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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



Atlantis Bd_09-0004 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

32. Der Segen der verstorbenen Mutter

Ein Mann heiratete eine Frau. Die Frau ward schwanger. Die Mutter der Frau war seit langem gestorben. Der Mann war sehr arm. Er hatte nichts zu essen. Die Frau war sehr arm. Sie hatte nichts zu essen. In der Stadt Gidi ist ein Markt, der heißt Baro. Früher konnte jeder Verstorbene auf diesem Markte seine überlebenden Verwandten sehen, wenn sie hinkamen. Sie aber konnten den Verstorbenen nicht sehen.

Als die Frau nun gar nichts zu essen hatte, ging sie auf den Markt Baro. Sie ging auf dem Baromarkte zu einer alten Frau, die Fische verkaufte, und sagte zu ihr: "Gib mir ein wenig Fischhaut ab, denn ich bin sehr hungrig." Die Frau, die Fische verkaufte, sah, daß die Frau schwanger war. Sie gab der schwangeren Frau für 1000 Kauri Fisch und sagte: "Geh hier nebenan und koche ihn dir. Wenn du nach Hause gehst, hole dir noch ein wenig ab!" Die schwangere Frau nahm den geschenkten Fisch und ging fort, um ihn zu kochen.

Als die schwangere Frau fortgegangen war, kam die verstorbene Mutter der schwangeren Frau zu der Markthändlerin und fragte:



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"Kennst du die Frau, der du eben den Fisch geschenkt hast?" Die Frau, die Fische verkaufte, sagte: "Nein, ich kenne sie nicht. Es ist eine Fremde." Die verstorbene Mutter der schwangeren Frau sagte: "Gib ihr diese geschlossene Kalebasse. Die schwangere Frau soll sie mit nach Hause nehmen. Sie soll sie nicht eher öffnen, als bis sie nach Hause kommt." Dann ging die verstorbene Mutter fort. Die schwangere Frau kehrte zurück. Die Frau, die Fische verkaufte, gab ihr die verschlossene Kalebasse und sagte: "Es ist für dich diese Kalebasse abgegeben worden. Nimm sie mit nach Hause. Offne sie aber nicht eher, als bis du nach Hause kommst!" Die schwangere Frau nahm die Kalebasse. Sie ging mit ihr nach Hause und öffnete sie. Sie fand darin viele Perlen und vieles Gold.

Die schwangere Frau kam in die Wehen. Sie gebar ein Kind. Kurze Zeit danach ging die Frau wieder auf den Baromarkt. Sie ging mit ihrem Kinde auf den Baromarkt und suchte die alte Frau, die ihr für 1000 Kauri Fische geschenkt hatte. Sie fragte die alte Frau: "Hast du die Frau wiedergesehen, die dir die Kalebasse für mich zurückgelassen hat?" Die alte Fischverkäuferin sagte: "Nein, ich habe die Frau nicht wiedergesehen." Die Frau mit dem Kinde sagte: "Ich werde nachher noch einmal zu dir kommen." Die Frau mit dem Kinde ging fort. Als sie fortgegangen war, kam die verstorbene Mutter der Frau zu der alten Frau, die Fische verkaufte, und sagte: "Hier bringe ich dir einen Sack. Gib ihn der Frau mit dem Kinde, die vorhin hier nach mir fragte. Sage der Frau, sie solle den Sack erst zu Hause aufmachen. Sage ihr, sie solle nicht wieder hierher kommen." Die verstorbene Mutter ging fort. Nachher kam die Frau mit dem Kinde wieder zu der Frau, die Fische verkaufte. Die Frau, die Fische verkaufte, sagte zu der Frau mit dem Kinde: "Die Frau, nach der du vorhin gefragt hast, war hier. Sie hat diesen Sack für dich zurückgelassen. Sie läßt dir sagen, du sollst ihn nicht öffnen, bevor du nach Hause zurückgekehrt seiest. Sie läßt dir sagen, du sollst nicht wieder auf diesen Markt kommen." Die Frau, die Fische verkaufte, gab der Frau mit dem Kinde den Sack.

Die Frau mit dem Kinde nahm den Sack auf den Kopf. Sie ging damit nach Hause. Sie öffnete ihn daheim und fand darin viele Kleider, Gold, Silber, Perlen. Sie war nun sehr reich. Sie hatte viel für sich, für ihren Mann, für ihr Kind. Daher gingen nun viele Leute auf den Baromarkt, um auch so reich zu werden wie sie. Aber die Verstorbenen sind seitdem nicht wieder auf den Markt gekommen.


Copyright: arpa, 2015.

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