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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

64. Die drei Wünsche

Ein Mann sagte: "Ich möchte einmal von morgens um sechs Uhr bis nachmittags um sechs Uhr Etsu sein. Dann soll man mich töten." Ein zweiter Mann sagte: "Ich möchte einmal von morgens um sechs Uhr bis nachmittags um sechs Uhr Saba sein. Dann soll man mich töten!" Ein dritter Mann sagte: "Ich möchte einen Tag die erste Frau des Etsu besitzen. Dann soll man mich töten." Der Etsu hörte die Sprüche der drei Männer. Der Etsu sagte: "Wie die Leute das wünschen, so soll es werden."

Der Etsu ließ den ersten Mann rufen. Der Etsu gab ihm seine Kleider. Der Etsu gab ihm seine Frauen. Der Etsu gab ihm alle Dogari. Der Etsu gab ihm alle Kakakischi (Sing. Kakaki, das sind die Fanfarenbläser). Die Soldaten und alle angesehenen Leute kamen. Der neue Etsu bestieg ein Pferd. Er ritt durch die Stadt mit allen Dogari und Fanfarenbläsern und vielen angesehenen Leuten. Er sagte an einer Stelle: "Schlage diesen Mann tot." Die Dogari töteten ihn. Er sagte: "Schlagt jenen Mann tot!" Die Dogari töteten ihn. Bis zum Abend hatte er zehn Mann töten lassen. Als es abends sechs Uhr war, sagte er: "Meine Zeit ist um! Tötet mich!" Darauf ward der Mann getötet.

Der Saba verließ am anderen Tage sein Gehöft. Der Mann, der einen Tag lang Saba sein wollte, wurde gerufen. Der Mann hatte alle Pferde des Saba. Alle Leute kamen zu ihm. Der neue Saba sagte: "Alle Leute sollen aus den Häusern gehen!" Die Leute gingen heraus und setzten sich auf die Erde. Der neue Saba ließ hier ein Haus anzünden. Er ließ da ein Haus anzünden. Er hatte bis zum Abend viele Gehöfte verbrannt. Als es abends sechs Uhr war, sagte er: "Meine Zeit ist um! Tötet mich!" Darauf ward der Mann getötet.

Der Etsu sagte: "Jetzt ruft mir den dritten Mann." Man rief den dritten Mann. Der Etsu sagte: "Dieser Mann möchte einen Tag lang meine erste Frau (Naina Daki; Haussa =Uogigida; Joruba =Jale) besitzen. Bringt Matten auf den Markt und laßt den Mann mit meiner Frau auf dem Markte liegen!" Die Leute brachten Matten auf



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den Markt. Sie brachten die erste Frau des Etsu dahin. Der Mann schlief tagsüber bei der ersten Frau des Etsu auf dem Markte.

Am Nachmittag sagte der Mann zur ersten Frau des Königs: "Um sechs Uhr ist meine Zeit um, dann wird man mich töten." Die erste Frau des Königs sagte: "Nein, sie werden dich nicht töten." Die Frau nahm eine Medizin aus dem Munde. Sie gab etwas dem Mann. Sie nahm selbst etwas davon. Sie genossen die Medizin; darauf wurden sie beide zu zwei ganz großen Fliegen. Die beiden Fliegen flogen zudem Etsu. Der Etsu sagte: "Jagt die Fliegen weg in den Busch!" Die Leute jagten die Fliegen in den Busch. Sie kamen aber zu dem König zurück. Der König sagte: "Jagt die Fliegen in den Busch!" Die Leute jagten die Fliegen in den Busch. Sie kamen aber zum König zurück. Der König sagte: "Nehmt diese Fliegen und werft sie in den Niger!" Die Leute nahmen die Fliegen und warfen sie in den Niger. Dann kamen sie zum König zurück.

Als die beiden Fliegen in den Niger geworfen waren, verwandelten sie sich wieder in den Mann und die erste Frau des Königs. Am Ufer lag das Boot des Fährmannes. Es war der Fährmann mit seiner Tochter in dem Boot. Der Mann und die erste Frau des Königs sagten: "Setzt uns doch über den Niger!" Der Fährmann sagte: "Nein, das tue ich nicht!" Der Mann bat. Die erste Frau des Königs bat. Der Fährmann sagte: "Nein, das tue ich nicht!" Das Mädchen des Fährmannes sagte zu ihrem Vater: "Den Mann will ich heiraten. Ich will mit ihm weiterziehen. Fahre uns über oder ich töte mich!" Da setzte der Fährmann den Mann, die erste Frau des Königs und seine Tochter über. Die drei stiegen am anderen Ufer des Flusses durch die Farmen weiter.

Als es Abends um sechs Uhr war, sagte der König: "Geht auf den Marktplatz. Auf dem Marktplatz schläft der dritte Mann mit meiner ersten Frau. Seine Zeit ist um! Geht hin und tötet ihn!" Die Leute gingen auf den Marktplatz, um den Mann zu suchen. Sie fanden den Mann nicht auf dem Marktplatz. Sie fanden die erste Frau des König nicht auf dem Marktplatz. Sie kamen zum König zurück. Sie sagten: "Der Mann ist nicht auf dem Marktplatz. Deine erste Frau ist nicht auf dem Marktplatz." Der König sagte: "Wir haben die zwei großen Fliegen in den Busch gejagt. Ich habe sie in den Niger getrieben. Fünf Männer sollen auf Pferde steigen und sollen an den Niger reiten. Sie sollen am Niger nach meiner ersten Frau und dem Manne suchen." Fünf Männer stiegen zu Pferde. Fünf Männer ritten zum Fluß hinab. Sie suchten am Flusse nach dem Mann und der ersten Frau des



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Königs. Sie fanden sie nicht. Sie ritten zurück. Sie ritten zurück zum König und sagten: "Wir haben deine erste Frau und den Mann nicht mehr gefunden." Der König sagte: "Sie sind glücklich entfiohen."

Der Mann ging mit der ersten Frau des Königs und mit der Tochter des Fährmannes auf der anderen Seite des Niger durch die Farmen. Sie kamen in den Busch. Eine schwarze Schlange biß den Mann in den Fuß. Er fiel hin. Ein Jäger mit seiner Tochter ging durch den Busch. Die Tochter des Fährmannes lief zu ihm und sagte: "Mein Mann ist von einer Schlange gebissen. Gib mir das Medikament, um die Wunde zu behandeln. Sonst stirbt er!"Der Jäger sagte: "Nein, ich gebe ihm nichts!" Die Tochter des Jägers lief hin. Sie sah den Mann. Sie kam zurück. Sie sagte zu ihrem Vater: "Wenn du ihm kein Medikament gibst, werde ich auch sogleich sterben." Der Jäger ging zu dem Manne. Er nahm aus seiner Medizinkalebasse ein wenig Heilmittel und tat sie in die Wunde des Schlangenbisses. Der Mann ward gesund. Die Tochter des Jägers sagte: "Ich will diesen Mann heiraten. Ich gehe mit ihm!" Die Tochter des Jägers ging mit dem Manne. Der Mann ging mit der ersten Frau des Königs, mit der Tochter des Fährmannes und mit der Tochter des Jägers weiter. Er ging mit ihnen weit weg. Sie kamen in eine andere Stadt. Die Leute des Königs dieser Stadt sagten zu ihrem Könige: "Es ist ein Mann in diese Stadt gekommen, dem laufen alle Frauen nach." Der König sagte: "Bringt mir den Mann!" Die Leute brachten den Mann zum König. Der König sagte zu ihm und seinen Leuten: "Dieser Mann scheint gut zum König zu passen, weil alle Frauen ihn mögen. Ich will alle meine Frauen zusammenrufen. Wenn er unter ihnen meine erste Frau herausfindet, will ich sterben und er soll dann König dieses Landes sein." Der König rief 400 Frauen zusammen. Alle 400 Frauen versammelten sich. Der König fragte den Mann: "Welche unter diesen Frauen ist meine erste Frau?" Der Mann sagte: "Deine erste Frau ist nicht darunter." Es ging eine Frau in alten Kleidern hinten über den Hof. Der Mann sagte: "Unter diesen 400 schöngekleideten Frauen ist deine erste Frau nicht darunter. Die Frau, die dort hinten in schlechten Kleidern geht, das ist deine erste Frau." Der König sagte: "Ja, das ist meine erste Frau." Der König nahm sein Kleid auf, bedeckte damit den Kopf und starb. So wurde dann der Mann König.

Die erste Frau des Königs, die mit ihm als Fliege entwichen war, machte er zu seiner ersten Frau. Die Tochter des Fährmannes machte er zu seiner zweiten Frau. Die Tochter des Jägers machte



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er zu seiner dritten Frau. Die erste Frau des verstorbenen Königs seiner Stadt machte er zu seiner vierten Frau. Danach kamen alle 400 Frauen des verstorbenen Königs.

Eines Tages brachten die Leute ihm eine Kokosnuß als Geschenk. Er gab sie seiner ersten Frau. Die zweite Frau sah das und sagte: "Du gibst alles deiner ersten Frau! Hätte ich nicht damals meinen Vater gebeten, euch überzusetzen, so wärst du längst getötet!" Der König gab die Kokosnuß seiner zweiten Frau. Die dritte Frau sagte: "Weshalb gibst du mir nicht die Kokosnuß? Hätte ich damals nicht meinen Vater gebeten, die Medizin auf die Wunde zu tun, so wärst du längst gestorben." Der König gab die Kokosnuß seiner dritten Frau. Die vierte Frau sagte: "Weshalb gibst du mir nicht die Kokosnuß? Wäre ich nicht damals in meinen schlechten Kleidern über den Hof gegangen, so wärst Du nicht König geworden."

Der König nahm die Kokosnuß. Er verbrannte sie zu Asche. Die Asche füllte er in einen Topf, der unten durchlocht war. Er setzte den durchlochten Topf mit der Asche auf einen anderen Topf. Er goß Wasser auf die Asche. Das Wasser tropfte in den unteren Topf. Das Wasser war salzig. Er kochte das Wasser, bis kein Wasser mehr da war. Es war nur noch Salz übrig. Das Salz verteilte er unter seine Frauen und sagte: "Tut das in eure Speisen!"

So lehrte er die Nupe die Salzbereitung. Früher gewannen sie das Salz immer aus Asche.


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