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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

51. Der Ursprung der Geschlechtsteile

In alter, alter Zeit hatten die Männer keinen Eba und die Frauen keine Suko (Scheide). Dagba machte Freundschaft mit Kaigi. Dagba und Kaigi hatten zusammen eine Farm. Eines Tages waren Dagba und Kaigi inder Farm. Da kam unerwartet ein Regen. Kaigi sagte: "Medizintopf (Tschigbe-Dokung), bringe mich schnell heim." Sogleich war Kaigi daheim. Dagba sah Kaigi nicht mehr. Dagba mußte im Regen nach Hause laufen. Dagba sagte (unterwegs): "Was hat Kaigi es leicht, nach Hause zu kommen! Wie habe ich es schwer! Wie lang ist der Weg."

Am anderen Tage waren Dagba und Kaigi wieder auf der Farm. Da kam unerwartet wieder Regen. Kaigi sagte: "Mein Medizintopf, bringe mich schnell heim."Sogleich war Kaigi daheim. Dagba sah Kaigi nicht mehr. Dagba mußte im Regen nach Hause laufen. Dagba sagte (unterwegs): "Was hat Kaigi es leicht, nach Hause zu kommen! Wie habe ich es schwer. Wie lang ist der Weg! Kaigi muß mir morgen seine Sache sagen!"

Am anderen Tage waren Dagba und Kaigi wieder auf der Farm. Dagba sagte zu Kaigi: "Kannst du mir nicht helfen mein Kaigi? Wenn abends Regen kommt, bist du immer gleich daheim. Ich aber muß den ganzen Weg immer zu Fuß laufen. Kannst du mir nicht



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helfen, daß ich auch so schnell nach Hause komme?"Kaigi sagte: "Gewiß kann ich dir helfen. Ich habe einen Tschigbe-Dokung. Der bringt mich immer so schnell nach Hause. Ich will dir auch einen Tschigbe-Dokung geben. Es wird alles gut gehen, nur darfst du nie mit deiner Hand in den Kochtopf deiner Frau greifen."Dagba sagte: "Das ist sehr einfach. Ich werde das dann unterlassen. Gib mir nur den Tschigbe-Dokung!" Kaigi gab Dagba einen Tschigbe-Dokung.

Am anderen Tage waren Dagba und Kaigi wieder auf der Farm. Es kam unerwartet Regen. Kaigi sagte: "Mein Medizintopf, bringe mich schnell heim!"Sogleich war Kaigi daheim. Dagba sah Kaigi nicht mehr. Dagba sagte auch: "Mein Medizintopf, bringe mich schnell heim." Sogleich war Dagba auch daheim." Dagba sagte: "Das ist eine ausgezeichnete Sache."

Drei Tage lang kam Dagba mit seinem Medizintopf so schnell heim. Am vierten Tage wollte Dagba in den Kochtopf seiner Frau fassen. Tsch(i)ae(n), Dagbas Frau (ein schwarz und weißer Käfer, den man den Kindern als Amulett um den Hals hängt), sagte: "Mein Dagba, laß das! Kaigi hat gesagt: ,Es wird mit dem Tschigbe-Dokung gut gehen, nur darfst du nie mit deiner Hand in den Kochtopf deiner Frau greifen!' Mein Dagba laß das also!"Dagba sagte: "Ich will es nur einmal tun und nachher nicht wieder. Das eine Mal wird es nichts schaden."Dagba griff in den Kochtopf seiner Frau, nahm Essen heraus und verzehrte es.

Am anderen Tage waren Dagba und Kaigi wieder auf der Farm. Es kam unerwartet wieder Regen. Kaigi sagte: "Mein Medizintopf, bringe mich schnell heim."Sogleich war Kaigi daheim. Dagba sah Kaigi nicht mehr. Dagba sagte auch: "Mein Medizintopf, bringe mich schnell heim!"Sogleich war Dagba weit im Busch, wo es noch viel mehr regnete. Dagba sagte: "Mein Medizintopf, ich sagte dir nicht, ,Bring mich in den Busch!' Ich habe dir gesagt ,Mein Medizintopf, bringe mich heim!' Also: mein Medizintopf, bringe mich schnell heim!" Sogleich war Dagba noch weiter im Busch, wo es noch viel mehr regnete! Dagba wurde böse und schrie: "Schnell, mein Medizintopf sei nicht verrückt, sondern bringe mich schnell heim."

Sogleich war Dagba in dem Hause Sukoko (das Haus der Vagina). Suko (die Vagina) sah Dagba. Suko war freundlich zu Dagba. Suko sagte zu Dagba: "Ich freue mich, mein Dagba, daß du zu mir kommst. Sage mir nur, was du wünschst."Dagba sagte: "Gib mir Essen." Suko gab Dagba Essen. Dagba aß und sagte: "Nun will ich wieder gehen." Suko sagte: "Wünsche dir nur etwas. Wünsche dir, was du



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willst. Ich will dir alles geben. Nur bleibe bei mir."Dagba wünschte sich Kleider. Suko gab ihm Kleider. Aber Dagba mußte bei ihr bleiben. Dagba wünschte sich Bogen und Pfeile und Dolche. Suko gab ihm Bogen und Pfeile und Dolche. Aber der Dagba mußte bei ihr bleiben. Dagba wünschte sich ein Pferd. Suko gab ihm ein Pferd. Aber Dagba mußte bei ihr bleiben.

Jeden Tag wünschte sich Dagba etwas. Suko gab ihm alles, was er haben wollte. Suko gab aber Dagba nicht die Erlaubnis, wieder wegzugehen. Eines Tages sagte Dagba zu Suko: "Ich will ein wenig umherreiten!" Suko sagte: "Reite ein wenig umher!"Dagba stieg auf das Pferd und ritt so schnell er konnte von dannen. Als Dagba weit weg war, sagte er zu sich: "Djuko Djuko damiae!" (Wörtlich: "Diese Vagina!" Wird hier als Beschimpfung aufgefaßt.) Suko hörte zugleich in ihrem Hause die Beschimpfung und rief Dagba nach: "Was willst du?"Dagba sagte: "Ah! Ich sagte nur, daß ich hundert Fuß weit fort sei!"Dagba ritt weiter und immer weiter, so schnell er konnte. Als er noch ein gutes Stück weiter war, sagte er wieder zu sich: "Djuko Djuko damiae!" Suko hörte sogleich in ihrem Hause die Beschimpfung und rief Dagba nach: "Was willst du?"Dagba sagte: "Ich sagte nur, daß ich 200 Fuß weit fort sei."

Dagba ritt so schnell er konnte weiter. Dagba kam zu Ebako. Ebako war ein ganz großer Penis. Ebako fragte: "Weshalb läufst du so eilig, mein Dagba ?" Dagba sagte: "Hinter mir her kommt Suko. Suko ist ganz schlimm! Geh nur weg!" Ebako sagte: "Ich fürchte mich nicht. Ich fürchte mich vor nichts. Ich fürchte mich auch nicht vor Suko!" Suko kam aber angerannt. Suko kam hinter Dagba her. Suko wollte Dagba fangen. Dagba versteckte sich hinter Ebako. Je näher Suko kam, desto größer und stärker wurde Ebako. Endlich kam Suko ganz dicht an Ebako. Ebako war hart und stark wie ein Knochen. Suko und Ebako prallten gegeneinander. Suko und Ebako schlugen so stark gegeneinander, daß beide zerschellten.

Ebako zersprang in viele Teile. Die Teile Ebakos lagen am Boden umher. Suko zersprang in viele Teile. Die Teile lagen am Boden umher. Überall lagen die Geschlechtsteile. Die Menschen kamen und nahmen davon. Die Männer, die schnell liefen und als erste kamen, nahmen die großen Ebakos. Die, die langsam liefen und nachher ankamen, bekamen die kleinen Ebakos. Die Frauen, die zuerst ankamen, konnten sich die großen Sukos nehmen, die nachher ankamen, fanden nur mehr kleine Sukos. So kamen die Menschen ZU ihren Geschlechtsteilen.


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