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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

38. Der Marikitsdzi (Betrüger) (schlecht erzählt, daher nur fragmentarisch wiedergegeben)

Ein Marikitschi ist ein Mann, der Streitigkeiten provoziert und mit Vorteil aus deren Entwicklung hervorgeht; ein Marikitschi ist ein Betrüger im allgemeinsten Sinne, er ist aber auch ein Zechpreller und ein Mann, der bei anderen Leuten pumpt, ohne ihnen etwas zurückerstatten zu können, usw.

Der Marikitschi dieser Geschichte geht allmorgendlich zu Etsu Saberi und bittet: "Gott wolle mir heute ein großes Palaver geben." Dieses Gebet wiederholt er alle Tage vor dem Könige. Eines Tages ist er wieder bei Etsu Saberi. Der König hat an alle und so auch an ihn Speise verteilen lassen. Zwei junge Leute nehmen Schmutz und werfen ihn in seine Speiseschüssel. Er springt auf und wirft seine



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Kleider ab, um mit den beiden zu fechten. Dann wendet er sich wieder den beiden zu. Aber nun nimmt ein anderer einen Scheit brennenden Holzes und zündet den beiseite gelegten Rock an. Er läßt die ersten beiden und stürzt sich auf den Feuermann. Derweilen kommen zwei andere Leute und zerreißen kunstgerecht seine danebenliegende Hose. Seine Wut wächst; er will nach Hause stürzen, um einen Knüppel zum Dreinhauen zu holen. Unterwegs rennt er in blinder Hast gegen eine hochschwangere Frau, deren Bauch infolge der Rempelung platzt. Der dazu gehörige Ehemann sieht das und schlägt mit einer Stange auf den Marikitschi.

Der Marikitschi kommt in seinem Gehöft an. Er stürzt in die Katamba, um den Stock zum Prügeln zu holen. Da stößt er auf Diebe, die schon den größten Teil seines Kornes fortgetragen haben und nun die letzten Lasten wegwerfen, um fortzuspringen. Er will die Diebe verfolgen und geht in ein Haus, in dem sein Schwert liegt. Er kommt an seinem Pferde vorbei, das allerdings noch nicht bezahlt ist. Er trifft bei dem Pferd einige Leute, die das Pferd getötet haben und nun das Fleisch aufteilen, um es wegzutragen. Voller Wut rast er in ein Zimmer, in dem ein Gewehr ist. In dem Hause wohnt eine neue Frau, die er noch gar nicht beschlafen hat. Als er nun hereintritt, sieht er drei Männer darin, die alle seine jungfräuliche Frau beschlafen haben. Der Mann sieht dies und vergißt darüber den Stock, den Säbel, das Gewehr. Er bricht zusammen und bittet Gott seines schlechten Lebenswandels wegen um Entschuldigung. Er verspricht, für den Rest seines Lebens nicht wieder Mankitschi sein zu wollen.

Infolge dieses Erlebnisses will der Marikitschi mit der Frau, die von den drei Männern beschlafen wurde, nichts mehr zu tun haben. Er heiratet eine neue Frau. Am Tage der Hochzeit begeht er ein großes Fest, ein Verehelichungsfest. Bei dem Feste tanzt er selbst heftig, fällt bei dem Tanze hin, stürzt ins Feuer und verbrennt sich das männliche Glied sehr stark. Der Marikitschi sucht Medizin. Es wird Medizin gefunden; aber als der langwierige Heilungsprozeß dem Ende nahe ist, da stirbt die Frau, derentwegen das Hochzeitsfest gefeiert wurde. Voller Schmerz lehnt der genesende Marikitschi den Kopf gegen die Mauer. Da sticht ihn ein Skorpion ins Ohr. In ohnmächtiger Wut schlägt er um sich. Da stürzt das ganze Hausdach über ihm ein. Er wendet sich an die Leute mit der Bitte, ihm bei der Wiederherstellung der Zimmerdecke und des Hausdaches zu helfen. Er geht mit ihnen in die Grube, in der der Lehm zum Luftziegelbau



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geknetet und gedrückt wird. Es beginnt zu regnen. Infolge des Regens wohl (?)geht er in den Busch und beginnt das Farmland zu bereiten. Er wirft das Sorghumsaatkorn aus. Die Buschhühner kommen. Die Buschhühner scharren und picken alles Saatkorn heraus. Er sieht das. Er legt sich auf die Lauer. Er tötet ein Buschhuhn. Er schneidet ihm den Kopf ab. Er bereitet das Huhn in der Farm. Er ißt das Huhn. Er tut den Kopf des Buschhuhnes in eine Kalebasse und nimmt ihn mit heim.

Auf dem Wege in seine Stadt trifft er den Fleischer. Der Fleischer sagt ihm, es sei ihm ein Ochse weggelaufen und fragt ihn, den Marikitschi, ob er den Ochsen nicht etwa gesehen, d. h. um die Ecke gebracht habe. Der frühere Marikitschi schwört, er habe den Ochsen nicht gesehen. Er behauptet, seit längerer Zeit ein ehrlicher Mensch zu sein. Seit dann und dann habe er überhaupt kein anderes Fleisch mehr gegessen als das eines Buschhuhnes, dessen Kopf er in der Kalebasse habe. Der Fleischer will den Kopf aus der Kalebasse sehen Der frühere Marikitschi zeigt den Kopf vor. Der Kopf des Buschhuhnes hat sich in einen Ochsenkopf verwandelt. Entsetzen des Marikitschi. Der Schlächter nimmt den Ochsenkopf als Corpus delicti an sich, schiebt ihn in die Tasche und schleppt den Mankitschi zum König. Der König hört die Klage des Schlachters: der frühere Marikitschi soll den Ochsen beiseite gebracht, getötet, geschlachtet, gegessen haben. Der König fragt den Marikitschi, ob er wieder dem Wesen der Manikitschi anheimgefallen sei. Der schwört, ein ehrlicher Mann geworden zu sein. Er schildert seine Ereignisse, seitdem er aufs neue habe heiraten wollen, und endet mit dem Bericht über das getötete diebische Buschhuhn, dessen Kopf er in der Kalebasse gehabt habe. Der Schlächter schreit dazwischen, der Kopf in der Kalebasse sei nicht der Kopf eines Huhnes, sondern der eines Ochsen, und zwar der Kopf des ihm gestohlenen, dann heimlich getöteten, geschlachteten und verzehrten Ochsen gewesen. Der König läßt den früheren Marikitschi und den Schlächter miteinander streiten und verlangt dann, daß ihm der Schlächter den Kopf des Ochsen, den er in der Kalebasse des Marikitschi gefunden habe, vorzeige. Der Schlächter zieht den Kopf aus der Tasche. Der Ochsenkopf hat sich wieder in den Kopf eines Buschhuhnes verwandelt. Der König läßt darauf den Schlächter hinrichten, weil er im vorliegenden Falle den Marikitschi verleumdet habe. Für dieses gnädige Urteil will der frühere Marikitschi sich bedanken und sich vor dem König auf die Erde werfen. Dabei wirft er mit seinem wallenden Kleide unglück-



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licherweise Erde auf und dem König gerade in die Augen. Über diese Unvorsichtigkeit entrüstet, läßt der König den früheren Marikitschi in Fußeisen legen, und nachdem der Marikitschi einige Tage im Fußeisen gelegen hat, stirbt er.


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