reißt sie hierhin und reißt sie dorthin! Würgt sie und streckt sie! Preßt sie und reckt sie." Die zehn starken Männer banden dem alten Weibe die Fellstücke um die Glieder und um den Kopf, um den Hals und um den Leib, sie schlugen das alte Weib und stießen es. Sie rissen das alte Weib hierhin und rissen es dorthin. Sie würgten das alte Weib und streckten es. Sie pressten das alte Weib und reckten es. Das alte Weib schrie und heulte. Das alte Weib spie Blut und beschmutzte den Boden. Der Blinde sagte: "Nun werden wir sehen, ob mit dem Gestank alle Schlechtigkeit aus dem alten Weibe herausgekommen ist. Aber Allah will, daß sie weiter bezahlt was sie schuldig ist."

Die zehn starken Männer ließen das alte Weib frei. Die zehn starken Männer gingen mit den Felltauen von dannen. Der Blinde aber machte in dem Hause des alten Weibes ein Feuer an. Er warf Pfeffer hinein. Dann ging er hinaus und schloß die Türe von außen. Das



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Feuer qualmte auf. Dicker Rauch füllte das Zimmer. Das alte Weib rannte in Angst von einer Seite zur andern. Der Qualm füllte das ganze Haus. Das Weib schrie erst, aber der Qualm füllte ihren Hals. Die Alte fiel hin. Darauf öffnete der Blinde die Tür. Er sagte: "Allah will nicht, daß du stirbst." Der Qualm zog aus dem Hause. Das alte Weib stand wieder auf.

Der Blinde rief einen Gundjam (auch Gunsam =Barbier) und ließ dem alten Weibe das Haar scheren. Der Blinde ließ es aber nicht zu, daß der Barbier Wasser dazu nehme. Dann nahm der Blinde einen starken eisernen (kleinen )Bogenspannring (Maka); er legte ihn auf den Kopf der Alten. Er sagte zu der Alten: "Das ist dein Useka (Useka ist das weiche aus Stoff oder Leder mit Silkbaumwollflocken und anderen weichen Fasern gefüllte Ringpolster, das die Haussa auf den Kopf legen, wenn eine schwere drückende Last zu tragen ist). Nun werde ich dir auch eine Last geben." Der Blinde gab dem alten Weibe einen schweren Stein. Den mußte das alte Weib auf dem Kopf auf der Eisenringunterlage tragen. Der Blinde sagte: "Nun geh damit im Lande umher und treibe Handel". Das alte Weib mußte fortgehen. Der Blinde trieb es vor sich her. Sieben Monate lang mußte das alte Weib den Stein auf dem Eisenring auf dem Kopf tragen. Danach sagte der Blinde: "Nun wirf den Stein und den Eisenring fort. Auf dem Wege vom gestohlenen Huhn bis zum gestohlenen Mädchen bist du gegangen. Dann hat Allah dir diesen Stein in den Weg gelegt. Meine Sache mit dir ist zu Ende. Ich habe nichts mehr mit dir zu tun. Ich gehe jetzt wieder meinen Weg. Du aber geh den deinen."

Makapho ging. Das alte Weib warf den Stein und den Eisenring fort. Das alte Weib sagte: "Dieser Blinde ist sehr töricht. Aber ich will schnell nach Hause gehen und sehen, ob mein Geld noch vorhanden ist." Die Alte ging in die Stadt zurück. Die Alte ging auf den Markt und verkaufte Daudauwa (Sumpala der Mande). Sie hielt Daudauwa auf dem Markte feil. Iblis (der Teufel)kam auf den Markt. Der Teufel kam zu dem alten Weibe und sagte: "Du hattest eine schlechte Sache mit dem Makapho." Das alte Weib sagte: "Kai! Lache nicht über mich! Du bist stark, aber ich übertreffe dich!"Der Teufel sagte: "Was! Du kennst mich nicht, du, das alte Weib von Matasu ?" Das alte Weib sagte: "Weshalb soll ich dich nicht kennen? Du bist der Teufel. Aber wenn du auch der Teufel bist. Bist du je mit zehn Felltauen an allen Gliedern und am Kopf, am Hals und am Leib geschnürt gewesen? Haben dich irgendwann zehn starke Männer geschlagen



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und gestoßen, hergerissen und hingerissen, gewürgt und gestreckt, gepreßt und gereckt? Bist du je einmal in einem Zimmer mit Feuer und Pfefferqualm eingeschlossen gewesen, so lange, bis der Qualm deinen Hals gefüllt hat und du hingefallen bist? Hast du einmal auf dem trocken rasierten Schädel mit einem Maka (Eisendaumenring) als Unterlage einen schweren Stein sieben Monate lang getragen? Kai! Teufel, kennst du das?"

Der Teufel sagte: "Was hast du sonst an großen Dingen getan?" Das alte Weib sagte: "Was ich sonst an großen Dingen getan habe? Ich weiß nicht alles. Aber daran erinnere ich mich: ich habe über eiftausend Menschen, die miteinander verheiratet waren, auseinandergebracht und verfeindet. Ich habe zweitausend Menschen, die miteinander buhlten (Facka [Geliebte, Freunde, Buhlen] waren), entzweit und so verfeindet, daß sie nie wieder daran dachten wieder zusammenzukommen, zu heiraten oder Kinder zu zeugen. "Der Teufel sagte: "Das ist recht gut, mein altes Weib! Das ist recht gut. dessentwegen aber übertriffst du mich noch nicht. Ich werde dir nun einmal etwas auf dem Markte vormachen, das wirst du nicht nachmachen können." Das alte Weib sagte: "Du bist der Teufel und kannst etwas, das weiß ich. Du wirst sicher eine große Sache machen das weiß ich. Aber ob ich sie nicht nachmachen oder übertreffen kann, das weiß ich nicht, denn du warst nie geschnürt mit den zehn Felltauen, du saßest nie im Pfefferqualm, du hast nie monatelang eine Felsenlast auf einem Eisenring und geschorenen Kopf getragen. Ich werde das sehen, wenn du mit deiner Sache fertig bist." Das alte Weib packte ihre Körbe auf dem Markte zusammen und ging nach Hause.

Der Teufel ging auf dem Markt hin und her. Der Teufel hockte sich hierhin und hörte, was die Kolanußhändler untereinander sprachen. Der Teufel hockte sich dahin und hörte, was die Leute, die die Kleider machen, miteinander besprachen. Iblis ging dahin wo die Lederhändler saßen, hockte sich dahin nieder und hörte, was sie miteinander besprachen. Iblis hörte was die Leute der Stadt sagten, er hörte was die Magussaua (Heiden) erzählten, die weit mit ihren Weibern auf den Markt gekommen waren um Holz und Schafe und Dauwa zu verkaufen. Iblis hörte sie alle an. Die einen sprachen schlechte Worte gegeneinander. Andere sprachen einige gute Worte voneinander. Alle sprachen aber viele schlechte Sachen übereinander. Jedes schlechte Wort aber, was die Leute sprachen, nahm der Iblis wahr.



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Iblis ging zu einer Gruppe von Leuten. Iblis sagte: "Du hast bei jenem jenes gekauft. Ich hörte wie er sagte, er habe dich betrogen." Iblis ging zu den andern Leuten und sagte: "Dieser betrog jenen und ihr solltet jenem helfen." Iblis ging zu andern Leuten und sagte: "Jene sagen, einer von euch habe sie betrogen. Sie sagen es aber nur, weil nachts, als eine eurer Frauen ihnen das Essen brachte, diese von ihnen beiseitegenommen und mißbraucht worden ist." Iblis ging zu andern Leuten und sagte: "Ihr müßt diesen helfen, denn jene sind schlechte Menschen, die Übles sagen, weil sie selbst Schlechtes getan haben." Iblis ging zu einem angesehenen Manne, der große Karawanen mit Waren bald dahin sandte, bald von daher bekam. Er sagte zu dem Manne: "Man sagt von dir, du seist der Monafiki, der zwischen jenem und diesem Streit stifte, weil du nicht genug Geld von ihnen verdienst." Der Mann war aber wirklich ein Monafiki, und er nahm außerdem das Geld den Leuten oft ab, so daß sie sich verpfänden mußten und nie wieder ihre Freiheit zu erlangen vermochten.

Als der Monafiki das von dem Iblis hörte, nahm er ein Schwert (Tokoli). Der Monafiki lief zwischen die Leute, die von ihm schlecht gesprochen hatten. Der Monafiki schrie: "Wer hat mich hier einen Monafiki genannt?" Ein Mann war da, der hatte sich schon lange dem Manne verpfändet und der Mann hatte nun nichts mehr zu verlieren. Der Mann schrie: "Du bist ein Monafiki! Es ist wahr! du bist ein Monafiki! Ich wiederhole es vor allen Leuten. Alle Leute sollen es hören!" Der Monafiki schlug mit dem Schwert nach dem Manne. Der reiche Monafiki erschlug den armen Mann. Einige andere Leute schrien: "Erst haben diese Menschen uns unser Geld genommen. Nun nehmen sie uns auch noch das Leben!"Einige Leute schlugen auf den reichen Monafiki ein. Die Leute des Monafiki kamen dazu. Der reiche Monafiki fiel tot zu Boden. Einige schrien vor Freude. Andere schrien: "Ihr seid auch nicht besser!"Einige schrien: "Diese haben jene betrogen." Andere schrien: "Nein, jene haben eine Frau von jenen mißbraucht!"Alle schrien. Alle schlugen. Jeder nahm was er bei der Hand hatte. Zuletzt waren 1200 Menschen totgeschlagen. Da kamen aber die Dogari des Königs und trieben alle Leute vom Markte weg.

Der Teufel ging zu dem alten Weibe und sagte: "Komm mit mir; ich will dir zeigen was ich an einem Tage machen kann!" Das alte Weib kam mit dem Teufel. Der Teufel führte das alte Weib auf den Markt. Auf dem Markte lagen Körbe und Kleider, Kolanüsse und



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Bohnenkuchen, Schuhe und Mehlklöße, Garn und geröstetes Fleisch. Getötete Menschen lagen hier und lagen da. Überall aber gingen nur die Dogari zwischen den durcheinandergeworfenen Sachen und Leichen auf dem blutigen Boden auf und ab. Der Teufel sagte zu dem alten Weibe: "Sieh, das habe ich alles in einem Tag gemacht."

Das alte Weib sah über den Marktplatz: "Das sind doch nicht mehr als 1200 Tote und ein zerstörter Markt."Der Teufel sagte: "Ja, es sind 1200 Tote und ein zerstörter Markt. Das habe ich an einem Tage gemacht." Das alte Weib wandte sich verächtlich (durch Pantomime des Erzählers dargestellt) um und sagte: "Das ist alles? Damit willst du noch mehr können als ich? Geh, mein Teufel! Geh nach Hause. Komm morgen abend wieder. Dann will ich dir zeigen, was das alte Weib kann!"

Das alte Weib ging am andern Morgen aus und kaufte ioo sehr schöne Kolanüsse; sie kaufte einen Topf voll Wuardi (Riechwasser) sie kaufte eine Handvoll Truare-Djubida (Zibetkatzensekret). Von diesem allen nahm das alte Weib 50 Kolanüsse und das Truare-Djubida, und damit machte sie sich auf den Weg zum Hause des Königs. Der Serki hatte vor noch nicht langer Zeit eine junge Frau geheiratet. Der Serki war nicht mehr jung, aber er war ein großer König. Das junge Mädchen, das er zu seiner Frau machte, war sehr schön; alle Leute in der Stadt sprachen davon, und der König hatte sie so gerne, daß er sie allen seinen andern Frauen vorsetzte und an die Seite seiner ersten Frau stellte.

Das alte Weib kam zu der jungen Frau des Königs. Das alte Weib warf sich vor der jungen Frau des Königs nieder. Das alte Weib betrachtete die junge Frau des Königs. Das alte Weib sagte: "Jetzt, wo ich dich gesehen habe, verstehe ich die Worte dessen, der mir vorher wahnsinnig erschien." Die junge Frau des Königs sagte: "Was ist an mir?" Das alte Weib betrachtete die junge Frau des Königs. Die alte Frau sagte: "Du bist sehr schön. Du übertriffst an Schönheit alle Frauen. Jetzt, wo ich dich gesehen habe, verstehe ich die Worte dessen, der mir vorher wahnsinnig schien!" Die jüngste Frau des Königs sagte: "Kai! alte Frau! Hier sagt man nicht solche Worte. Ich werde dir ein Kopftuch schenken. Sage mir schnell etwas Neues aus der Stadt und dann geh! Du bist im Gehöft des Königs!" Das alte Weib betrachtete die junge Frau des Königs. Das alte Weib sagte: "Ja, er hat es auch gesagt: ,Du gehst in das Haus eines alten Mannes, des Königs.' Er hat gesagt: ,Du wirst die junge Frau des Königs sehen, die alle Frauen an Schönheit übertrifft!' Jetzt, wo ich



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dich gesehen habe, verstehe ich die Worte dessen, der mir vorher wahnsinnig schien." Die junge Frau des Königs sagte: "Schnell, erzähle mir etwas Neues!"

Das alte Weib legte die 50 Kolanüsse und das Truare Djubida hin und sagte: "Was kann er dir anders senden als eine Kleinigkeit! Du hast alles, und wenn er dir goldne Ringe schenkt, würde der König es sehen." Die junge Frau des Königs sagte: "Wer sendet dies hierher? Wie kann jemand etwas hierher in mein Haus senden?" Das alte Weib sagte: "Das kann nur ein Mann in der Stadt. Kein anderer junger Mann der Stadt würde eine Kolanuß in dieses Haus des Königs senden, in dem dieser alte König dich eingeschlossen hat!" Die junge Frau des Königs sagte: "Wer sendet dich hierher ?" Das alte Weib sagte: "Das kann nur der sein, der im Kriege voran reitet. Es kann nur der sein, vor dessen Kommen sich die Feinde mehr fürchten als vor 10000 anderen Reitern." Die junge Frau des Königs sagte: "Wer sendet dich hierher?"Das alte Weib sagte: "Der mich hierher sendet, ist der Sohn des Jerima!"

Die junge Frau des Königs sagte: "Fürchtet sich denn der Sohn des Jerima nicht, dies der liebsten Frau des Königs zu senden ?" Das alte Weib sagte: "Wenn hundert Löwen auf ihn zuspringen, wird dieser Sohn des Jerima sich nicht fürchten. Wenn hundert Elefanten auf ihn einstürmen, wird dieser Sohn des Jerima sich nicht fürchten. Wie sollte der Sohn sich vor einem alten Manne fürchten ?"Die junge Frau des Königs sagte: "Was denkt der Sohn des Jerima?" Das alte Weib sagte: "Der Sohn des Jerima denkt nicht mehr an den Salam. Der Sohn des Jerima denkt nicht mehr an seine Mutter und an seinen Vater. Der Sohn des Jerima denkt nur noch an dich."

Die junge Frau des Königs nahm die Kolanüsse. Die junge Frau des Königs nahm die Truare-Djubida. Die junge Frau des Königs sagte: "Wenn meine weißen Zähne diese roten Kola zerbeißen, werde ich auch an den Sohn des Jerima denken. Wenn der Geruch des Truare-Djubida meine Gewänder füllt, werde ich an den Sohn des Jerima denken." Das alte Weib sagte: "Denke an ihn, wenn du hörst, daß er wieder in den Krieg zieht. Denke an ihn, wenn du hörst daß er im Kriege gestorben ist." Die junge Frau des Königs sagte: "Wird der Sohn des Jerima bald wieder in den Krieg ziehen?" Das alte Weib sagte: "Der Sohn des Jerima mag nun nicht mehr leben. Er denkt nur an dich. Er will morgen wieder in den Krieg ziehen. Er will nicht wiederkommen." Die junge Frau des Königs sagte: "Er will nicht wiederkommen?" Das alte Weib sagte: "Nein, der



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Sohn des Jerima will nicht wieder in diese Stadt kommen, in der du im Hause des alten Königs eingeschlossen bist. Der Sohn des Jerima will sterben."

Die junge Frau des Königs sagte: "Er will sich im Kriege töten lassen!" Die junge Frau des Königs weinte. Die junge Frau des Königs sagte: "Sag, alte Frau! Wie kann es geschehen, daß ich den Sohn des Jerima heute noch sehe ?" Das alte Weib sagte: "Das ist eine schwierige Sache. Der Sohn des Jerima bat mich: ,Wie kann es geschehen, daß ich die junge Frau des Königs noch einmal sehe, ehe ich in den Krieg ziehe.' Das ist eine schwierige Sache!" Die junge Frau des Königs sagte: "Du alte Frau! Der Sohn des Jerima darf sich nicht im Kriege töten lassen! Du alte Frau! Ich will den Sohn des Jerima heute noch sehen! Du alte Frau! Wenn ich vom Könige etwas will, dann tut er es! Sage mir, wie ich den Sohn des Jerima heute noch sehen kann."

Das alte Weib sagte: "Du junge, schöne Frau des Königs! Gehe zum Könige und sage ihm: ,Ich höre, daß meine Mutter erkrankt ist. Erlaube mir, daß ich zu ihr gehe. Ehe es dunkel ist, werde ich wieder zurückkommen!' Wenn der König dir dann die Erlaubnis gibt, dann komm schnell zu mir in das kleine Haus am Stadtwall!" Die junge Frau des Königs sagte: "Ja, so werde ich es tun. Ich werde sogleich zum König gehen. Ich werde dann zu dir kommen in das kleine Haus am Stadtwall." Das alte Weib sagte: "Komm zu mir. Nachts werde ich dann zum Sohne des Jerima gehen und ihm sagen, daß du bei mir seist."

Die junge Frau des Königs schenkte dem alten Weibe ein Kopftuch und ein Kleid. Das alte Weib ging. Die junge Frau des Königs nahm die Kola. Sie nahm ein Tuch und legte vier Kola hinein. Die junge Frau sagte: "Der Sohn des Jerima ist jung und schön."Die junge Frau nahm vier andere Kola, legte sie in das Tuch und sagte: "Der junge Sohn des Jerima ist tapfer." Die junge Frau nahm vier andere Kola, legte sie in das Tuch und sagte: "Der König ist alt." Die junge Frau nahm vier andere Kola, legte sie in das Tuch und sagte: "Der Sohn des Jerima sagte: ,Ich sei die schönste Frau der Stadt.' Die junge Frau nahm vier andere Kola, legte sie in das Tuch und sagte: "Der junge Sohn des Jerima soll nicht wieder in den Krieg gehen!" Die junge Frau nahm vier andere Kola, legte sie in das Tuch und sagte: "Ich will den jungen Sohn des Jerima bitten, daß er nicht in den Krieg geht." Die junge Frau nahm alle übrigen Kola, warf sie in das Tuch und sagte: "Jetzt gehe ich zum Sohn des



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Jerima. Jetzt werde ich vor dem Sohn des Jerima mich hinwerfen. Jetzt werde ich ihn bitten und bitten. Jetzt werde ich mich schön machen, und jetzt weiß ich für wen ich es tue."

Die junge Frau des Königs warf ihr Kleid weg. Die junge Frau des Königs nahm schöne Stoffe um. Über die schönen Stoffe legte sie alte Kleider. Mit den schönen Stoffen unter dem alten Kleide ging sie zum Hause hinaus. Sie ging in ein Haus des Königs. Sie sagte einem Sklaven: "Geh und sage dem König, ich müsse ihn sehen!" Der Sklave sagte: "Es ist nicht Zeit dazu. Alle Leute sind da, den König zu begrüßen." Die junge Frau sagte: "Kai, Sklave geh, oder ich gehe selbst und bitte den König dich auszupeitschen. Geh zum König und sage ihm: ,Deine junge Frau will dich sprechen. Deine junge Frau fürchtet einen Tod!' Geh!" Der Sklave ging. Der Sklave ging in das Versammlungshaus des Königs. Alle angesehenen Leute saßen umher. Der Sklave warf sich vor dem Könige nieder. Der Sklave sagte: "König, König! König!" Der König sagte: "Was gibt es?"Der Sklave sagte: "Deine junge Frau will dich sprechen. Deine junge Frau fürchtet einen Tod!" Der König stand auf. Der König ging hinaus. Der Tschiroma sagte zum Galadima der Stadt: "Der König wird alt. Jede Frau kann ihn jetzt handhaben!" Der Galadima sagte :"Der König wird alt."

Der König kam in das Haus, in dem die junge Frau auf ihn wartete. Die junge Frau warf sich vor dem Könige nieder. Die junge Frau weinte und sagte: ,,Serki! Serki! Serki! König! König! König!" Der König sagte: "Du weinst und hast alte Kleider an. Habe ich dir nicht genug neue und schöne Kleider geschenkt?" Die junge Frau weinte und rief: "König! König! König!" Der König beugte sich über sie und hob sie auf. Der König sagte: "Was ist es?" Die junge Frau weinte und sagte: "Ich fürchte einen Tod: Ich fürchte einen Tod!" Der König sagte: "Weshalb willst du sterben?" Die junge Frau weinte und sprach: "Ich werde nicht zuerst sterben. Der Mensch stirbt und dann muß der andere Mensch auch sterben!" Der König fragte: "Was ist es?" Die junge Frau weinte und sagte: "Erlaube mir, daß ich zu meiner Mutter gehe. Erlaube mir, daß ich sogleich hingehe. Ich empfing eine Nachricht. Ich werde heute abend wieder hier sein."Der König sagte: "Ist deine Mutter schon lange krank ?" Die junge Frau weinte und sagte: "Nein darf ich gehen ?"Der König sagte: "Geh!" Die junge Frau lief von dannen.

Die junge Frau lief durch das Gehöft. Die junge Frau lief durch die Stadt. Die junge Frau lief bis ans Ende der Stadt. Die junge Frau



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lief bis zu dem kleinen Hause am Stadtwall. Die junge Frau trat in das Haus des alten Weibes. Das alte Weib sagte: "Du! Warum kommst du in alten und schlechten Kleidern!" Die junge Frau sagte "Laß mich! Rufe schnell den Sohn des Jerima!" Das alte Weib ging. Das alte Weib ging durch die Stadt. Das alte Weib sagte: "Der Jäger hat einen Grashalm in der Steppe (im Busch) angezündet. Es wird gleich ein Wind kommen. Der Wind wird das Feuer durch den Busch treiben. Das Feuer wird Farmen und Speicher der Menschen verbrennen!"

Das alte Weib lief durch die Stadt. Das alte Weib lief in das Gehöft des Jerima. Der Jerima hatte nur einen Sohn. Der Sohn des Jerima lag in seinem Hause. Die Sklaven des Jerima saßen vor ihm und glätteten seine Schwerter und Dolche und Lanzen. Das alte Weib warf sich vor dem Sohn des Jerima nieder. Das alte Weib blieb liegen. Der Sohn des Jerima sagte: "Was gibt es?" Das alte Weib sagte: "Der Sohn des Jerima fürchtet sich nicht und nimmt der Löwin das Kind." Der Sohn des Jerima sagte: "Was gibt es?" Das alte Weib sagte: "Was zwei Ohren gerne hören, brauchen nicht immer acht zu vernehmen!" Der Sohn des Jerima sagte zu den Sklaven: "Geht hinaus!" Die Sklaven gingen hinaus.

Die Sklaven des Jerima gingen hinaus. Der Sohn des Jerima sagte: "Was gibt es?" Das alte Weib schlug ihr Tuch auseinander. Das alte Weib legte die 50 Kolanüsse auf die Erde. Das alte Weib stellte den Topf mit Wuardi =(Riechwasser) auf die Erde. Das alte Weib sagte: "Das sendet eine junge Frau." Der Sohn des Jerima sagte: "Was sollst du sagen?" Das alte Weib sagte: "Ich soll sagen: ,Du sollst nicht in den Krieg gehen. Du sollst nicht sterben. Wenn ein Mensch stirbt, wird auch der andere sterben, denn der andere kann nicht leben, wenn der eine nicht wiederkommt!" Der Sohn des Jerima stand auf. Der Sohn des Jerima sagte: "Wer ist die junge Frau? Hat die junge Frau nicht genug an ihrem Manne ?" Das alte Weib sagte: "Die junge Frau sieht stets über die Mauer, wenn du ausziehst zum Kriege. Die junge Frau schläft nicht, wenn du im Kriege bist. Sie lebt in der Nacht, wenn du im Kriege bist. Die junge Frau blickt über die Mauer, wenn du aus dem Kriege zurückkehrst. Die junge Frau lebt dann wieder am Tage. Wenn du im Kriege bist, gibt die junge Frau Geschenke den Bettlern und Blinden, damit Allah dir helfe. Wenn du aus dem Kriege wiederkehrst, gibt die junge Frau Geschenke den Bettlern und Blinden, damit Allah dich in der Stadt halte."



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Der Sohn des Jerima sagte: "Du altes Weib! Sage mir, wer die junge Frau ist!" Das alte Weib sagte: "Es ist die schönste junge Frau der Stadt; aber sie liegt zwischen den Füßen des Löwen. Nur ein Tapferer kann sie sehen und begrüßen." Der Sohn des Jerima nahm ein Schwert und hob es. Der Sohn des Jerima sagt zu dem alten Weibe: "Du altes Weib! Sage mir, wer die junge Frau ist!" Das alte Weib sagte: "Es ist die junge Frau des Königs!" Der Sohn des Jerima sagte: "Es ist die junge Frau des Königs!" Der Sohn des Jerima warf das Schwert fort. Der Sohn des Jerima sagte: "Wo ist die schöne, junge Frau des Königs?" Das alte Weib sagte: "Die schöne junge Frau des Königs ist in meinem Hause. Die schöne junge Frau des Königs sitzt auf dem Rande des Bettes!" Der Sohn des Jerima sagte: "Geh voran! Zeige mir den Weg!"

Das alte Weib ging. Der Sohn des Jerima nahm einen Mann seines Vaters mit. Der Sohn des Jerima folgte mit dem Manne dem alten Weibe. Das alte Weib und der Sohn des Jerima und der Mann gingen durch die Stadt. Sie kamen an den Stadtwall. Der Mann des Jerima blieb zurück. Das alte Weib öffnete die Tür des Hauses. Die junge Frau stand vom Rande des Bettes auf. Der Sohn des Jerima trat in die Tür. Die junge Frau ließ die alten Kleider fallen. Die junge Frau stand vor dem Sohne des Jerima. Sie war sehr schön. Schöne Kleider schmückten sie. Das alte Weib schloß die Tür. Der Sohn des Jerima blieb mit der jungen schönen Frau des Königs im Hause.

Der Mann des Jerima stand draußen. Die Tür des Hauses des alten Weibes war angelegt. Das alte Weib lief von dannen. Das alte Weib lief durch die Stadt. Das alte Weib lief in das Viertel des Königs. Die angesehenen Leute hatten dem König ihren Gruß gesagt. Der König hatte den angesehenen Leuten die Morgenschüsseln reichen lassen. Der König war in seine Hinterräume gegangen. Der König war allein. Das alte Weib rannte durch die Durchgangshallen. Das alte Weib rannte in den Raum, in dem der König saß. Das alte Weib warf sich auf die Erde und schrie: "König! König! König!" Das alte Weib heulte und schrie: "Nun wirst du mich deswegen töten." Der König sagte: "Weshalb soll ich dich töten?" Das alte Weib schrie: "Du wirst mich töten, weil andere dich betrügen." Der König sagte: "Was ist ?" Das alte Weib weinte und sagte: "Was kann ich dafür, daß der Sohn des Jerima dich für nichts achtet!" Der König sagte: "Wieso achtet er mich für nichts ?" Das alte Weib weinte und sagte: "Kann der Sohn des Jerima denn nicht mit den Frauen anderer Leute buhlen? Kann der Sohn des Jerima nicht wenigstens



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diese eine junge, schöne Frau meiden? Muß der Sohn des Jerima denn gerade diese schöne und junge Frau rufen, die dir am wertvollsten ist und die du neben deine erste Frau gestellt hast?" Der König sagte: "Alte Frau, sage mir die Wahrheit! Sage mir, wo du den Sohn des Jerima mit meiner jungen schönen Frau gesehen hast! Das alte Weib sagte: "Sie sind in meinem Hause." Der König schrie: "Du lügst!" Das alte Weib sagte: "Sieh, ich habe weiße Haare; ich kann nicht lügen. Sie sitzen jetzt auf meinem Bett in meinem Hause. Der König sagte: "Ich will einen Boten mitsenden, der soll die Sache sehen." Der König rief einen Mann. Der König sagte zu dem Manne: "Geh mit dem alten Weibe und sieh, ob es wahr ist, daß der Sohn des Jerima in ihrem Hause mit meiner jungen Frau buhlt." Der Bote nahm einen Dolch. Der Bote ging mit der alten Frau.

Das alte Weib führte den Boten des Königs durch die Stadt. Das alte Weib führte den Boten des Königs zu ihrem kleinen Hause am Stadtwall. Etwas entfernt von diesem Hause stand der Mann des Jerima. Der Bote des Königs ging auf die Haustür der Alten zu. Der Bote des Königs öffnete die Haustür. Der Bote des Königs trat in den Raum. Der Bote des Königs sah den Sohn des Jerima. Der Bote des Königs sah die junge schöne Frau des Königs. Die junge schöne Frau und der Sohn des Jerima sahen den Boten des Königs nicht. Sie sahen nur eines den andern. Der Bote des Königs zog den Dolch heraus. Der Bote des Königs stieß den Dolch dem Sohne des Jerima in den Rücken. Das Blut sprang heraus und lief über die junge schöne Frau des Königs hin. Die junge schöne Frau schrie auf. Der Sohn des Jerima sagte: "Das ist ein schlechter Tod!" Der Sohn des Jerima starb.

Das alte Weib stand draußen bei dem Manne des Jerima. Der Sohn des Jerima sagte: "Das ist ein schlechter Tod!" Der Mann des Jerima hörte es. Der Mann des Jerima sprang in das Haus und erschlug den Boten des Königs. Dann verwickelte der Mann sich in das Kleid der jungen schönen Frau, das am Boden lag und fiel auf die Erde. Das alte Weib lief fort. Das alte Weib lief durch die Stadt. Das alte Weib lief so schnell es laufen konnte. Das alte Weib sagte: "Jetzt treibt der Wind das Feuer über die Speicher und Farmen der Menschen. Nichts soll bleiben von dieser Stadt!" Das alte Weib lief so schnell es laufen konnte. Das alte Weib lief in das Haus des Jerima. Das alte Weib rief: "Warum hast du dein Pferd noch nicht gesattelt, Jerima?" Der Jerima sagte: "Alte Frau, weshalb soll ich mein Pferd satteln?" Die alte Frau sagte: "Willst du denn in dem Kriege



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zu Fuß kämpfen, wie ein Soldat?" Der Jerima sagte: "Wer bringt denn den Krieg?" Das alte Weib sagte: "Wenn der König eine fremde Stadt zerstören wollte, rittest du voraus und warst der erste! Jetzt, wo der König deinen Sohn hat töten lassen, jetzt bleibst du auf deiner Matte liegen." Der Jerima sprang auf. Das alte Weib sagte: "War dieser Sohn nicht dein einziger Sohn ?"Der Jerima schrie: "Sattelt mein Pferd! Sattelt mein Pferd!"

Das alte Weib lief hinaus. Das alte Weib lief durch die Straßen. Das alte Weib lief so schnell es konnte. Das alte Weib sagte: "Jetzt treibt der Wind das Feuer über die Speicher und Farmen der Menschen. Nichts soll bleiben von dieser Stadt!" Das alte Weib lief, so schnell es laufen konnte.

Das alte Weib lief in das Haus des Königs. Das alte Weib schrie in der Halle des Königs: "König! König! König! Sattle dein Pferd!" Der König sagte: "Was ist denn?" Das alte Weib schrie: "König bist du gewesen! König bist du nicht mehr. Der Jerima hat deinen Boten erschlagen lassen. Er reitet zu Pferde. Er reitet durch die Stadt mit seinen Reitern." Der König rief: "Sattelt mein Pferd! Sattelt mein Pferd!" Das alte Weib rief: "Macht ein Grab für den König! Macht ein Grab für den König!" Das alte Weib lief von dannen. Das alte Weib sagte: "Ich werde Holz und trockenes Gras in das Feuer werfen." Das alte Weib lief so schnell es konnte.

Das alte Weib lief dahin, wo die Bettler und Diebe waren. Das alte Weib rief die Bettler und Diebe zusammen. Das alte Weib sagte: "Wenn die großen Tiere sich getötet haben, fressen die Würmer ihre Kadaver!" Die Bettler und Diebe sagten: "Was gibt es denn?" Das alte Weib sagte: "Hört die Trommeln schlagen. Hört die Reiter reiten! Der König und der Jerima haben den Krieg begonnen. Alle Männer sind in den Straßen!" Die Bettler und Diebe sagten: "Wir sind nicht hier um zu kämpfen. Laß die andern kämpfen. Was sollen wir sonst tun?" Das alte Weib sagte: "Alle Männer sind in den Straßen. Niemand achtet auf die Häuser. Geht hierhin und dorthin. Zündet die Häuser an. Stehlt ihnen die Kleider und Perlen und das Silber und das Gold." Die Bettler und Diebe sagten: "Das ist wahr, das werden wir tun!" Das alte Weib sagte: "Welche Weiber habt ihr sonst? Welche Weiber könnt ihr heute haben? Alle Männer sind in den Straßen. Werft ihre jungen Mädchen und ihre Frauen auf die Erde. Sie sind besser als die Karua (Huren)!" Die Bettler und die Diebe liefen von dannen.

Die Bettler und die Diebe liefen von dannen. Alle Männer liefen



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mit Waffen durch die Straßen. Die Trommeln trommelten. Die Reiter gaben den Pferden die Sporen. Der Jerima sammelte seine Leute und ritt mit ihnen zum Viertel des Königs. Der König sammelte seine Leute und ritt mit ihnen gegen das Haus des Jerima. Die Reiter ritten gegeneinander. Der Jerima schrie: "Du hast meinen einzigen Sohn töten lassen!" Der König schrie: "Dein Sohn hat mit meiner jungen, schönen Frau gebuhlt." Der König und der Jerima ritten mit den hochgehobenen Schwertern (Tokobi) gegeneinander. Der König und der Jerima kämpften miteinander. Der König und der Jerima trafen einander. Der König und der Jerima stürzten von den Pferden. Der König und der Jerima starben.

Die Leute des Königs schrien. Die Leute des Jerima schrien. Einige Leute jagten hierhin, einige dorthin. Die Leute schlugen sich hier. Die Leute kämpften dort. Einige stießen mit Lanzen. Andere schlugen mit Keulen. Einige schossen mit Pfeilen. Andere warfen Steine. Die Frauen flüchteten in die Häuser und versteckten die Kinder. Die Mädchen krochen in die Speicher und kauerten da zusammen. Die Bettler und die Diebe liefen aber durch die Stadt. Die Bettler und Diebe zündeten hier einen Speicher an. Die Bettler und Diebe zündeten da ein Haus an. Die Weiber kreischten. Die Kinder schrien. Die Diebe und Bettler kamen in die Häuser. Einige stahlen. Andere warfen Mädchen nieder. Die Männer in den Straßen rannten auseinander, um ihre Sachen zu retten. Es brannte überall. Kinder wurden von Pfeilen getötet. Weiber wurden von Pferden niedergetreten. Viele Menschen verbrannten.

Häuser und Speicher brannten und verbrannten. Männer und Weiber und Kinder starben. Die Sana(Matten, Wände) schrien im Feuer; die Weiber schrien auf der Straße. Wer etwas ergreifen konnte lief zur Stadt hinaus. In den Straßen lagen tote Menschen. Aus den Gehöften qualmten Wirbelwinde von Feuern. Die Bettler und Diebe trugen von dannen, was sie fanden. Wer laufen konnte, floh durch das Tor im Stadtwälle hinaus in den Busch.

Auf dem Stadtwall (Birni) über dem Tore stand das alte Weib. Das alte Weib tanzte. Das alte Weib sang. Das alte Weib sang: "Seit ich jung war, habe ich nicht mehr getanzt. Seit ich jung war, habe ich nicht mehr gesungen. Heute aber werde ich König der Stadt. Heute bin ich König der Stadt und Kura (die Hyäne) und Angulu (der Aasgeier) werden sich vor mir niederwerfen und werden mir sagen: ,König! König! König!' Sie werden mir danken für das Fleisch, das ich ihnen in diesem Feuer brate. Sie werden mir



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danken für die Knochen, die ich ihnen hingeworfen habe. Kai! Makapho! Mit zehn Felltauen hast du mich von zehn Männern an allen Gliedern und am Kopf, am Hals und am Leib schnüren lassen. Die zehn starken Männer haben mich geschlagen und gestoßen, hergerissen und hingerissen, haben mich gewürgt und gestreckt, gepreßt und gereckt. Kai! Makapho, du hast mich eingeschlossen in ein Zimmer mit Feuer und Pfeffer qualm, bis mein Hals vom Qualm gefüllt war und ich hinfiel! Kai! Makapho! Du hast mich auf meinem trocken rasierten Schädel mit einem Eisenring als Unterlage einen schweren Stein sieben Monate lang tragen lassen! Kai! Makapho! Sieh dir nun die Stadt, in der du Huhn und Ziege und Esel und Pferd verloren hast! Kai! Makapho! Du hast mich das alles gelehrt!"

Das alte Weib tanzte auf der Stadtmauer über dem Tore. Die Stadt war verbrannt. Die Menschen lagen als Leichen umher oder waren fortgelaufen. Das alte Weib tanzte und sang: "Kai! Iblis! Nun komm und sieh, was das alte Weib kann. Kai! Iblis! Hab ich dich nicht übertroffen ?" Der Teufel kam. Der Teufel stieg auf den Stadtwall. Der Teufel sah zu der Stadt hinab. Der Teufel sah die Leichen und die verbrannten Häuser. In der Mitte der Stadt lagen der tote König und der tote Jerima nebeneinander. Kein Mensch war mehr in der Stadt. Die Hyänen kamen durch den Busch her. Die Aasgeier flogen über den Rauch in die Luft.

Der Teufel sah das alles!

Der Teufel sagte: "Was ist das? Hast du, eine einzige alte Frau, das alles an einem Tage getan? Wenn du das heute tatst, was wirst du dann morgen tun?" Der Teufel fing an, sich vor der alten Frau zu fürchten. Der Teufel sprang hinab. Der Teufel ging in die Erde hinab. Das alte Weib sah ihn nicht wieder.

Die Sonne ging unter.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
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