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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

65. Verwandeln (Die Goja)

Ein Mann war ein großer Jäger. Er hieß Mamudu. In Mamudus Dorf war eine Goja. (Eine Goja ist eine Frau, die die Fähigkeit besitzt, sich in einen wilden Büffel zu verwandeln, um in dieser Form dann die Leute anzufallen und zu vernichten.) In Mamudus Dorf spielte abends ein Mann die Dungeru (Gitarre). Viele Frauen standen herum. Ein Mann sagte: "In unserem Dorfe muß eine Goja leben." Mamudu sagte: "Wenn mich eine Frau im Busch als Gojabüffel anfällt, werde ich doch stärker sein als die Goja." Die Goja hörte es.

Mamudu ging anderen Tags mit einem Bogen und 10 Pfeilen in den Busch. Die Goja ging auch in den Busch. Sie verwandelte sich in einen Büffel. Der Gojabüffel lief durch den Busch. Der Jäger Mamudu traf den Gojabüffel. Der Gojabüffel rief: "Da du mich heute hier



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triffst, bist du verloren." Der Jäger Mamudu sagte: "Ich bin nicht verloren. Du, die Goja wird verlieren!" Mamudu schoß einen Pfeil auf den Gojabüffel ab. Er verfehlte sein Ziel. Mamudu schoß alle 10 Pfeile ab und alle 10 Pfeile fehlten. Mamudu hatte nur noch den Bogen. Er schlug mit dem Bogen auf den Gojabüffel. Der Gojabüffel nahm den Bogen auf die Hörner und schüttelte ihn ab. Mamudu sprang auf einen Baum. Er kletterte auf einen Ast. Der Ast brach. Mamudu stürzte herab. Mamudu fiel in ein Loch. In dem Loch war eine Schlange. Die Schlange wollte Mamudu beißen. Mamudu sagte: "Es ist besser, daß der Gojabüffel mich tötet, als daß ich am Schlangenbiß sterbe." Er sprang aus dem Loch heraus. Er lief von dannen. Der Gojabüffel lief hinter ihm her. Der Gojabüffel war ganz dicht hinter Mamudu.

Mamudu verwandelte sich darauf in ein Guineakorn. Als die Goja das sah, verwandelte sie sich in einen Hahn, der lief auf das Korn zu, um es aufzupicken. Mamudu verwandelte sich hierauf in einen Fisch. Als die Goja dies sah, verwandelte sie sich in ein Messer, das wollte dem Fisch den Bauch aufschneiden.

Mamudu verwandelte sich hierauf in ein Stück Holz. Als die Goja dies sah, verwandelte sie sich in ein Beil, das wollte das Holz zerspalten.

Mamudu verwandelte sich hierauf in einen Weg. Als die Goja dies sah, verwandelte sie sich in einen Fuß, der wollte auf dem Wege schreiten und ihn tottreten.

Mamudu verwandelte sich hierauf in einen Leoparden. Als die Goja dies sah, verwandelte sie sich in einen Jäger mit Bogen und Pfeil, der wollte den Leoparden totschießen.

Mamudu verwandelte sich hierauf in ein Grasbüschel. Als die Goja dies sah, verwandelte sie sich in eine Sichel, die wollte das Grasbüschel abschlagen.

Mamudu verwandelte sich hierauf in einen Mann. Als die Goja dies sah, verwandelte sie sich in ein Kleid, das wollte über den Mann fallen und ihn einhüllen.

Mamudu verwandelte sich hierauf in ein Huhn. Als die Goja dies sah, verwandelte sie sich in einen Schakal, der sprang auf das Huhn zu und wollte es verschlingen.

Dann verwandelte der Jäger Mamudu sich aber in einen silbernen Ring am Finger des Etsu von Gaeae. Als die Goja dies merkte, verwandelte sie sich in einen Maba (Bettler). Der Maba ging an den Hof des Etsu von Gaeae. Der Maba warf sich in der Katamba vor dem



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Etsu nieder. Der Etsu fragte: "Was ist das für ein Mann?" Die Leute sagten: "Das ist ein armer Mann, der nichts hat und um etwas bittet." Der Etsu sagte: "Schenkt ihm einen meiner Sklaven." Der Maba sagte: "Ich danke sehr. Aber was soll ich mit einem Sklaven?" Der Etsu sagte: "So gebt ihm ein Pferd!" Der Maba sagte: "Ich danke sehr. Aber was soll ich mit einem Pferd ?" Der Etsu sagte: "So gebt ihm gute Waffen!" Der Maba sagte: "Ich danke sehr. Aber was soll ich mit guten Waffen?" Der Etsu sagte: "Dann soll der Maba, der keinen Sklaven, kein Pferd, keine Waffen hat, selber sagen, was er will."

Der Maba sagte: "Ich bitte dich, schenke mir den silbernen Ring an deinem Finger!" Der Etsu sah den Ring an seinem Finger. Der Etsu sagte: "Was ist das für ein Ring? Ich kenne diesen Ring nicht!" Die Leute sagten: "Wir wissen nicht, was es für ein Ring ist. Aber es ist dein Ring." Der Etsu zog den Ring ab. Er reichte dem Maba den Ring. Der Maba bedankte sich. Der Maba nahm den Ring, er steckte ihn in die Tasche.

Der Maba ging mit dem Ring in der Tasche von dannen. Der Maba ging in den Busch, um sich zu entleeren. Unterwegs verwandelte sich Mamudu in ein Reiskorn. Das Reiskorn fiel durch ein Loch in der Tasche auf den Weg herab. Nachdem der Maba sich entleert hatte, griff er in die Tasche, um den Ring herauszunehmen. Der Ring war nicht mehr in der Tasche. Der Maba sagte: "Ich habe meinen Mamudu verloren. Aber ich werde ihn wiederfinden." Er ging den Weg zurück. Er sah das Reiskorn. Er sagte: "Das ist ja mein Mamudu!" Er ergriff das Reiskorn. Er behielt es in der Hand. Mamudu verwandelte sich aber in einen Wassertropfen und fiel so zur Erde. Nach einiger Zeit gewahrte der Maba, daß das Reiskorn nicht mehr in seiner Hand war. Der Maba wandte sich um und suchte. Als er aufsah, sah er Mamudu als wildes Schwein weglaufen. Da verwandelte sich die Goja in einen Samiabaum. Das wilde Schwein kam und suchte unter dem Samiabaum Schatten. Mamudu blieb ein wildes Schwein. Die Goja blieb ein Samiabaum.

Seitdem schlafen die wilden Schweine mit besonderer Vorliebe unter Samiabäumen.


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