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Kapitel 

DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM GELDWECHSLER UND DEM DIEB

Ein Geldwechsler, der einen Beutel voll Gold bei sich hatte, kam einst an einer Diebesbande vorüber; da sagte einer von den Schelmen: ,Ich kann den Beutel da stehlen!' Die anderen fragten: ,Wie willst du das machen?' Da erwiderte er: ,Ihr sollt sehen!' Dann folgte er dem Manne bis zu seiner Wohnung. Als der Wechsler nun in sein Haus eingetreten war,



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legte er den Beutel auf das Gesims und ging, um eindringendes Bedürfnis zu verrichten, zum stillen Orte; dabei rief er der Sklavin zu: ,Bring eine Kanne Wasser her!' Die Sklavin holte die Kanne und folgte ihm bis zu dem Orte; die Haustür aber hatte sie offen stehen lassen. Rasch drang der Dieb hinein, ergriff den Beutel, eilte zu seinen Kumpanen zurück und erzählte ihnen, was geschehen war. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 345 Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Dieb den Beutel ergriff, zu seinen Kumpanen zurückeilte und ihnen erzählte, wie er es bei dem Geldwechsler und bei der Sklavin gemacht hatte. Da riefen sie: ,Bei Allah, was du da gemacht hast, das ist ein guter Streich; den kann nicht jeder Mensch fertigbringen. Aber jetzt kommt sicher der Wechsler aus dem stillen Orte heraus, und wenn er den Beutel nicht findet, so wird er die Sklavin schlagen und schwer bestrafen. Drum hat es doch noch den Anschein, als ob du nichts Rühmliches vollbracht hättest. Ja, wenn du ein echter Schelm bist, so mußt du die Sklavin vor Prügel und Strafe bewahren.' Er antwortete ihnen nur: ,So Allah der Erhabene will, werde ich die Sklavin und den Beutel bewahren!' und kehrte sofort zum Hause des Geldwechslers zurück; dort hörte er, wie der Mann gerade die Sklavin wegen des Beutels bestrafte. Er klopfte bei ihm an, und jener rief: ,Wer ist da?' Als der Dieb ihm antwortete: ,Ich bin der Diener deines Nachbarn inder Basarhalle', ging der Wechsler zu ihm hinaus und fragte ihn: ,Was willst du?' Der Dieb erwiderte: ,Mein Herr läßt dich grüßen und dir sagen: Du bist jawohl ganz von Sinnen; wie kannst du einen Beutel wie diesen vor die Ladentür werfen und dann fortgehen und ihn liegen



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lassen? Wenn ein Fremder ihn gefunden hätte, so hätte er ihn sicher weggenommen und sich aus dem Staube gemacht. Hätte mein Herr ihn nicht gesehen und aufbewahrt, so wäre er für dich verloren gewesen!' Mit diesen Worten zog er den Beutel heraus und hielt ihn dem Mann vor die Augen. Sowie der Geldwechsler den sah, rief er: ,Das ist ja wirklich mein Beutel!' und er streckte die Hand aus, um ihn an sich zu nehmen. Doch der Schelm sprach: ,Bei Allah, ich gebe ihn dir nicht eher, als bis du mir einen Schein für meinen Herrn geschrieben hast, der besagt, daß du den Beutel von mir erhalten hast. Ich fürchte, mein Herr wird mir nicht glauben, daß du den Beutel in Empfang genommen hast, wenn du mir nicht einen Schein für ihn ausstellst und dein Siegel darunter setzest!' Da ging der Wechsler ins Haus zurück, um den verlangten Schein über den Empfang des Beutels zu schreiben: der Dieb aber lief mit dem Beute auf und davon, und die Sklavin war vor der Strafe bewahrt.

Ferner wird erzählt


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