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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

80. Der Mann mit der Unsichbarkeit

(Schwerverständliches Bruchstück)

Madschi-Karufi hatte zehntausend Pferde. Damadji-Lingi hatte zehntausend Pferde. Jeder von beiden ging weit, weit weg in den Busch.

Damals wollte ein Makedi (Bettler mit Trommel) mit seiner Mutter durch den Busch gehen. Er ging zu einem Mauern, zu dem Mauern Sebi und bat: "Gib mir von der Medizin, die es macht, daß man mich nicht sehen kann." Der Mauern Sebi gab dem Makedi von der Medizin und sagte: "Das ist die Medizin Lainsana. Wenn dich jemand verfolgt und du nicht willst, daß man dich sieht, so mache mit der Hand auf den Boden einen Kreis. Lege die Lainsana hinein und setze den Fuß in den Kreis. Dann kann dich niemand sehen."

Der Makedi nahm die Medizin und ging mit seiner Mutter in den Busch. In dem Busch traf er bald auf einen Mann, der ritt ein Pferd, das hieß Kuli. Als er den Reiter sah, zog der Makedi einen Kreis um sich und legte den Lainsana hinein. Der Reiter ritt mit der Lanze auf ihn zu, um ihn niederzustoßen. Die Erde öffnete sich aber im Kreise. Der Makedi sank hinab und der Reiter ritt, ohne den Trommelbettler zu sehen, über ihn hinweg. Der Reiter sah nur noch die Mutter des Makedi. Der Makedi hatte seine Mutter unter einen dicken Baum gesetzt.

Der Reiter ritt auf die Mutter zu. Der Reiter fragte die Mutter: "Wo ist der Makedi hin? Wenn du es mir nicht sagst, töte ich dich!" Der Makedi, den der Reiter nicht sehen konnte, sagte: "Töte nur meine Mutter. Wenn du meine Mutter tötest, so gewinne ich an einem andern Ort eben eine andere!" Der Reiter sagte: "Ich will doch einmal sehen, ob du wirklich nichts für deine Mutter tust." Der Reiter packte die Mutter. Der Reiter schnürte der Mutter mit einer Schnur die Hände zusammen. Der Reiter sagte: "Ich werde deine Mutter (als Sklavin) zu Lingi bringen." Dann legte der Reiter der Mutter Makedis einen schweren Stein auf den Kopf. Die Mutter mußte den schweren Stein tragen. Der Reiter trieb sie vor sich her



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und schlug mit seiner Kulki (d. i. die Schlag- und Wurfkeule der Haussa; außer Kulki auch wohl Keri genannt) auf die Mutter ein. Die Mutter des Makedi konnte den schweren Stein nicht schleppen. Die Mutter des Makedi konnte die schweren Schläge nicht ertragen. Die Mutter schrie und fiel hin.

Der Makedi sah, was seiner Mutter geschah. Der Makedi hörte die Mutter schreien. Aber niemand konnte den Makedi sehen, weil er mit der Lainsana in dem Kreise stand. Der Makedi sagte: "Mein Reiter! Schlage sie mit der Kulki stark auf den Nacken! Schlage sie nur stark, dann wird sie schon wieder aufstehen und den Stein weitertragen können!" Die Mutter des Makedi hörte das. Die Mutter des Makedi schrie auf. Die Mutter des Makedi bat: "Mein Sohn, so hilf mir doch! Du bist doch mein Sohn. Mein Sohn, so hilf mir doch! Ich bin doch deine Mutter!" Der Makedi hörte das. Niemand konnte Makedi sehen. Der Makedi rief seiner Mutter zu: "Was hast du für mich getan? Du bist meine Mutter, das ist alles!"

Die Mutter des Makedi starb.

Der Makedi wanderte weiter. Der Makedi sagte bei sich: "Nun werde ich nach Mekka gehen. Das ist eine gute Sache." Der Makedi hatte eine Gagunsanso (eine große Trommel). Der Makedi wanderte mit seiner Trommel nach Bornu. Der Makedi wanderte mit seiner Trommel nach Baghirmi, wanderte mit seiner Trommel nach Wadai. In Wadai sagte der Makedi: "Der Weg nach Mekka ist recht lang. Weshalb muß ich mit meiner Trommel bis zur Massalatschi von Mekka gehen? Meine große Trommel ist mir Massalatschi (Moschee) genug."

Ein Mauern hatte gehört, was der Makedi sagte. Der Mauern ging zu den anderen Mauern und sagte: "Ein Mann, der nur seine Trommel als Massalatschi betrachtet, ist schlecht!" Die Mauern fingen den Makedi. Die Mauern nahmen dem Makedi die große Trommel weg. Die Mauern verbrannten die große Trommel des Makedi. Der Makedi wurde gebunden. Der Makedi schrie. Der Makedi sagte: "Laßt mich frei! Bindet mich los! Ich will Mauern werden." Die Mauern banden ihn los. Die Mauern gaben ihm ein Lesepult und ließen ihn lesen lernen. Der Makedi nahm nachts das Lesepult und verbrannte es. Die Mauern sahen es. Sie packten den Makedi und schlugen ihn.

Der Makedi floh. Der Makedi floh nach Baghirmi. In Baghirmi sah er einen Mauern aus Wadai. Da floh der Makedi nach Kuka. In Kuka sah der Makedi einen Mauern aus Wadai. Da floh der Makedi



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zurück nach Kano. In Kano kaufte er sich eine kleine Trommel und bettelte. Ein Mauern aus Wadai sah aber den Makedi. Der Mauern sagte zu den anderen Mauern: "Das ist ein Mann, dem die Trommel eine Massalatschi ist." Darauf nahmen die Leute ihre Kulkis und schlugen den Makedi. Der Makedi schrie: "Oh, meine Mutter!"

Es ging dem Makedi nie wieder gut.


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