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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

60. Der Ursprung der Kostbarkeiten

Eda (der fliegende Hund; Haussa = djemagi) hatte früher alle guten Perlen (ujesusu), Schuhe, Stoffe, Kleider und alles Schöne. Die Menschen hatten aber von alledem nichts.

Eines Tages ging der Pferdebursche des Etsu in den Busch, um Gras zu schneiden. Da kam er an ein kleines Edo (Speicherhütte; Haussa =rumbu), das war im Busch gelegen und gehörte den Eda. Dieses Edo war sehr schön gebaut. Die Lehmwand war bedeckt mit Perlen, die in die Erde hineingedrückt waren. Die Dachkappe war von wertvollen Stoffen angefertigt. Der Pferdejunge betrachtete das Edo. Dann nahm er seine Lanje (Sichel; Haussa =lanji) und brach sieben Perlen heraus. Die Perlen nahm er und kehrte dann schnell heim.

Als er in die Stadt zurückgekehrt war, ging er zum Etsu. Er sagte zum Etsu: "Ich war in den Busch gegangen, um für die Pferde Gras zu schneiden. Als ich weit gegangen war, kam ich an eine Stelle, da stand ein Edo. Das Edo war kein gewöhnlicher Kornspeicher, sondern seine Wände waren mit Perlen besetzt und sein Dach war aus schönen Stoffen gefertigt. Ich habe von den Perlen einige herausgebrochen und habe sie mitgebracht." Dann gab der Pferdejunge dem König die Perlen.

Der Etsu rief alle seine Leute zusammen. Er sagte zu ihnen: "Mein Pferdejunge hat im Busch ein Edo gesehen, das mit sehr schönen Perlen und Stoffen angefertigt ist. Bringt mir das Edo hierher. Nehmt eure Waffen und geht hin. Der Pferdejunge wird euch den Weg zeigen." Die Leute sagten: "Wir werden dir das Edo bringen." Die Leute gingen hin und holten ihre Waffen. Dann führte der Pferdejunge sie weit in den Busch.



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Die Eda hatten über das Edo einen Wächter gesetzt, das war Zorangi (wird mir geschildert als ein kleiner Vogel, der als erster jeden Morgen, etwa um 4 Uhr, den Tag ankündigt). Als der Pferdejunge mit den Leuten des Etsu herankam, gewahrte Zorangi sie, und er begann zu schreien: "Es kommen Leute! Es kommen Leute! Es kommen Leute!" Sofort kamen von allen Seiten die Eda herbeigeflogen. Sie stürzten von oben auf die Leute des Königs und schlugen ihnen mit den Flügeln von rechts und links ins Gesicht. Die Leute erschraken sehr, dann warfen sie die Waffen fort und bedeckten das Gesicht mit den Händen, um sich zu schützen. Dann liefen sie heim.

Als sie daheim ankamen, fragte sie der König: "Wo habt ihr denn das Edo?" Die Leute sagten: "Wir konnten es nicht mitbringen." Der König sagte: "Was? Ihr konntet es nicht mitbringen? Warum konntet ihr es nicht mitbringen?" Die Leute sagten: "Als wir nahe herankamen und es schon sahen, schrie der Wächter und darauf kamen die Eda und schlugen mit ihren Flügeln auf uns ein, daß wir die Hände vor das Gesicht halten mußten und davonliefen, ohne das Edo mitnehmen zu können!" Der König sagte: "Was? Ihr konntet es nicht mitnehmen?" Die Leute sagten: "Nein!"

Der König sagte: "Wie komme ich denn nun zu dem Edo ?" Eine alte Frau sagte: "Wende dich doch an Edschu-lagi (kleiner roter und grauer Sudanspatz) und frage den, ob er dir das Edo nicht hertragen kann!" Der König sagte: "Das will ich sehen." Er sandte zu Edschu-lagi. Edschu-lagi kam. Der König fragte ihn: "Kannst du mir das Edo der Eda mit den Perlen und Stoffen bringen?" Edschu-lagi antwortete: "Ich will es mir überlegen. Ich werde dir meine Antwort sagen."Edschu-lagi ging.

Edschu-lagi ging zu einem Ebassantschi (Magier, Schamane) und sagte: "Ich möchte das Edo der Eda holen. Sage mir, ob ich das kann, wenn du mir ein Tschigbe (Zaubermittel) gibst. Ich will dir viel Geld dafür geben." Der Ebassantschi sagte: "Ich kann dir ein Tschigbe bereiten, so daß du das Edo der Eda holen kannst." Edschulagi sagte: "So bereite mir das Tschigbe!"Edschu-lagi ging dann zum König und sagte: "In sieben Tagen werde ich dir das Edo der Eda holen können." Der König sagte: "Es ist gut."

Nach sieben Tagen hatte der Ebassantschi das Tschigbe für Edschu-lagi fertiggestellt. Dann machte sich Edschu-lagi mit seinen Leuten auf den Weg. Sie nahmen jeder eine Trommel (Enja) mit in den Busch. Als sie weit gegangen waren, sahen sie das Edo. Zorangi



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(der Wächter) sah aber auch Edschu-lagi und rief: "Kommt schnell! Kommt schnell! Die Leute kommen wieder! Die Leute kommen wieder!" Da kamen viele Eda und sangen: "Edo ngaloma! Edo ngaloma!" (daß der Speicher nicht mitgehen solle). Edschu-lagi aber sang dagegen: "Edo jalo schakuscha! Edolajo schakuschago!" (d. h. daß das Edo schnell mitgehen solle!)

Sie kämpften miteinander. Edschu-lagi gewann die Oberhand und jagte die Eda fort. Dann nahm er das kleine Edo auf und mit sich. Er brachte es dem König. Der König wurde so sehr reich an Perlen, Stoffen, Kleidern, Schuhen usw. Er gab dem Edschu-lagi ein schönes rotes Kleid, das er noch heute trägt. Eda schreit aber deswegen jeden Morgen nach einem kleinen Speicher. Jeder Eda schreit: "Edo! Edo! Edo!"


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