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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

44. Zu weit getriebene Eifersucht

Ein Mann heiratete eine Frau. Er wollte nicht, daß seine Frau einen anderen Mann ansehe. Deshalb nahm er seine Frau und versteckte sie in einer Hütte seiner Farm. Die Frau durfte nie aus der Farm in die Stadt kommen.

Die Frau hatte, ehe sie heiratete, einen Freund gehabt. Der Freund sagte: "Ich möchte meine Freundin einmal wieder sprechen. Wenn der Ehemann mich daran hindern will, so will ich ihn dafür strafen." Der Freund nahm die Frucht von Baobab (Nupe =Emu; Haussa Kuka; Joruba =Ose). Er machte am Nabel ein kleines Loch hinein; er holte allen Samen heraus; er füllte sie mit kleinen Kaurimuscheln; er schloß das Loch mit einem kleinen Holzstift. Als es Nacht war, trug er die Frucht hinaus, in die Farm des Mannes seiner Freundin. Auf dieser Farm stand ein außerordentlich hoher und kaum besteigbarer Baobab. Er versteckte die ausgehöhlte und mit Kauri gefüllte Frucht unter den Büschen am Fuße des Baobab. Dann ging er wieder nach Hause.

Am anderen Tage ging er in die Farm des Mannes seiner Freundin. Der Ehemann rief ihn an: "Was willst du hier? Was machst du hier? Ist dies deine Farm? Wen suchst du hier?" Der Freund sagte: "Ich



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habe einen Weg gemacht und die Richtung verloren. Ich bin lang unterwegs. Kann ich mir in der Hütte etwas Wasser nehmen ?"Der Ehemann sagte: "Laß das! Ich gehe selbst hinein und hole dir etwas Wasser. Bleib hier stehen!"Der Ehemann ging hinein und holte etwas Wasser. Der Freund trank. Der Ehemann sagte: "Nun geh!" Der Freund sagte: "Könnte deine Frau uns nicht etwas Essen machen?" Der Ehemann sagte: "Nein, geh jetzt. Ich will dich nicht wieder auf dieser Farm sehen! Das ist kein Weg! Ich will hier ungestört sein!" Der Freund sagte: "Also so meinst du es!"

Der Freund sagte: "Dann habe ich, ehe ich gehe, noch eine Bitte zu sagen. Gieb mir eine der Früchte dieser Baobab!" Der Ehemann sagte: "Der Baum ist zu hoch. Man kann nicht hinauf. Was willst du auch damit?" Der Freund sagte: "Ich will es dir sagen: die Früchte dieser Baobab haben keine Samen inwendig, sondern Kaurimuscheln, die eine 200, die andere 300." Der Ehemann sagte: "Das lügst du!" Der Freund sagte: "Weshalb soll ich das lügen? Wir wollen sehen, ob wir nicht unter den Büschen eine herabgefallene Frucht finden. Du kannst sie dann selbst öffnen und nachsehen!" Der Freund ging umher unter den Büschen. Er sagte: "Hier liegt eine Frucht!" Er hob die Frucht auf und brachte sie dem Ehemann. Es war die Frucht, die er selbst nachts hierhergebracht hatte. Der Ehemann nahm die Frucht. Er warf sie gegen den Boden. Die Frucht sprang auf; alle Kauri sprangen auseinander.

Der Ehemann sah die Kauri. Der Ehemann sagte: "Es ist wahr. Ich habe viel Geld auf meiner Farm. Du hast es mir aber erst gezeigt." Der Ehemann nahm einige Kauri auf. Er sagte: "Es sind Kauri!" Der Ehemann besah die Kauri und sagte zu dem Freunde: "Bleibe du hier unter dem Baum. Ich will schnell in das Farmhaus gehen und eine Leiter herausholen."Der Ehemann ging hinein in das Haus. Er holte eine Leiter. Der Freund blieb unter dem Baume. Der Ehemann kam mit der Leiter. Der Ehemann lehnte die Leiter an den Baum. Der Freund sagte: "Ich will nach oben gehen und pflücken!" Der Ehemann sagte: "Nein, ich werde auf den Baum gehen und pflücken!" Der Freund bat: "Laß mich doch auf den Baum gehen!" Der Ehemann sagte: "Jetzt sehe ich, weshalb du hierher gekommen bist. Du wolltest mir meine Früchte mit 'kauri stehlen! Nein, ich werde hinaufsteigen!" Der Ehemann stieg die Leiter hinauf und in die Krone des Baumes.

Der Baum bewegte sich. Der Ehemann stieg in die Zweige. Die Zweige schüttelten sich. Einige Früchte fielen herab. Der Freund



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hob sie auf und betrachtete sie. Der Ehemann sah das. Der Ehemann schrie: "Frau! Frau! Komm aus dem Hause! Paß auf den Freund auf. Wenn niemand auf ihn aufpaßt, wird er die Früchte aufnehmen und damit fortlaufen!" Die Frau hörte es. Die Frau rief: "Soll ich zum Freund hinausgehen?" Der Freund legte sich auf den Boden. Der Ehemann schrie: "Frau, komm heraus. Lege dich zu dem Freunde auf den Boden und bleibe bei ihm, daß er nicht mit den Früchten wegläuft." Die Frau kam heraus. Sie brachte eine Matte mit und sie sagte: "Ich soll mich zum Freund legen?" Der Ehemann schrie: "Ja, tue es! Halte ihn!" Die Frau legte die Matte neben den Freund. Der Freund gab der Leiter einen Tritt. Die Leiter fiel um. Der Freund legte sich mit auf die Matte. Der Freund sagte zu der Frau: "Nun halte mich!" Dann beschlief er sie.

Der Ehemann sah die Leiter fallen. Der Ehemann sah den Freund auf der Matte. Der Ehemann konnte nicht von seinem Baume herab. Der Ehemann schrie: "Gott helfe mir! Gott helfe mir! Gott helfe mir!"Der Freund beschlief die Frau fünfmal. Dann sagte er: "Es war nur meine Absicht, mit dir zu sprechen. Das andere ist Sache deines Mannes."

Man soll seine Frau nicht einsperren wie einen Hund!


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