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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM FROMMEN ISRAELITEN

Unter den Kindern Israels lebte einmal ein frommer Mann: der hatte eine Familie, die Baumwolle spann. Er pflegte jeden Tag das Garn zu verkaufen und für den Erlös neue Baumwolle zu kaufen; für den Gewinn, der ihm dann noch übrig blieb, kaufte er das tägliche Brot für die Seinen. Eines Tages aber, als er ausgegangen war und das Garn verkauft hatte, traf er einen seiner Brüder, und der klagte ihm seine Not; da gab er ihm den Erlös für das Garn und kehrte zu den Seinen ohne Baumwolle und ohne Brot zurück. Die riefen nun: ,Wo ist die Baumwolle und das Essen?' Und er entgegnete ihnen: ,Derundder ist mir begegnet und hat mir seine Not geklagt; da habe ich ihm den Erlös für das Garn gegeben. 'Doch sie fragten: ,Was sollen wir jetzt tun, da wir nichts mehr zu verkaufen haben?' Nun besaßen sie noch einen geborstenen Holznapf und einen Krug; mit denen ging er zum Basar, aber niemand wollte sie ihm abkaufen. Während er so im Basar dastand, kam zufällig ein Mann an ihm vorbei, der einen Fisch trug. —

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 349 Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der jüdische Mann den Holznapf und den Krug nahm und mit ihnen zum Basar ging; aber niemand wollte sie ihm abkaufen. Während er so im Basar dastand, kam zufällig ein Mann an ihm vorbei, der einen stinkenden und aufgedunsenen Fisch trug; den hatte niemand ihm abkaufen wollen. Der Mann mit dem Fische fragte ihn: ,Willst du mir deinen Trödel für meinen Trödel verkaufen?' ,Ja', erwiderte der jude, gab ihm den Napf und den Krug



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und nahm ihm den Fisch ab. Dann brachte er ihn den Seinen; aber die riefen: ,Was sollen wir mit diesem Fisch anfangen?' Er antwortete: ,Wir wollen ihn braten und essen, bis es Gott dem Erhabenen gefällt, uns unser Brot zu gewähren.' Da nahmen sie ihn und schnitten ihm den Leib auf; und darinnen fanden sie eine Perle. Das meldeten sie dem Ältesten, und der sprach: ,Schaut nach! Wenn sie durchbohrt ist, so gehört sie einem anderen Menschen; ist sie aber noch undurchbohrt, so ist sie eine Gnadengabe, die Gott der Erhabene euch geschenkt hat.' Als sie nachschauten, war sie wirklich noch nicht durchbohrt. Am nächsten Morgen brachte der Israelit sie einem seiner Brüder, einem der Leute, die sich auf solche Sachen verstanden. Der fragte ihn: ,Du da, woher hast du diese Perle?' Er gab zur Antwort: ,Dies ist eine Gnadengabe, die Gott der Erhabene uns geschenkt hat.' Da fuhr der andere fort: ,Sie ist tausend Dirhems wert; und die will ich dir wohl dafür geben. Doch bring sie lieber zu Demunddem, der hat mehr Geld und Verständnis als ich!' Also brachte der Israelit sie zu dem Genannten, und der sagte: ,Sie ist siebenzigtausend Dirhems wert, mehr aber nicht.' Er zahlte ihm die siebenzigtausend Dirhems, und der Israelit rief Lastträger, die ihm das Geld bis zu seiner Haustür trugen. Dort kam ein Bettler auf ihn zu und bat: ,Gib mir von dem, was Gott der Erhabene dir gegeben hat!' Da sagte er zu dem Bettler: ,Gestern waren wir noch wie du; so nimm denn die Hälfte von diesem Gelde!' Nachdem er darauf das Geld in zwei Teile geteilt und ein jeder seinen Teil an sich genommen hatte, hub der Bettler an: ,Behalte dein Geld. nimm es wieder, Gott gesegne es dir! Wisse, ich bin ein Bote Gottes, er hat mich zu dir gesandt, um dich zu prüfen!' Nun rief der Israelit: ,Gott sei Lob und Preis!' Und er lebte immerdar mit den Seinen in aller Lebensfreude, bis er starb.



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Und ferner wird erzählt


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